Meldestelle des BKA: 7.500 Verstöße gegen das NetzDG bearbeitet
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist seit dem 1. Oktober 2017 in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, rechtswidrige Inhalte im Netz zu bekämpfen. Um das zu erreichen, werden die Betreiber verpflichtet, den Nutzer*innen ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte anzubieten und Nutzerbeschwerden unverzüglich zur Kenntnis zu nehmen. Die Netzwerke müssen diese auf strafrechtliche Relevanz überprüfen und offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen oder sperren. Als strafbar eingestufte Inhalte müssen in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden. Die Nutzer*innen müssen über jede Entscheidung bezüglich ihrer Beschwerden informiert werden. Alle Entscheidungen sind zu begründen. Außerdem müssen die Netzwerke in Deutschland einen Zustellungsbevollmächtigten benennen, damit mögliche Strafverfolgung nicht ins Leere laufen (vgl. BMJ 2017).
Unternehmen schaffen es alleine nicht
Das Problem: Wenn strafbare Inhalte aus dem Netz genommen werden, wird dadurch eine weitere Strafverfolgung praktisch unmöglich. Zudem gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Zustellungsbevollmächtigte auch zuständig war, wenn sich der Autor des Inhalts beschweren und den Post wiederherstellen wollte. Deshalb brachte das Ministerium eine Änderung des NetzDG (Titel: NetzDGÄndG) auf den Weg: „Es ist ein weltweit wohl beispielloses Vorhaben. Polizei und Justiz sollen Facebook, YouTube, Twitter, TikTok und Instagram säubern. Die Pflicht zur Selbstreinigung, die den Plattformen 2017 mit dem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz verordnet wurde, reicht der Politik nicht mehr. Die Unternehmen allein, so lautet das ernüchterte Fazit, werden das Problem nicht lösen.“ (Diehl u. a. 2021)
Theorie und Praxis: Urteil des VG Köln bremst die Stelle aus
In Fällen von Volksverhetzungen, Morddrohungen und anderen illegalen Inhalten müssen die Anbieter sozialer Medien die Daten von Autoren an die beim Bundeskriminalamt gegründete „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ übermitteln – vorausgesetzt, sie sind dem Netzwerk bekannt. Die Stelle hatte sich viel vorgenommen: Sie rechnete bei ihrer Gründung mit 150.000 Strafverfahren pro Jahr.
Die Meldestelle arbeitet nun seit einem Jahr, allerdings unter erschwerten Bedingungen: Die Verfahren laufen zwar, aber ohne die Weitergabe von Daten der Anbieter an das BKA. Unter anderem Google hatte im Juli 2021 gegen diesen Passus des Gesetzes beim Verwaltungsgericht Köln Klage eingereicht: Das Verfahren der Datenweitergabe an das BKA stelle einen Verstoß gegen das EU-Recht sowie nationales Verfassungsrecht dar. Das Gericht gab den Klägern im Eilverfahren vorläufig teilweise recht, allerdings wurde noch nicht entschieden, ob die Regelung zur Datenweitergabe an das BKA grundsätzlich nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Das Prozedere der Einführung der Gesetze durch die Bundesregierung sei aber fehlerhaft gewesen (hpp/reuters 2022). Das Urteil hat zur Folge, dass das BKA die Fälle an die Strafverfolgungsbehörden weitergibt, die dann aber selbst die Recherche nach den Autoren übernehmen müssen. Und das dauert.
Viel Arbeit mit rechtlichen Unsicherheiten
Jetzt liegt ein erster Bericht vor, der wahrscheinlich aus diesem Grund etwas bescheidener ausfällt, als das BKA zu Beginn prognostiziert hat. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland meldet, seien innerhalb des ersten Jahres knapp 7.500 Fälle von Hass im Netz überprüft worden. Rund drei Viertel der gemeldeten Inhalte wurden demnach als strafrechtlich relevant eingeordnet (Decker 2023a).
Der Fall zeigt, wie schwer es ist, gut gemeinte rechtliche Bestimmungen in die Realität umzusetzen: „Man kann den Regierenden nicht verübeln, dass sie sich beim Kampf gegen Hass im Netz seit Jahren am Rande des Scheiterns bewegen. Denn sie haben es mit drei mächtigen Gegnern zu tun: einer Technik, die sich dem schnellen Zugriff entzieht, allmächtig wirkenden Betreibern digitaler Netzwerke sowie einer Definition von Meinungsfreiheit, die von vielen Nutzern und zuständigen Gerichten oft erstaunlich weit gefasst wird. … Freilich verweigern Messengerdienste oder digitale Netzwerke vielfach, was sie laut Gesetz sollen. Eine Pflicht, im Word Wide Web mit seinem echten Namen aufzutreten, existiert nicht. Entsprechend schwierig bleibt es, die Urheber von Bedrohungen und Beleidigungen zu stoppen. Dass die Inhaber bestimmter Accounts jetzt Buschmann zufolge zunächst auf ein Sperrersuchen hingewiesen werden und sich anschließend äußern dürfen, bevor es ernst wird, dürfte allein die Dummen unter den Unverbesserlichen stoppen. Die Intelligenteren dürften ihr Unwesen von einem neuen Account relativ ungeniert weitertreiben.“ (Decker 2023b)
Quellen:
Bundesministerium der Justiz (BMJ): Regeln gegen Hass im Netz – das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, 21.12.2022, Abrufbar unter: www.bmj.de
Decker, Markus (a): Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Hass im Netz: BKA prüfte bisher 7500 Meldungen. In: RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), 15.04.2023. Abrufbar unter: www.rnd.de
Decker, Markus (b): Kommentar. Hass im Netz: ein Abwehrkampf am Rande des Scheiterns. In: RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), 14.04.2023. Abrufbar unter: www.rnd.de
Diehl, J., Hoppenstedt, M., Rosenbach, M., Wiedmann-Schmidt, W.: Neue Strategie gegen Hass im Netz. Online-Hetzer bekommen es jetzt mit dem BKA zu tun. In: Spiegel Netzwelt, 27.07.2021. Abrufbar unter: www.spiegel.de
hpp/reuters: Anti-Hass-Gesetz. Google und Meta erringen Teilerfolg gegen NetzDG. In: Spiegel Netzwelt, 01.03.2022. Abrufbar unter: www.spiegel.de