Sexroboter

Ethische, moralische und rechtliche Implikationen

Joachim von Gottberg im Gespräch mit Iris Phan

Seit einigen Jahren gibt es Sexroboter, die über das WLAN mit einer KI-gestützten Software verbunden sind und darüber persönliche Daten der Nutz*erinnen an den Hersteller liefern. Sie werden verarbeitet, an den Roboter zurückgesandt und helfen ihm, sich optimal an die Nutzerbedürfnisse anzupassen. So entsteht das Gefühl, man habe es mit einem Menschen zu tun, der einen komplett versteht und auf alle Wünsche und Ideen eingeht. Die Juristin und Philosophin Iris Phan lehrt an der Leibniz Universität Hannover und hat sich mit den ethischen, moralischen und rechtlichen Fragen beschäftigt, die solche Sexroboter aufwerfen können.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 3/2024 (Ausgabe 109), S. 6-13

Vollständiger Beitrag als:

Wie sehen die Sexroboter aus? Gibt es auch Männer als Sexroboter oder sind es immer Frauen?

Sie stellen meist sehr junge Frauen dar. Die „Haut“ besteht aus einem dem Silikon ähnlichen Material. Die Kunden können sich ein Gesicht, den Körperbau und die Hautfarbe aussuchen. Auch Nippelgröße und -farbe oder Brustgröße sind wählbar – und eben auch die Charaktereigenschaften. Die Hersteller haben aber in den letzten fünf bis zehn Jahren festgestellt, dass gar nicht so sehr das optimale Aussehen verlangt wird. Roboter mit Narben, Sommersprossen oder Muttermal sind viel beliebter. Sexroboter sind ungefähr 1,50 Meter groß, ihre Bewegungen sind sehr mechanisch und sie wiegen etwa 45 Kilogramm. Oft werden sie echten Menschen nachempfunden: Pornodarsteller oder -darstellerinnen verkaufen die Rechte an ihrem Gesicht. Sein Gesicht gegen Bezahlung als Vorlage zu erlauben, ist rechtlich in Ordnung.
 


Die Hersteller haben aber in den letzten fünf bis zehn Jahren festgestellt, dass gar nicht so sehr das optimale Aussehen verlangt wird. Roboter mit Narben, Sommersprossen oder Muttermal sind viel beliebter.“



Es gibt auch männlich aussehende Sexroboter, die mit einem Penis ausgestattet sind. Bei fünf verkauften Puppen sieht eine männlich aus, so jedenfalls die Hersteller. Allerdings sind Männer auch bei den „Männern“ die größere Käuferschaft. Es gibt aber durchaus auch Nutzerinnen, doch die äußern sich seltener bei Befragungen. Nach der Studie Homo Digitalis, die 2018 vom BR, ARTE, ORF und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) durchgeführt wurde, würde in Deutschland jeder Fünfte gerne einmal mit einem Sexroboter schlafen, immerhin 6 % könnten sich vorstellen, sich in einen Roboter zu verlieben. Allerdings sind sie noch sehr teuer, der Preis liegt so um die 10.000 Euro.

Weiß man, wie verbreitet Sexroboter in Deutschland sind?

Die Verbreitung der Roboter ist schwer zu schätzen, weil die meisten Menschen nicht offen darüber sprechen. Die Anbieter sagen, dass die Verkaufszahlen während der Pandemie sehr viel höher lagen. Wir können die Zahlen aber nicht überprüfen; und was der Roboter können muss, um nicht mehr als Puppe zu gelten, ist Definitionssache. Die Puppe, die ich im Mai 2024 auf der re:publica dabei hatte, besaß ein geringes Sprachvermögen und konnte nur „Hallo Iris! Hallo, hallo Berlin“ sagen. Etwas komplexer ging es schon nicht mehr. Vor allem verstand sie die Fragen nicht richtig – wobei das hauptsächlich daran lag, dass ich zu komplizierte Fragen gestellt habe. Für den Anfang sollten es nur einfache Dreiwortsätze sein.
 

 Bild: © Philipp Fussenegger


 

Kann man mit diesen Sexrobotern tatsächlich Geschlechtsverkehr haben?

Ja, dafür sind sie ausgelegt, wenn man diesen rein mechanischen Akt betrachtet. Ein Sexroboter hat verschiedene benutzbare Körperöffnungen. Und es gibt einen Geschlechtsconverter, damit kann man die Roboter verändern und wählen, ob eine Vagina oder ein Penis gewünscht ist. Es gibt auch Modelle, die ihren Mund etwas bewegen können, sie eignen sich für Oralverkehr. Die Anbieter sagen, die Roboter seien zu 100 % hygienisch, man kann sich keine sexuell übertragbaren Krankheiten holen, anders als bei Sexarbeiterinnen im Sexgewerbe. Man kann je nach Modell die Vagina herausnehmen, um sie zu reinigen und zu desinfizieren. In Berlin habe ich eine Dusche gesehen, in der diese Roboter eine Art Waschstraße durchlaufen. Das ist ein wenig gruselig, weil sie an einem Haken hängen und daran durch die Waschstraße geführt werden. Die Roboter sind sehr schwer, deshalb kann man sie nicht durch die Waschstraße begleiten. Sie können sich kaum autark bewegen und nicht laufen. Wir haben immer den Eindruck, Roboter müssten ganz toll aussehen, so wie Menschen. Und dann kommt so eine creepy Puppe.

Für manche Menschen, die z. B. aufgrund von Behinderungen real keinen Sex haben, gibt es sogenannte Sexassistentinnen, die zu einem sexuellen Erlebnis verhelfen. Könnten Sexroboter das ersetzen?

Für die meisten Sexualassistenten ist es wichtig, nicht als Prostituierte oder Sexarbeiterinnen gesehen zu werden. Es gab eine Anfrage an die ehemalige, von CDU und SPD geführte Bundesregierung, ob dann wenigstens Sexroboter von den Krankenkassen bezahlt werden könnten, wenn schon nicht die menschliche Assistenz vergütet werden kann. Aber die Politik sieht nicht ein, warum der individuelle Sexualwunsch aus dem Gemeinschaftstopf der Krankenkassen bezahlt werden soll.
 


Ein Sexroboter hat verschiedene benutzbare Körperöffnungen. Und es gibt einen Geschlechtsconverter, damit kann man die Roboter verändern und wählen, ob eine Vagina oder ein Penis gewünscht ist. Es gibt auch Modelle, die ihren Mund etwas bewegen können, sie eignen sich für Oralverkehr.“



Sind die Nutzer*innen solcher Roboter eher Singles oder leben sie in einer Beziehung?

Sowohl als auch. In Beziehungen haben die Partner oft eine sehr unterschiedliche Libido, die vielleicht auch nach Jahren nachlässt. Da wird der Roboter nicht als dritte Person und nicht als Betrug gesehen. Es gibt keine Eifersucht, was bei einer dritten Person der Fall wäre. Und es ist praktisch, wenn mein Partner oder meine Partnerin ihn nutzen kann.

Inwieweit spielt beim Umgang mit Robotern die Sexualethik eine Rolle?

Um Sexualethik geht es weniger, denn diese setzt immer Menschen voraus, die sich zueinander verhalten. Wenn ein Mensch mit einer Maschine sexuell interagiert, ist das eine erweiterte Art von Masturbation, es berührt aber nicht unbedingt eine Partnerschaft zwischen zwei Menschen. Allerdings ist der Sexroboter ein interessanter Aufhänger dafür, Probleme mit den in diesem Roboter verbauten KI-Elementen sichtbar zu machen, die dahinterstehenden ethischen Implikationen zu erkennen und Lösungen zu diskutieren: Welche Daten werden erhoben, welche Daten fließen in den Roboter ein und wie werden diese miteinander verbunden? Da stellt sich die Frage: Wie sehen diese Sexroboter aus? Und da ist mein Eindruck, sie sehen nicht wirklich zum Verlieben aus, eher ein wenig zum Gruseln. Interessant ist aber: Was für Bilder und welche Klischees werden uns da präsentiert? Wie sehen ihre Figuren aus? Die Roboter sind größtenteils weiß, sind übersexualisiert und sehr jung. Ähnliche Stereotype werden auch in der Pornoindustrie perpetuiert. Dieses Äußere wird nun noch um die Haptik erweitert. Das geht gar nicht so tief in die Sexualethik hinein. Deshalb habe ich diesen Forschungsbereich Roboterethik und nicht Sexualethik genannt.
 


Allerdings ist der Sexroboter ein interessanter Aufhänger dafür, Probleme mit den in diesem Roboter verbauten KI-Elementen sichtbar zu machen, die dahinterstehenden ethischen Implikationen zu erkennen und Lösungen zu diskutieren: Welche Daten werden erhoben, welche Daten fließen in den Roboter ein und wie werden diese miteinander verbunden?“



Kann man sagen, dass der Sexroboter irgendwann zu einer Weiterentwicklung der Pornoindustrie führt?

Ja, die Pornoindustrie setzt allein auf den visuellen Reiz – und der Sexroboter fügt den körperlichen Reiz hinzu. Es gibt inzwischen schon Bordelle, in denen statt Prostituierten Sexroboter angeboten werden. Die nennen sich Bordolls, was sich aus „Bordell“ und „Doll“ wie „Puppe“ zusammensetzt. Sie vermieten Zimmer, in denen der Kunde solche Dolls mieten kann. Aus hygienischer Sicht ist das kein Problem, der Roboter muss eben jedes Mal gereinigt werden. Bordolls sind in den südostasiatischen Staaten, z. B. Südkorea, weitverbreitet, weil dort die Antiprostitutionsgesetze sehr viel strenger sind als in Deutschland. Dort sind diese Bordolls sehr erfolgreich. In Deutschland gibt es sie mittlerweile auch schon, sie sind aber bisher unterschiedlich erfolgreich gewesen, je nach Ausstattung. Neuerdings wird der Roboter durch die optischen Reize einer VR-Brille verstärkt. Wenn man nur diese Brillen hat, die jetzt virtuellen Sex in 3-D präsentieren, fügt der Roboter noch diese haptische Dimension hinzu.

Pornografie ist in Deutschland nach § 184 Strafgesetzbuch (StGB) nur für Erwachsene erlaubt. Im Fernsehen ist sie verboten. Muss man damit rechnen, dass Sexroboter bald auch in das Pornografieverbot einbezogen werden?

Ich habe schon auf der re:publica gemerkt, dass ich mit meinem Vortrag auf eine bestimmte Bühne verwiesen wurde, weil das Festival natürlich allen zugänglich ist und einige Bühnen öffentlicher waren als andere. Und dann gab es noch eine Content-Warnung vor meinem Vortrag. Dabei hat das Thema ja eher mit den Bereichen „Jura“ und „Ethik“ zu tun. Pornografie ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, er kann also unterschiedlich definiert werden, Juristen und Philosophen klammern sich gerne an eindeutige Definitionen. In der Öffentlichkeit wird ja manchmal schon Nacktheit als Pornografie eingestuft. Was die Roboter angeht: Sie werden noch eine Weile ein Nischenprodukt bleiben, nicht nur wegen des hohen Preises, sondern auch wegen der schlechten Handhabbarkeit. Das ist wirklich noch kein Mainstream-Produkt, das wie das iPhone für fast alle verfügbar ist. Wahrscheinlich werden die Örtlichkeiten, in denen solche Sexroboter verfügbar sind, für Kinder oder auch Jugendliche nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) nicht zugänglich sein.

Von der traditionellen christlichen Sexualethik ist nicht mehr viel übrig geblieben. Heute gilt die Verhandlungsmoral: Wenn beide Seiten mit einer bestimmten sexuellen Handlung einverstanden sind, mischt sich der Staat normalerweise nicht ein. Eine Maschine hat aber keinen Willen, deshalb braucht man mit ihr keinen Konsens herzustellen. Heißt das: Man kann alles mit ihr machen, denn sie ist ja ein Ding? Ließe sich auch sexuelle Gewalt oder Pädophilie an einem Roboter ausleben?

Rechtlich ist das momentan noch relativ einfach, weil der Roboter ein Ding ist. Und nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) können wir im Großen und Ganzen mit Dingen, die uns gehören, so verfahren, wie wir möchten. Man braucht keinen Konsens herzustellen. Man kann sie auch beschädigen und nach Lust und Laune behandeln. Aber darüber macht man sich durchaus schon Gedanken. Denn diese Roboter sind humanoid gestaltet, sie sind ein menschenähnliches Abbild, auch wenn sie aus Kunststoff in eine menschenähnliche Form gegossen werden. Über die Ähnlichkeit kann man streiten, da braucht man noch viel Fantasie. Über die rechtliche Einordnung wird seit 2015 im Rechtsausschuss des EU-Parlaments debattiert. Wie sollen wir uns verhalten, wenn diese Roboter Bewusstsein erlangen? Damit befinden wir uns in diesem großen Feld der Philosophie des Geistes und des Bewusstseins. Und das ist äußerst komplex. Ich bin da allerdings momentan noch sehr nüchtern und schlage vor, sich erst einmal die wahrscheinlich entstehenden Anwendungsfälle anzuschauen. Im Strafrecht hat sich der Grundsatz manifestiert: Nein heißt Nein. Nun handelt es sich aber um eine Puppe bzw. vielmehr einen Roboter, und da geht man über dieses Nein hinweg. Die Frage ist: Kann sich die Puppe bzw. der Roboter strafrechtlich relevant äußern? Wohl eher nicht.
 

Bild: © Philipp Fussenegger


 

Dazu werden zwei Sichtweisen vertreten: Menschen mit Neigungen zur Gewalt oder Pädophilie könnten den Roboter als Ventil nutzen, ihre Veranlagungen an Sachen auszuleben statt mit realen Menschen. Die Gegenthese wäre: Dadurch sinkt die Hemmschwelle, das auch mit realen Menschen umzusetzen, und erhöht die Gefahr des Missbrauchs.

Diese ethisch relevante Frage kann man nicht eindeutig beantworten, weil wir über die Antwort nur spekulieren können. Wir können Analogien aus der Gaming-Forschung heranziehen, da hat man recht intensiv darüber geforscht, weil Gaming, Gewaltspiele und die Ego-Shooter lange in der öffentlichen Kritik standen. Auch da wurde vermutet, das Ausleben von Gewaltfantasien im Spiel könne die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt in der Realität senken. Seit Ende der 1990er-Jahre wurden zu dieser Frage zahlreiche Studien durchgeführt, aber sie konnten diesen Zusammenhang nicht belegen. Die Täter bei Amokläufen waren zwar auch Gamer, aber das sagt wenig aus, denn Millionen anderer Jugendlicher haben das gleiche Game gespielt und sind nicht Amok gelaufen. Diese Ergebnisse ziehen wir heran, um zu sagen, dass ein bestimmtes Verhalten dem Roboter gegenüber wahrscheinlich nicht auf reale Menschen übertragen wird.

2020 hat der Bundestag in § 184l StGB den Besitz von Sexpuppen verboten, die wie Kinder aussehen. Ausgangspunkt dafür war eine Petition1, in der argumentiert wurde, durch den Gebrauch kinderähnlicher Sexpuppen werde die Hemmschwelle gegen Kindesmissbrauch sinken. Weil die Gefährdung als groß vermutet wird, verbieten wir die Puppen lieber.

Ich denke, dass man diesen Bereich ohne Vorurteile beforschen und diese Frage nicht von vornherein in die pädophile Ecke stellen sollte. Sex als Thema ist ohnehin stark tabuisiert, Sexroboter und besonders kindlich aussehende dieser Maschinen werden von vielen als pädophile Perversion eingeschätzt. In den USA sind nach dem Creeper Act von 2017/2018 der Import, der Transport, der Kauf, der Verkauf oder der Besitz solcher Kindersexpuppen strafbar. Und in Houston/Texas wurden 2018 die ersten Bordelle verboten, in denen man Sexroboter nicht nur kaufen, sondern auch vor Ort benutzen konnte. Irgendwann werden solche Forderungen nach Verboten wahrscheinlich auch in Europa diskutiert.

Es gibt bundesweit ein Therapieangebot für Pädophile. Und die Verantwortlichen des Projekts sagen eindeutig: Alles, was triggern könnte, also auch Puppen oder Sexroboter, die wie Kinder aussehen, werden nicht in die Therapie einbezogen. Wir hatten die vermutlich etwas naive Idee: Wenn ein kindlich aussehender Roboter als Ventil dienen und in eine enge Therapie für Pädophile miteinbezogen werden könnte, um ein anderes Verhalten zu erlernen, könnte man diese Minichance auch ergreifen und solche Roboter nicht unter Strafe stellen. Es gibt auch das Beispiel dieser Reborn-Puppen für Mütter, deren Kind gestorben ist. Wenn wir uns das Täterprofil bei sexuellem Missbrauch von Kindern anschauen, ist erschreckend, dass Pädophile gar nicht den größten Anteil der Täter ausmachen. Es geht vielen Tätern um Macht und Sadismus, obwohl sie nicht pädophil sind. Nur etwa 30 bis 40 % der Täter sind tatsächlich auch Pädophile, die ausschließlich durch Kinder sexuell gereizt werden.

Neigen Menschen dazu, auch Dingen wie solchen Robotern eine Seele zu geben? Japaner können das wohl eher als wir.

Das Tamagotchi kommt ja z. B. auch aus Japan. Es gibt viele Japaner, die dem Schintoismus angehören, der sagt: Jedem Ding wohnt eine Seele inne. Da werden Roboter aus Kautschuk auch begraben. Dieses Phänomen wird als Anthropomorphismus bezeichnet, also eine Vermenschlichung von Gegenständen. In meinem Forschungsbereich spielt aber eine große Rolle, dass die Roboter menschlich aussehen, weil das oft noch etwas anderes auslöst. Wir neigen zu Übertragungen. Ehen, die ungewollt kinderlos bleiben, übertragen die Liebe zu einem Kind symbolisch auf ihren Hund. Ob es im Bereich der Roboterethik eine ähnliche Entwicklung geben wird, indem wir dem Roboter wie einem Tier eigene Rechte zubilligen, wird man sehen. Immerhin hat sich das EU-Parlament schon 2015 Gedanken darüber gemacht, ob es sinnvoll wäre, für die Roboter einen eigenen Status zu schaffen. Wäre es möglich, ihn zu heiraten? Dass der Roboter den Status einer elektronischen Persönlichkeit haben könnte, hätte auch versicherungsrechtlich Relevanz – denken wir an das autonome Fahren. Wenn ein solches Fahrzeug einen Unfall verursacht und Schäden anrichtet, dann muss man klären, wer dafür verantwortlich gemacht wird: der Erbauer des Autos, der Entwickler oder der Besitzer? Irgendeiner muss zahlen. Und weil man das im Einzelnen schlecht zurückverfolgen kann, erhält der Roboter oder die KI einen besonderen Status: Wenn man ein solches Gerät betreibt oder in Verkehr bringt, muss man einen entsprechenden Obolus in einen Versicherungstopf zahlen, aus dem die Geschädigten finanziert werden. Ich halte es für sinnvoll, diese Fragen auch bei Sexrobotern früh in den Blick zu nehmen.
 


Bei Sexrobotern müsste man auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchführen, denn sie sind mit dem Internet verbunden. Auf diese Weise kann er die intimsten Wünsche des Nutzers weitergeben und lernt, so mit ihm zu reden, dass es optimal den Wünschen und Vorstellungen des Nutzenden entspricht.“



Bei Sexrobotern müsste man auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung durchführen, denn sie sind mit dem Internet verbunden. Auf diese Weise kann er die intimsten Wünsche des Nutzers weitergeben und lernt, so mit ihm zu reden, dass es optimal den Wünschen und Vorstellungen des Nutzenden entspricht. Deshalb werden sich die Nutzer nicht bei den Datenschutzbehörden darüber beschweren. Sexroboter stehen entsprechend auch nicht auf der Blacklist, aufgrund derer Datenschützer eine Folgenabschätzung durchführen.

Nehmen wir einmal an, das Material des Roboters würde gesundheitliche Schäden hervorrufen oder der Roboter würde den Nutzer schwer verletzen. Wer wäre in so einem Fall haftbar zu machen?

Wenn wir einen klaren Fall von Produkthaftung haben, dann müsste man sich nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) von 1990 an den Hersteller wenden, der aber weit weg in China sitzt.

Wer auf bekannte Schauspieler*innen steht: Kann man sich deren Gesicht für seinen Roboter wünschen?

Bei Privatpersonen würde das unser Datenschutzrecht und das Recht am eigenen Bild berühren. Bei prominenten Personen, also Personen des öffentlichen Lebens oder der Zeitgeschichte, ist das allerdings anders. Sie profitieren von der öffentlichen Wahrnehmung und dürfen daher auch ohne Genehmigung abgebildet werden. Aber das Aufbringen und der kommerzielle Vertrieb des Konterfeis von Prominenten auf einem Sexroboter sind noch einmal etwas ganz anderes. Bisher ist das aber nicht geregelt. Wenn man ein prominentes Gesicht auf einem Sexroboter öffentlich zugänglich machen würde, wenn man damit etwa werben würde, wäre das wahrscheinlich ein Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen. Aber es ist ja ein Unterschied, ob ich eine prominente Person als Bild an der Wand hängen habe oder ob jemand über den Roboter mit ihr symbolisch Geschlechtsverkehr praktiziert. Das ist eine andere Form von Intimität. Aber es könnte jemand mit handwerklichem Geschick das Gesicht nachbauen und auf dem Roboter anbringen, ohne dass die Öffentlichkeit Kenntnis davon nimmt. Da können wir rechtlich nicht mehr agieren.
 


Anmerkung:

1 Petition: Verbot von #Kindersexpuppen in Deutschland! Es geht um den Schutz unserer Kinder! In: change.org, 17.07.2020. Abrufbar unter: www.change.org (letzter Zugriff: 24.06.2024)

Die Juristin und Philosophin Iris Phan lehrt an der Leibniz Universität Hannover. Derzeit promoviert sie im Bereich Künstliche Intelligenz und ist Mitbegründerin der Datenschutztagung Privacy Ring.

Prof. Joachim von Gottberg war bis Dezember 2023 Chefredakteur der Fachzeitschrift „mediendiskurs“ und ist aktuell Chefredakteur der Zeitschrift „Jugend Medien Schutz-Report“.