Mythos weibliche Lust

Was macht die feministische Pornografie?

Carolin Wenzel, Celia Ruppert

Die Pornografiebranche hat das Potenzial einer neuen weiblichen Zielgruppe bereits ab den 1980er-Jahren erkannt und Angebote sowie Inhalte geschaffen, die einen Gegen­entwurf zur Mainstreampornografie darstellen. Doch inwiefern kann sich die feministische Pornografie von bestehenden stereotypen Geschlechterrollenzuschreibungen und klischeehaften Darstellungen lösen? Der Beitrag liefert eine Kurzübersicht über eine filmwissenschaftliche Analyse feministisch-pornografischer Filme sowie über eine Rezeptionsstudie, die sich damit beschäftigt, ob und inwiefern stereotype Zuschreibungen von Rezipientinnen und Rezipienten identifiziert, wahrgenommen und bewertet werden.

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 2/2021 (Ausgabe 96), S. 66-71

Vollständiger Beitrag als:

 


Im folgenden Beitrag werden die Masterarbeiten Sexismus adé? – Stereotype Geschlechterrollenbilder in der feministischen Pornografie (Ruppert 2020) und Der Blick auf sexuelle Fantasien – eine Studie über die Rezeption feministischer Pornografie (Wenzel 2020), die im Rahmen des Studiengangs Medienwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF entstanden, vorgestellt. Außerdem wird ein Ausblick für die weitere Beschäftigung mit feministischer Pornografie gegeben.
Als Untersuchungsgegenstand dienten Filme der SVoD-Plattform XConfessions von Erika Lust, auf der Zuschauerinnen und Zuschauer Fantasien einreichen können, die von Lust und ihrem Team ausgewählt und filmisch umgesetzt werden. Im Rahmen einer Filmanalyse und einer Rezeptionsstudie rücken die Abschlussarbeiten die Darstellung von Stereotypen in der feministischen Pornografie in den Blick und stehen in Relation zueinander.


 

„It’s time for porn to change“, proklamierte die Filmemacherin Erika Lust im Rahmen eines TED Talks in Wien im Jahr 2014. Lust prangerte in ihrem Talk die Objektifizierung von Frauen in der Mainstreampornografie an, die in ihrer Darstellung männliche Fantasien erfüllten, sodass sie sich dazu entschied, ein Gegenkonzept zur Mainstreampornografie durch die Realisation und Distribution feministischer Pornografie zu entwickeln. Das heißt für sie ein fairer Umgang vor und hinter der Kamera, Pornografie mit einem weiblichen Blick, keine Verwendung von Stereotypen und gleichberechtigter Sex.

Trotz gegenwärtiger Entwicklungen, auch Frauen als Zielgruppe für pornografische Inhalte ernst zu nehmen, ist die Auffassung weitverbreitet, dass der Konsum von Pornografie reine Männersache ist. Doch woher rührt diese Annahme? Zu beobachten ist, dass Vorstellungen und stereotype Rollenbilder, Verhaltensweisen und Körperbilder, die Männern und Frauen zugeschrieben werden, in verschiedenen Bereichen des Lebens präsent sind und sich etabliert haben, u.a. auch im Filmbereich und vor allem in der Pornografie.
 

Trailer: The World of Lust - XConfessions & Lust Cinema by Erika Lust (2020)




Die Zunahme von Frauen in der Pornografiebranche und der Fokus auf Frauen als Zielgruppe von Pornografie sind fraglos zu begrüßen, doch inwiefern greift die feministische Pornografie eine neue Perspektive hinsichtlich der Darstellung von Sexualität, Diversität und Gleichberechtigung auf? Perpetuiert sie bestehende Stereotype, die ebenso in der Mainstreampornografie zu finden sind?
 

Theoretische Debatten und Diskurse zu feministischer Pornografie

Für die theoretische Basis wurden Texte aus der Medien- und Filmwissenschaft, Psychologie, Rechtswissenschaft und Soziologie herangezogen und in Verbindung gesetzt. Als basaler Text für die vorliegenden Arbeiten wurde Linda WilliamsHard Core (Williams 1995) herangezogen. Die Autorin identifizierte schon das frühe Kino als Ort der Begierde und gleichermaßen Objekt der Wissbegierde, in welchem Geschlechterrollen bereits unterschiedlich konstruiert wurden und überwiegend dem Lustgewinn des Mannes dienten. Williams stützt ihre Argumente auf die Theorien von Foucault, Freud und Lacan und liefert so einen minutiösen und zugleich progressiven Blick auf den pornografischen Film, der durchaus auch in der Lage ist, eine gleichberechtigte Perspektive zu etablieren. Für die Arbeiten waren die Theorien von Williams unerlässlich, um die kritischen Debatten zur Mainstreampornografie zu fassen und mit ihrer Hilfe einen Diskurs zu dem Fragenkomplex zeichnen zu können:

Was ist feministische Pornografie und wie grenzt diese sich ab?

Ergänzend dazu waren die Texte aus der Filmtheorie der 1970er- und 1980er-Jahre für beide hier vorzustellenden Arbeiten bedeutend, die sich u.a. der Blickstruktur widmeten, wie Laura Mulveys Arbeit zur Dominanz des „male gaze“ im Film, oder der Theorie der Zuschauerin und ihrer weiblichen Schaulust am Kino, wie sie durch Gertrud Koch formuliert wurde. Das Kino als Ort des Imaginären bietet für Mythen, Stereotype und Klischees einen Raum zur Entfaltung, die sich in Abbildern manifestieren und erst durch Interpretation und Deutung einen Ausdruck finden (vgl. Koch 1989, S. 131). Der Charakter der Bilder ist daher nie neutral und realisiert sich in zahlreichen Bedeutungen der jeweiligen Zuschauerin bzw. des Zuschauers (vgl. Klippel 2005, S. 249). Deutung und Interpretation des sich im Kino entfaltenden Imaginären sind nicht nur auf die Komödie oder das Drama anzuwenden, sondern ebenso auf den pornografischen Film (vgl. ebd., S. 248).
 


Williams und Koch stellen in ihren Arbeiten zum Film und insbesondere zum Pornografischen jedoch heraus, dass innerhalb theoretischer Auseinandersetzungen in diversen wissenschaftlichen Disziplinen und Diskursen Sexualität, Begehren, Lusterzeugung und Fantasien zunehmend als männlich dominiert charakterisiert und gedacht werden. Während für Mulvey der männliche Blick zentral mit dem Repräsentationssystem Kino verwoben ist und in der Auseinandersetzung von Blickstrukturen im Film eine essenzielle Rolle einnimmt, bietet laut Koch das Kino – und gleichermaßen Pornografie – Anknüpfungspunkte mit dem Geschehen auf der Leinwand für eine weibliche Zuschauerschaft (vgl. ebd., S. 248 f.). So hält es Koch für möglich, dass Betrachterinnen mehr als ihre eigene Objektifizierung in der Pornografie sehen können (vgl. Williams 1995, S. 14; Klippel 2005, S. 249). Visuelle Lüste, ihre Empfindung und Interpretation, aber auch Wissenssysteme, die bei der Analyse der Bilder und der Rezeptionserfahrung herangezogen werden, sind in Relation zu ihren historischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen zu betrachten.
 

Stereotype Geschlechterrollenbilder

Basierend auf diesen theoretischen Grundlagen, bildete die Auseinandersetzung mit Stereotypen eine essenzielle Fragestellung, die als Handwerkszeug für die folgende Analyse und Rezeptionsstudie diente. Grundlage war dabei das Werk von Archer und Lloyd Sex and Gender (2002), dessen zentrale Aussage darin besteht, dass urstereotype Zuschreibungen von Männern und Frauen – wie die passive, untergeordnete, emotionale Frau, die im Besitz des Mannes ist, und der übergeordnete, aktive und handelnde Mann – immer noch bestimmend sind. Daraus folgend wurden aus unterschiedlichen Texten stereotype Sichtweisen, die in der Mainstreampornografie vorherrschen, zusammengetragen.

Neben der Hure sind demnach weitere pornografische Rollentypen für die Frau die Jungfrau, die Mutter oder die Nymphomanin (vgl. Bremme 1990, S. 14). Frauen werden mit einem übersteigerten sexuellen, promiskuitiven Verlangen gezeigt, die Geschlechtsverkehr, auch wenn er sadistisch ist, genießen (vgl. Faust o. J., S. 9). Die Lust der Frau wird vor allem auf der Tonebene durch extremes Stöhnen dargestellt. Der männliche pornografische Prototyp ist dagegen der Jäger und Eroberer. Er verfügt über einen aggressiven, omnipotenten Sexualtrieb, der sich anhand eines stets erigierten Gliedes zeigt. Verobjektivierungen werden vor allem durch die Kameraarbeit ohne verbindende Montage vorgenommen, Genitalien werden in Großaufnahmen ins Bild gesetzt, der Körper wird dabei auf seine rein sexuelle Funktion reduziert (vgl. Flaßpöhler 2007, S. 203). In der Mainstreampornografie vorherrschend ist vor allem der sogenannte Money Shot, bei dem der Mann zum finalen Abschluss des Films präsent auf den Bauch oder das Gesicht der Frau ejakuliert. Auch rassistische Stereotype wie der schwarze, exotische Mann mit einem großen Penis oder das Bild der asiatisch-exotischen, zierlichen Frau sind vorherrschend genauso wie stereotype Körperbilder, die zu einer Objektifizierung beitragen.
 


Die feministische Pornografie möchte sich von der Mainstreampornografie abgrenzen und hat folgende Kriterien zusammengestellt, anhand derer die zu analysierenden Filme betrachtet wurden: das Vermeiden von Stereotypen, eine diverse Darstellung von Sex, in der Orgasmen und Ejakulationen nicht das primäre Ziel sind, sowie Kameraeinstellungen, die nicht nur ausgeleuchtete Großaufnahmen der Genitalien zeigen, sondern mehr Variation in den Ausschnitten der Szenen bieten (vgl. Méritt 2012).
 

Die Plattform XConfessions

Diese Erkenntnisse wurden im Rahmen der Analyse auf fünf ausgewählte Filme der Plattform XConfessions angewandt, die sich auf unterschiedliche Weise mit stereotypen Rollenbildern beschäftigen.

Ein Ergebnis der Analyse zeigt, dass die Filme stereotype Rollenbilder zwar versuchen zu hinterfragen, aber gleichwohl wiedergeben und diese z.T. lediglich umdrehen. Bilder, die in den ausgewählten Kurzfilmen von Frauen gezeichnet werden, sind die einer Nymphomanin, einer Fruchtbarkeitsgöttin, einer sexuell offensiven Patientin, einer Lolita, die auf den erlösenden Vampir wartet, und einer zarten Fee, deren Lust durch die Jagd von kreativen Geschöpfen geweckt wird. Diese Darstellungen sind stark stereotypisiert und erzeugen das Bild einer entweder zarten, passiven Frau oder einer sehr dominanten Frau. In vier der fünf ausgewählten Filme sind die Darstellerinnen schlank, jung, hübsch, rasiert und geschminkt. Die Männer werden als Exot im paradiesischen Garten, als obsessiver Psychiater, als Vampir, armer Bettler, erfolgloser Musiker und als triebhafte Kreaturen dargestellt. Auffällig dabei sind die Maskierungen, die die Männer häufig tragen und mit denen eine Objektivierung einhergeht. Auch die körperliche Darstellung der Männer ist als wenig divers zu betrachten. Sie sind in allen Filmen muskulös und trainiert, jung und mit einem stets erigierten Penis ausgestattet, der teils in Nah- und Großaufnahmen zur Geltung gebracht wird. Ein Spektrum diverser Körperbilder wird durch diese stereotypen Charakterisierungen nicht aufgezeichnet.

Jedoch lässt sich anmerken, dass sich die Kameraeinstellungen teils von der Mainstreampornografie unterscheiden. Die nahen Einstellungen des weiblichen Genitals stehen weniger im Vordergrund. Durch die Montage wird beispielsweise versucht, sinnliche Assoziationen wie die sanfte und exotische Pflanzenwelt und das Gefühl des Knetens von Teig darzustellen. Für die Lusterzeugung der Frau wird der Penis teilweise nicht als zentral, sondern als Beiwerk gezeigt. Der „male gaze“, wie er von Mulvey formuliert wurde, findet sich in der Mehrzahl der ausgewählten Filmbeispiele nicht wieder.
 


Verhaltensweisen wie das Verführen oder Unterwürfigkeit wurden als Stereotype artikuliert.



Einige der Filme repräsentieren jedoch die stereotypen Darstellungen der Mainstreampornografie, die aus der Sicht eines Mannes in totalen Aufnahmen oder zerstückelt in expliziten Nahaufnahmen die Körperteile der Frau zeigt. Der viel kritisierte Money Shot ist in drei von den fünf ausgewählten Filmen immer noch präsent. Lediglich in einem der fünf Filme wird die Lust der Frau auf eine außergewöhnliche Weise durch einen bebenden, nicht realistischen Zustand dargestellt, der jedoch ihr innerliches Gefühl nach außen tragen soll. Sie erlebt den Orgasmus dabei ganz allein für sich. Dem Ziel, den Orgasmus nicht in den Vordergrund zu stellen, wird in den Filmen der Plattform XConfessions nicht nachgegangen.

Zusammenfassend orientieren sich die ausgewählten Filme der Plattform XConfessions mehr an der Mainstreampornografie, als sie vorgeben, bergen jedoch den Versuch in sich, Sex diverser und freier darzustellen und Rollenbilder zu hinterfragen.

Gegenwärtig gibt es wenige Rezeptionsstudien und Analysen zum feministischen Pornofilm, die in Kombination auftreten, und vor allem keine, die sich explizit mit Stereotypen befassen. Deshalb erschien es wichtig, die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Arbeit mit einer Rezeptionsstudie zu ergänzen.
 

Der Blick auf sexuelle Fantasien – eine Studie über die Rezeption feministischer Pornografie

Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zwischen wahrgenommenen geschlechtsspezifischen Stereotypen während der Rezeption von Pornografie zu untersuchen und der Frage näher zu kommen, wie Stereotype in der feministischen Pornografie dargestellt und empfunden werden. Die Studie richtet zunächst den Blick auf die Untersuchung heteronormativer Geschlechterrollenbilder, um im Kern zu begreifen, ob und inwiefern Rezipientinnen und Rezipienten diese wahrnehmen und kritisch reflektieren. Anhand der Ergebnisse beider Arbeiten können im nächsten Schritt heteronormative Darstellungen, Konzepte und Ansätze reflektiert und dekonstruiert werden, um entsprechende Theorien, Denk- und ästhetische Systeme weiterzuentwickeln und darauf aufbauende Forschungsarbeiten anzustoßen.

An der Rezeptionsstudie nahmen insgesamt 21 Personen im Alter von 24 bis 33 Jahren teil, die mithilfe eines teilstandardisierten Fragebogens individuell und anonym ihre Wahrnehmungen auf die Darstellung geschlechtsspezifischer Stereotype schildern konnten. Zusätzlich wurden den Studienteilnehmenden sechs Beispielfilme der Plattform XConfessions zur Verfügung gestellt, um einen entsprechenden Einblick in die feministische Pornografie zu bieten. Das qualitative Forschungsdesign und die daraus resultierenden Studienergebnisse sind als nicht repräsentativ zu betrachten.

Hinsichtlich der allgemeinen Bewertung feministisch-pornografischer Inhalte ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Befragten, die gleichermaßen aufmerksam und sensibel für stereotype Darstellungen des eigenen sowie gegensätzlichen Geschlechts waren. Mehrheitlich wurde von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern ein Bezug zur Mainstreampornografie hergestellt. Innerhalb der Analyse der Ergebnisse wurde deutlich, dass eine Identifizierung von stereotypen Geschlechterrollenbildern nicht zwangsläufig eine negative Konnotation oder Wertung zur Folge haben muss und z.T. ebenso eine erregende Wirkung während der Rezeption hervorrufen kann. Sofern diese eine gewisse Grenze nicht überschritten, galten sie unter einer Mehrheit der Befragten als akzeptabel. Ein Blick auf die Gesamtheit der Studienergebnisse verrät jedoch, dass nur ein relativ kleiner Anteil der Teilnehmenden stereotype Darstellungen des körperlichen Erscheinungsbildes oder in Bezug auf Verhaltensweisen bemerkte.

Mit 15 Teilnehmenden identifizierte eine Mehrheit eine Gleichstellung von männlicher und weiblicher Lust. Eine fehlende Diversität bezüglich der Darstellung verschiedener Körperformen, alternativer Schönheitsideale sowie eine fehlende Repräsentation diverser Identitäten wurden von sieben Befragten bemerkt.

Mehrheitlich wurde die Repräsentation weiblicher Charaktere innerhalb der feministischen Pornografie als emanzipiert, selbstbestimmt sowie dominant empfunden, was durchweg als positiv angesehen wurde und sich somit deutlich von den Darstellungen in der Mainstreampornografie unterscheidet. Ein kleiner Teil der Befragten bemerkte in Bezug auf die Darstellung der weiblichen Charaktere stereotype Muster, die in Form von schlanken, normkonformen Körpern und der Repräsentation standardisierter westlicher Schönheitsideale ausgemacht wurden. Gleichermaßen wurden auch Verhaltensweisen wie das Verführen oder Unterwürfigkeit als Stereotype artikuliert.

Ein gegensätzliches Bild zeigte sich hinsichtlich der Wahrnehmung der männlichen Performer. So identifizierten zehn von 21 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern auch innerhalb der feministischen Pornografie klassische Männlichkeitsbilder, die an die Mainstreampornografie erinnern. Angemerkt wurden in diesem Zusammenhang beispielsweise maskuline und durchtrainierte Körper sowie dominante und als aggressiv wahrgenommene Verhaltensweisen. Die männliche Präsenz wurde darüber hinaus als „entpersonalisiert“ beschrieben, da sie als eine sich im Hintergrund befindende Nebenfigur wahrgenommen wurde.
 


Woher wissen wir, was uns erregt? Was heißt es, frei in seiner Sexualität zu sein und diese auszuleben?



Abschließend bleibt zu bemerken, dass in den verschiedenen Antworten ein vielfältiges, ausgeprägtes und kritisches Bewusstsein gegenüber dem feministisch-pornografischen Filmtext wiederzufinden war. So wurden Darstellungen perpetuierter Stereotype erkannt und während der Rezeption eine aktiv handelnde Gegenposition eingenommen. So lässt sich anhand der Ergebnisse die These formulieren, dass die feministische Pornografie durchaus imstande ist, die eigens angestrebte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zu repräsentieren und als solche auch von Rezipientinnen und Rezipienten wahrgenommen wird.
 

Sexuelle Ermächtigung durch sexpositive Perspektiven

Als Schlussfolgerung beider Arbeiten kann das Vorhandensein geschlechtsspezifischer Stereotype in der feministischen Pornografie nicht als ein Widerspruch betrachtet werden, sondern als eine Möglichkeit, auf diese aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein zu schaffen, sich Schritt für Schritt von diesen freizumachen. Um die Aussagefähigkeit von feministisch-pornografischen Inhalten in ihrer Vielfältigkeit abzubilden und zu erweitern, sind zusätzliche Untersuchungen notwendig.

Als weitere Forschungsarbeiten könnten eine ergänzende Studie zur Beleuchtung von Stereotypen innerhalb der queer-feministischen Pornografie sowie eine Untersuchung von rassistischen Stereotypen innerhalb der feministischen Pornografie durchgeführt werden. Alternative Narrative und Bilder, die sich abseits bekannter Muster bewegen und zu einem Überdenken der Konzepte von Männlichkeit und Weiblichkeit führen, intersektionale Verbindungen schaffen und diverse Körperbilder abseits der Norm präsentieren, etablieren sich allmählich. Doch dies bedeutet nicht, dass sich mit diesem beginnenden Wandel bereits ein grundlegender gesellschaftlicher Umbruch vollzogen hat. Denn woher wissen wir, was uns erregt? Was heißt es, frei in seiner Sexualität zu sein und diese auszuleben? Und gibt es das überhaupt, da uns die gesellschaftliche sowie mediale Umwelt diesbezüglich determiniert?

So muss die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Frage gelenkt werden, was Pornografie mit dem Menschen macht, sondern ebenso darauf, was Menschen mit Pornografie machen. Diskurse über Pornografie und im Speziellen feministische Pornografie sollten um Auseinandersetzungen der sexuellen Ermächtigung erweitert werden und in Konzepte von altersübergreifender Aufklärungsarbeit integriert werden.
 

Literatur:

Archer, J./Lloyd, B.: Sex and Gender. Cambridge 2002

Bremme, B.: Sexualität im Zerrspiegel. Die Debatte um Pornografie. Münster 1990

Faust, V.: Psychiatrie heute. Seelische Störungen erkennen, verstehen, verhindern, behandeln. Pornografie in den Medien. In: Psychosoziale Gesundheit.net. Ravensburg o.J. Abrufbar unter: http://www.psychosoziale-gesundheit.net (letzter Zugriff: 04.02.2020)

Flaßpöhler, S.: Der Wille zur Lust. Pornographie und das moderne Subjekt. Frankfurt am Main 2007

Klippel, H.: Gertrud Koch: „Was ich erbeute, sind Bilder“. In: M. Löw/B. Mathes (Hrsg.): Schlüsselwerke der Geschlechterforschung. Wiesbaden 2005, S. 240 – 253

Koch, G.: Was ich erbeute, sind Bilder. Zum Diskurs der Geschlechter im Film. Frankfurt am Main 1989

Méritt, L.: PorYes! Feministische Pornos und die sex-positive Bewegung. In: M. Schuegraf/A. Tillmann (Hrsg.): Pornografisierung von Gesellschaft. Perspektiven aus Theorie, Empirie und Praxis. Köln 2012, S. 371 – 380

Mulvey, L.: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Screen, 3/1975/16, S. 6 – 18

Williams, L.: Hard Core: Macht, Lust und die Traditionen des pornografischen Films. Basel 1995
 

Celia Ruppert ist Alumna des Masterstudiengangs Medienwissenschaft der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.

Carolin Wenzel ist Alumna des Masterstudiengangs Medienwissenschaft der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.