Rausch und Film

Die performative Wahrnehmung filmischer Rauschszenen

Henrik Wehmeier

Hamburg 2022: Avinus
Rezensent/-in: Uwe Breitenborn

Buchbesprechung

Online seit 31.01.2024: https://mediendiskurs.online/beitrag/rausch-und-film-beitrag-1123/

 

 

Rausch und Film

Rausch ist ein interessantes Thema der Filmagenda.

Der Drogenrausch ist ein permanenter Begleiter der Menschheitsgeschichte, er war und ist in quasi jeder menschlichen Gesellschaft präsent.“ (S. 27)

Der Autor rekapituliert zunächst verschiedene Rauschrealitäten und geistesgeschichtliche Diskursebenen, wobei er den Bogen bis zur Antike spannt, um sich dann filmästhetischer Analysen von Rauschszenen zu widmen (Kap. 4). Bisherige filmhistorische Darstellungen hätten v. a. inhaltliche, produktionstechnische oder gesellschaftliche Kontextualisierungen fokussiert, so Wehmeier. Er sieht hier ein Desiderat und setzt diesem nun sein Konzept der performativen Wahrnehmung entgegen, d. h., im Zentrum steht eine selbstreferenzielle Ereignishaftigkeit der entsprechenden Rauschdarstellungen.

Wehmeier betrachtet Rauschszenen im Film als experimentelle Inseln, die zumeist in konventionell gestalteten Spielfilmen herausstechen. Sie besitzen also einen gewissen Eigenwert und wirken „antirepräsentationell“.

Um seinen Untersuchungskorpus im Zaum zu halten, beschränkt sich der Autor nur auf Drogenrauschszenen (inkl. Alkohol). Das ist sinnvoll, da es ja bekanntermaßen vielerlei Räusche gibt (Sinne, Tiefe, Höhe, Liebe, Blut, Geschwindigkeit uvm.). Der Filmkorpus ist recht klassisch. Er reicht u. a. von Georges Méliès fünfminütigem Le rêve d’un fumeur d’opium (F 1908), F. W. Murnaus Der letzte Mann (D 1924), Billy Wilders The Lost Weekend (USA 1945) über Dennis Hoppers Easy Rider (USA 1969), Uli Edels Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (D 1981) bis hin zu Danny Boyles Trainspotting (GB 1996), Darren Aronofskys Black Swan (USA 2010), Steven Soderbergs Magic Mike (USA 2012) oder Andreas Dresens Als wir träumten (D 2015).

Als Dissertation des Autors ist es ein an Kontexten und Details überbordendes Buch mit einem umfangreichen wissenschaftlichen Apparat, zuweilen etwas redundant. Es liefert einen guten filmhistoriografischen Überblick und diskutiert sehr ausgiebig theoretische Modelle und Begriffe (z. B. Performativität). Wer sich für thematisch fokussierte Filmanalysen interessiert, wird hier bestens bedient.

Dr. Uwe Breitenborn