Medien und die Neue Rechte
Wissenschaftler, Journalisten und Kulturarbeiter tauschen sich aus
Das Wesen von Propaganda besteht darin, Menschen für eine Idee zu gewinnen, so innerlich, so lebendig, dass sie am Ende ihr verfallen und nicht mehr davon loskommen.“1
Dies schrieb Joseph Goebbels, und er ist damit nicht weit entfernt von den Strategien der Öffentlichkeitsarbeiter neuerer rechter Bewegungen. Angesprochen werden dabei tief menschliche, geradezu archaische Gefühle: die Liebe zu den eigenen Kindern, die Sorge um das Wohl der Familie, der Wunsch nach Frieden.
Goebbels’ Propagandastrategie sah vor, die politische Linie als historische Tatsachen zu deuten, als Wirklichkeit, in der ausschließlich die anderen die Lügner und die Täter sind. Die eigenen Gräuel sind dann patriotische Bürgerwehren zum Schutz des „deutschen Blutes“. Die Verengung einer gesellschaftlichen Realität auf Dualismen von Gut und Böse, in denen es ein einiges, aber leidendes und unterdrücktes Volk gibt, war und ist die Aufgabe von Propagandisten.
„Propaganda“ heißt heute „Populismus“, „Rasse“ ist „Identität“ und der „deutsche Volkskörper“ ist nun die bedrohte „deutsche Kultur“. Im Mechanismus jedoch verfolgen neue rechte Gruppierungen von „Identitär“ bis „Ein Prozent“ die gleiche Argumentationsweise. Ernst zu nehmende Sorgen, gesellschaftliche Herausforderungen und diskussionswürdige Entscheidungen werden in linksextreme Terrorsysteme umgedeutet, denen nur ein heimatliebender, patriotischer Widerstand entgegenstehen könne.
Empathiebetont geht es scheinbar um nichts Geringeres, als „dass ihnen viel Leid erspart bleibe, an ihrem Gut und Leben und an dem Blut ihrer Kinder und Kindeskinder“, wie es das Ende des Propagandafilms Jud Süß von 1940 als Legitimierung der Rassengesetze formuliert.
Heute wie damals sind solche rhetorischen Strategien vom Publikum nur schwer zu durchschauen, und noch schwerer ist es, sich ihnen zu entziehen. Nicht zufällig fällt die gesellschaftliche Unsicherheit zusammen mit der Entstehung von neuen Medienkanälen. Hier das Internet, dort das Kino erzeugen zunächst mit Vilém Flusser einen Überschuss an Informationen. Die Gesellschaft ist gefordert, ihre Ordnung von Wahrheit und Wissen selbst neu herzustellen. Alte Deutungssysteme greifen nicht, verlieren an Hoheit und müssen sich neu definieren. Ein Aushandlungsprozess im besten Fall, ein Krieg oftmals in der Geschichte.
Mit den Medien gehen die Neuen Rechten sehr differenziert um, und dies oftmals innovativer und nachdrücklicher als ihre politischen Gegner. Nicht zuletzt deshalb gelingt ihnen die Ausweitung des Sagbaren, die Themensetzung zur deutschen Politik und die Anzweifelung des journalistischen Handwerks bis an die Grenzen von Grundgesetz und Pressekodex und manchmal auch darüber hinaus.
Für Journalisten ist diese Situation eine der großen aktuellen Herausforderungen. Denn einerseits sind sie auf der Suche nach einer Wahrheit, die im Pluralismus von Perspektiven und Fakten liegt, und andererseits berichten sie über Bewegungen, die mit visuellen, auditiven und sprachlichen Argumentationsstrategien gar keine anderen Wahrheiten als die eigene zulassen. Den einen geht es um Diskurs, den anderen um Präsenz.
Diese Problematik war Grundlage einer Veranstaltung, die im Herbst an der medienwissenschaftlichen Abteilung der Martin-Luther-Universität in Halle stattfand. Der Master-Studiengang „Multimedia und Autorschaft“ hatte das Treffen initiiert und vorbereitet. Unter den drei Leitfragen „Wie berichten wir?“, „Welche Sprache verwenden wir?“, „Welchem Agenda-Setting folgen wir?“ trafen sich Medienschaffende und Wissenschaftler zum gemeinsamen Workshop. Wie diese Problembereiche beschrieben werden können und wie man mit ihnen konstruktiv umgeht, war Gegenstand eines interessanten und fachübergreifenden Erfahrungsaustauschs. Die Veranstaltung war explizit als geschützter Raum der Diskussion gedacht, deshalb werden auch hier keine Namen wiedergegeben.
Interessant war, dass Akteure sehr unterschiedlicher kultureller Institutionen, Forschungsrichtungen und Medien zusammenkamen. Unter den knapp 50 Beteiligten trafen Wissenschaftler auf Lokaljournalist, überregional aktive Online-Publizisten auf Pressesprecher, Dokumentarfilmer, Vertreter aus Kunst, Kultur und Museen. Drei Impulsreferate spiegelten diese Bandbreite von Akteuren.
Zunächst schilderte eine Dokumentaristin ihre konkreten Erfahrungen im Umgang mit neuen rechten Bewegungen, die sie zu strukturierten Handlungsempfehlungen für Fernsehjournalisten verdichtete. Eine Theaterwissenschaftlerin stellte differenziert die Frage nach der gesellschaftlichen Aufgabe von Kunst und Kultur innerhalb der aktuellen Diskussion und warb für eine spartenübergreifende Verständigung und Kooperation. Ein Kommunikationswissenschaftler stellte aktuelle Forschungen zu radikalen Auffassungen in der Bevölkerung vor.
Anschließend wurden in Arbeitsgruppen Darstellungs- und Marketingstrategien der Neuen Rechten analysiert und Beispiele besprochen, in denen Journalisten diesen Strategien erlegen waren und ungewollt Plattformen boten. In einer anderen Runde reflektierten die Teilnehmer übergreifende Narrative und Themen der Neuen Rechten. Ein drittes Panel tauschte Erfahrungen mit Interviewsituationen und Recherchen aus, in denen die Problematik des Agenda-Settings naturgemäß besonders konkret wird.
Die Ergebnisse des Tages reichen von einer gegenseitigen Verständigung über rechtliche, praktische und strukturelle Herausforderungen bis hin zu Handlungsvorschlägen:
- Persönliche Meinung und kritische Haltung sind grundlegend und offensichtlich voneinander zu trennen, politische Selbstzuschreibungen nicht zur übernehmen.
- Begrifflichkeiten und auch visuelle Inszenierungen müssen in ein Framing überführt und als Strategien offengelegt werden.
- Die Themengewichtung in den Redaktionen bedarf einer strukturellen Überwachung.
- Bei Kontakten und Interviews mit Vertretern der Neuen Rechten sind deren Motivation und der Aussagewert der Antworten von vornherein kritisch einzuschätzen.
Das mag alles banal klingen, ist jedoch – wie sich in den Redebeiträgen zeigte – keineswegs einfach praktisch umzusetzen. Die Diskussionen machten vielmehr deutlich, dass die betriebs- und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Presse äußerst schwierig sind. Die Zentralisierung von Redaktionen, Zeit- und Geldknappheit lassen einen Pressemitteilungsjournalismus naherücken, der PR-aktiven Parteien ungewollt den Vorrang gibt.
Für die journalistische Praxis wurde deshalb klar, dass sich Qualitätsjournalismus seiner bereits vorhandenen ethischen, rechtlichen und handwerklichen Grundlagen vergewissern kann und muss. Diese Grundlagen sind auch für fundierte Ausbildungen an Universitäten und in Medien einzufordern.
Die wissenschaftliche Forschung kann und muss die Offenlegung von Strategien zur Indienstnahme neuer Medien und der in ihnen verbreiteten Werte vorantreiben. So stehen beispielsweise mediale Selbst- und Fremdbilder im Mittelpunkt zukünftiger Projekte.
Eine zu veröffentlichende Agenda konnte dieses Treffen nicht hervorbringen, zu unterschiedlich waren die Erlebnisse und Perspektiven innerhalb des Themas. Doch die Rückbesinnung auf bestehende ethische Strukturen, wie den Pressekodex, und der konstruktive, partnerschaftliche Austausch waren gewinnbringend.
In der Zusammenschau zeigte die Veranstaltung gleichzeitig, dass die Strategien der Neuen Rechten durchschaubar sind und ein Teil eines pluralistischen Systems sein können und sollen. Sie fordern die sich umformenden Medienstrukturen heraus, sich des eigenen Auftrags unter der Stabilität einer rechtlichen und politischen Wertegrundordnung zu vergewissern.
Das entstandene Netzwerk wird sich weiter austauschen, Kooperationen sind in Vorbereitung.
Anmerkung
1) Knopp, Daniel: NS-Filmpropaganda. Wunschbild und Feindbild in Leni Riefenstahls Triumph des Willens und Veit Harlans Jud Süß. Marburg 20014