Schauspielerstreik in Hollywood endet nach 118 Tagen
Die Gewerkschaft Screen Actors Guild‐American Federation of Television and Radio Artists (SAG-AFTRA) gab die vorläufige Einigung nach zweiwöchigen Verhandlungen bekannt. Die Meldung kam kurz vor Ablauf einer von der Produzentenvereinigung Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) gesetzten Frist. Einer ersten Stellungnahme zufolge würden die Vereinbarungen einen Wert von mehr als 1 Mrd. Dollar umfassen, einen Beteiligungsbonus bei erfolgreicher Auswertung in Streamingdiensten und eine Regelung zum Umgang mit KI. Auch von höheren Obergrenzen für die Kranken- und Rentenversicherung sei die Rede. (Vgl. Ebd.) Details sind bislang nicht bekannt.
Größte Erhöhung der Mindestlöhne in der Geschichte
Die Produzentenvereinigung AMPTP teilte mit, dass die vorläufige Vereinbarung „ein neues Paradigma“ bedeute (zitiert nach Krei 2023). „Es verschafft der SAG-AFTRA die größten vertraglichen Zuwächse in der Geschichte der Gewerkschaft, einschließlich der größten Erhöhung der Mindestlöhne in den letzten 40 Jahren, einer brandneuen Restgröße für Streaming-Programme, weitreichenden Schutz für Zustimmung und Entschädigung bei der Nutzung künstlicher Intelligenz und beträchtlichen vertraglichen Erhöhungen bei allen Punkten. Die AMPTP ist erfreut, eine vorläufige Einigung erzielt zu haben, und freut sich darauf, dass die Branche ihre Arbeit wieder aufnehmen kann, um große Geschichten zu erzählen.“ (Zitiert nach Krei 2023) Erschwert wurden die Verhandlungen dadurch, dass die Unterhaltungsbranche finanziell schwächelt. Ein Negativtrend, der durch dadurch verstärkt worden sein dürfte, dass wegen des Streiks praktisch keine Neuproduktionen zustande kamen.
Regelungen für KI und Erfolgsbeteiligung
Die Verhandlungen erwiesen sich als zäh. Der Schauspielergewerkschaft dürfte klar gewesen sein, dass eine Regelung für den Umgang mit KI eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft darstellt. Den Studios war naturgemäß sehr an einer Lösung gelegen, sie banden die Bosse von Netflix, Disney, NBCUniversal und Warner Bros. Discovery direkt in die Gespräche ein. Netflix-CEO Ted Sarandos machte das vermeintliche Entgegenkommen der Produzenten mit dem Satz deutlich: „Wir sind nicht nur auf euch zugegangen, wir sind den ganzen Weg zu euch gekommen“ (zitiert nach Krei 2023).
Der Streik hatte den Programmnachschub für den gesamten Film- und Fernsehbereich sowie die Streamingdienste lahmgelegt. Es war der erste Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler seit 60 Jahren. „Er führte dazu, dass die meisten US-Produktionen, in denen es eine gewerkschaftliche Vertretung gab, vorerst eingestellt wurden, darunter Deadpool 3 und Venom 3. […] Ein Stratege des Milken Institute schätzte, dass die Streiks allein die kalifornische Wirtschaft mindestens 6 Mrd. US-Dollar gekostet haben.“ (Kilkenny 2023)
Streik war auch in Deutschland zu spüren
Zwar ist es nicht die deutsche Filmindustrie, mit der die US-Gewerkschaften verhandelt haben, dennoch ist der Streik nicht ohne Auswirkungen auf sie geblieben. Davon zumindest ist Björn Böhning überzeugt, Geschäftsführer der Allianz deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e. V. Im Interview mit dem rbb24 Inforadio konstatiert er, es habe indirekte Effekte gegeben, weil in Deutschland keine Produktionen unter Beteiligung von US-Studios hätten stattfinden können (vgl. rbb24 Inforadio 2023). „Und das ist natürlich dann für die Filmindustrie, die auf diese Aufträge gewartet hat, keine gute Nachricht gewesen“, so Böhning weiter (ebd.). Die Kernpunkte der Auseinandersetzung seien auch in Deutschland nicht unbekannt: „Wir haben ähnliche Themen, das ist gar keine Frage. Es geht natürlich allgemein um die Frage der Lohnzuwächse in Zeiten der Inflation. Es geht um Fragen der Altersversorgung, aber es geht zum Beispiel auch um die Frage, wie wir künftig mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Film- und Fernsehwirtschaft umgehen.“ (Ebd.)
Ersatz durch KI
Die Angst vor Konkurrenz durch KI ist sowohl für Drehbuchautoren als auch für Schauspieler durchaus berechtigt: Entsprechende Programme können schon jetzt fertige Drehbücher erstellen, die zwar nicht den Qualitätsstandards entsprechen, die ein Drehbuchautor aufs Papier bringt, dafür aber erheblich preiswerter sind. Wenn dem Produzenten die Qualität genügt, braucht er praktisch keinen Menschen mehr als Autor. Natürlich nutzen auch Autoren Künstliche Intelligenz, um ihre Inhalte zu optimieren, aber eben als Ergänzung und nicht als eigentliche Quelle. Zunehmend betrifft KI aber auch die Schauspieler, da Gesichter und Körper digital immer originalgetreuer nachgebaut werden können. So kann ein bestimmter Schauspieler etwa für eine Rolle gecastet werden, seine Mimik und Gestik bereitstellen und nach wenigen Drehtagen durch ein digitales Modell ersetzt werden. Auch in Deutschland gibt es so etwas bereits. Der rbb24 hat Pierre Sanoussi-Bliss in das Studio Babelsberg in Potsdam begleitet, in dem eine digitale Version von ihm geschaffen wird: „Hier, in einem der technisch führenden volumetrischen Videostudios der Welt, scannen Visual-Effect-Profis den Schauspieler heute ein – und machen ihn zum dreidimensionalen Avatar. ‚Ich finde das großartig, denn ich arbeite ja hier an meiner Unsterblichkeit, wenn man es genau nimmt‘, sagt der Schauspieler und lacht, ‚ich halte das Ganze für eine Entwicklung, der wir uns früher oder später stellen müssen.‘“ (Ackermann 2023)
Allerdings sind die Regelungen zum Einsatz von KI in Potsdam andere als in den USA. „Wir haben Persönlichkeitsrechte, wir haben das Recht am eigenen Bild“, führt Böhning aus (rbb24 Inforadio 2023). „Man kann jetzt nicht einfach jeden Schauspieler durch eine Künstliche Intelligenz ersetzen, aber es mag durchaus Einsatzfelder geben. Es kann ja sein, dass ein Schauspieler erkrankt […], dass er einverstanden ist mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz. Oder wie wir es beim aktuellen Pumuckel-Film sehen, dass dann die Sprache eines verstorbenen Hauptdarstellers verwandt wird – aber natürlich immer nur unter Einverständnis, in diesem Falle der Erben.“ (Ebd.)
Besserung vor allem für Geringverdiener
Die Einigung in den USA kommt laut Duncan Crabtree-Ireland, einem Verhandlungsführer der Schauspielergewerkschaft, vor allem den Schauspielern am Existenzminimum zugute (vgl. Dampz 2023). „‚Die meisten denken immer an die großen Stars. Aber die meisten unserer 160.000 Mitglieder kämpfen ums Überleben, die verdienen keine 26.000 Dollar im Jahr, um sich eine Krankenversicherung zu leisten.‘“ (Ebd.)
Nun wurde offenbar eine erfolgsabhängige Gewinnbeteiligung erreicht. Im Oktober hatte diese Forderung noch zum Abbruch der Verhandlungen geführt, weil die Produzenten dies aufgrund drohender hoher Kosten abgelehnt hatten.
Quellen:
Ackermann, R.: Streiks in Hollywood. Ersetzen KI-Avatare aus Babelsberg künftig Schauspieler? In: rbb24, 17.09.2023. Abrufbar unter: www.rbb.de (12.11.2023)
Dampz, N.: Streik in Hollywood. Schauspieler und Studios einigen sich. In: tagesschau.de, 09.11.2023. Abrufbar unter: www.tagesschau.de (12.11.2023)
Kilkenny, K.: STRIKE OVER: Actors Make a Deal With Studios After 118 Days. In: The Hollywood Reporter, 08.11.2023. Abrufbar unter: www.hollywoodreporter.com (12.11.2023), Übersetzung im Text durch von Gottberg.
Krei, A.: Studios einigen sich mit Gewerkschaft. Hollywood atmet auf: Schauspieler-Streik geht zu Ende. In: DWDL.de, 09.11.2023. Abrufbar unter: www.dwdl.de (12.11.2023)
rbb24 Inforadio: Kultur. Schauspieler-Streik in Hollywood beendet. In: rbb24 Inforadio, 10.11.2023. Abrufbar unter: www.inforadio.de (12.11.2023)