Stunk um funk

Jugendkanal von ARD und ZDF in der Kritik

Es sollte eine offene, freche Alternative zum klassischen linearen Fernsehangebot der öffentlich-rechtlichen Sender werden. Ein geplanter Jugendkanal wurde aus Kostengründen nicht realisiert. Aber auch weil Jugendliche ohnehin kaum noch lineares Fernsehen nutzen, startete funk am 01. Oktober 2016 unter der Federführung des Südwestfunks als Onlineangebot von ARD und ZDF und richtet sich an Jugendliche zwischen 14 und 29 Jahre. Stefan Müller von der CSU fordert nun, das Angebot abzuschaffen.

Online seit 10.07.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/stunk-um-funk-beitrag-1122/

 

 

funk ist mit seinen Produktionen und Podcasts neben der eigenen Seite funk.net auch auf allen bei Jugendlichen populären Onlineportalen zu finden. Für das Angebot stehen jährlich 45 Millionen Euro bereit, wovon zwei Drittel von der ARD und ein Drittel vom ZDF beigesteuert werden. 70 verschiedene, regelmäßig publizierte Formate werden im Auftrag von funk oder von funk selbst für Social-Media-Plattformen produziert, dazu gehören YouTube, Facebook, Instagram, TikTok, Spotify und Snapchat. Die Formate werden allerdings jeweils auf maximal zwei Plattformen veröffentlicht, eine davon gilt als Primärplattform. Ziel ist es, die individuellen Bedürfnisse der Communitys dieser Plattformen zu berücksichtigen. Damit soll funk Informationen, Orientierung und Unterhaltung für ein junges Publikum bieten.
 

Jugendgemäße Inhalte

Um das zu ermöglichen, wollte man der verantwortlichen Redaktion möglichst viele Freiheiten lassen. Im Konzeptpapier der Rundfunkkommission heißt es: „Ziel des Jugendangebots von ARD und ZDF ist es, der jungen Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen ein identitäts- und demokratiestiftendes, meinungsbildendes Angebot zu machen, das wie seine Zielgruppe auch Grenzen austestet und dabei ehrlich und authentisch ist. Die Inhalte sind emotional und persönlich gestaltet und schaffen ein Gefühl der Zugehörigkeit. Sie sind zugeschnitten auf die Lebenswirklichkeit der Zielgruppe und werden so aufbereitet und verbreitet, wie es ihren Mediennutzungsgewohnheiten entspricht. Das Angebot fördert die Beteiligung der jungen Zielgruppe am gesellschaftlichen Diskurs und löst gesellschaftliche Debatten aus. Es ist dabei immer frei und unabhängig von kommerziellen Interessen. Glaubwürdige Protagonisten des Angebots werden zu neuen Vorbildern und Identifikationsfiguren.“ (Rundfunkkommission 2015)
 

Viel Lob inklusive Bundesverdienstkreuz

Inzwischen hat sich funk etabliert. Ob das Angebot von Jugendlichen allerdings den öffentlich-rechtlichen Sendern zugeordnet wird, ist unklar. Für die Plattform gibt es viel Lob: „Die Funk-Macher haben den Auftrag, überall dort Formate zu entwickeln, wo die Nutzer sind, betont Geschäftsführer Florian Hager. So entwickelte Funk eine inszenierte Snapchat-Serie um eine 19-jährige Münchnerin. ‚I Am Serafina‘ unterschied sich mitunter kaum von den ‚Scripted Reality‘-Formaten der Privatsender und war schließlich auch auf Youtube zu sehen. Im Netz müssen die jungen Macher allerdings auch lernen, mit teils massiver Kritik und Hetze umzugehen, etwa die ‚Jäger & Sammler‘, die sich mit rechtsextremen Tendenzen auseinandersetzen, den Civis-Online-Medienpreis bekamen, aber auf Youtube dreimal so viel Ablehnung wie Zustimmung erhalten.“ (Berliner Zeitung 2018)

Für die Aufklärungsbemühungen während der Coronapandemie gab es neben viel Lob auch das Bundesverdienstkreuz für ein funk-Format: „Süße Katzen, verrückte Amateuraufnahmen und Videospiele – früher war das Internet eher ein Ort für seichte Unterhaltung. Gehaltvolles musste dagegen mit der virtuellen Lupe gesucht werden. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der digitale Kosmos gewandelt. Das zeigen YouTube-Kanäle wie ‚Mailab‘ deutlich. Die promovierte Chemikerin Mai Thi  Nguyen-Kim eröffnet einen erfrischend anderen Blick auf die Wissenschaft. Für ihre unterhaltsame Aufklärungsarbeit zum Thema ‚Corona‘ wurde sie sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.“ (Wegener 2021)

Auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) lobt das Portal: „Zu sehen sind bei ‚STRG-F‘ aufwendig produzierte und teilweise investigative Recherchen: ‚Querdenker: Wie radikal machen Youtube, Telegram und Co.?‘ beispielsweise. Auch Reportagen über die ‚Nazi-Mafia‘, Betrugsmaschen auf Ebay, Spanner auf Festivaltoiletten oder Undercoverrecherchen bei Lieferdiensten gehören zum Repertoire von STRG-F. Teilweise erreichen die einzelnen Filme mehr als eine Million Aufrufe auf Youtube.“ (Schwarzer 2021)
 

Vermehrte Kritik

Von unterschiedlichen Seiten gibt es aber auch laute Kritik. Der YouTuber Rezo, vor allem durch sein vernichtendes Video über die CDU vom 18.05.2019 in Erinnerung geblieben, kritisiert in seinem vor einem Jahr erschienen Video die mangelnde Qualität der Recherche bei funk, vor allem in Bezug auf einen Bericht über ihn selbst. (vgl. Rezo 2022) Im Webmagazin comicschau heißt es: „Beim neuesten Video des Funk-Kanals ‚offen un' ehrlich‘, das sich mit dem YouTuber Rezo beschäftigte, gibt es einiges an Kritik, die die Vorgehensweise und das Resultat der Recherche rund um Rezo und den anderen Creator Julien Bam stark infrage stellt. […] – Dass es mitunter Kritik an Videos gibt, ist keine Seltenheit, im Gegenteil, jeder Kanal bringt auch mal ein Video heraus, dass nicht so gut ist – offenbar scheint das Problem in diesem Fall aber tiefer zu sein. Und das auf einem Kanal, der aus öffentlich-rechtlichen Geldern bezahlt wird. Jetzt steht offen un'ehrlich, die in den letzten Jahren aber durchaus einiges an Lob und den Grimme-Preis erhalten haben, deshalb in der Kritik […] – Jedoch fand nicht nur Rezo Probleme am Video, sondern auch der einmal eingeblendete Streamer Staiy, der nicht nur kritisierte wie stumpf die Kritik teilweise war – so wurde die Plattform Displate dafür kritisiert, dass diese nicht genug gegen Copyright-Verstöße vorgehen würde und anschließend gescherzt, als diese genau das eben doch gemacht hatte, sondern auch zeigte, wie viel man hätte noch finden können, wenn man nicht so offenbar minimal recherchiert hätte.“ (Comicschau 2022)
 

CSU-Geschäftsführer fordert Abschaffung

Inzwischen gibt es vereinzelte aber laustarke Kritik aus der Politik. BILD zitiert den Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag Stefan Müller mit den Worten: „Die sich ständig wiederholenden Entgleisungen des ARD/ZDF-Angebots ‚funk‘ müssen endlich Konsequenzen nach sich ziehen. Da keine Besserung der journalistischen Standards in Sicht ist, muss ‚funk‘ eingestellt werden!“ (Wachs/Nölken 2023) Anlass des Interviews war eine Instagram-Story des für funk produzierenden Social-Media-Kanals DIE DA OBEN!, in der zu lesen war, „dass die Unions-Parteichefs und die AfD-Granden eins gemeinsam hätten: ‚Sie sind rechts.‘“ (Ebd.)

ARD und ZDF weisen diese Kritik zurück, sie wollen den Etat für funk stattdessen erhöhen: „Das solle die journalistische Kompetenz stärken, wie ZDF-Intendant Norbert Himmler (52) am Freitag in der Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Schwerin sagte. Eine entsprechende Vereinbarung habe er mit dem SWR-Intendanten Kai Gniffke (62), der die ARD-Seite vertritt und ‚funk‘-Gesamtverantwortlicher ist, getroffen.“ (Ebd.)
 

ARD-Chef: Beitrag ist „ein schwerer Fehler“

Der für funk zuständige Intendant des SWR und ARD-Chef Kai Gniffke „hat in einem Brief an alle Unions-Fraktionsvorsitzenden einen zurückgezogenen Beitrag des Jugendangebots Funk als ‚schweren Fehler‘ bezeichnet. Der Beitrag von Funk stehe im Widerspruch zu der Art von Journalismus, für den er jeden Tag arbeite, schrieb Gniffke in dem Brief vom 26. Juni, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. In dem Beitrag wurden die Unions-Politiker Friedrich Merz und Markus Söder in einer Reihe mit AfD-Politikern genannt und als ‚rechts‘ bezeichnet.“ (RND/epd 2023)
 

Kritik auch aus der Wissenschaft

Der Kommunikationswissenschaftler Janis Brinkmann (Hochschule Mittweida) hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zum Reportagestil von funk erstellt: „Durchgeführt hat er eine quantitative Inhaltsanalyse. Dafür hat er von Juni 2016 bis April 2022 mehr als tausend Videos gesichtet und gefragt: Welche Themen kommen vor, wie wird berichtet, wo spielen die Beiträge, welche Informationsquellen gibt es? Der im Titel der Studie genannte Forschungsansatz ‚Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren‘ endet mit einem durchaus ambivalenten Fazit: ‚Im Mittelpunkt der Reportagen stehe häufig allein die Interaktion zwischen interviewter Person und Reporter, Themen seien häufig Gesundheit, Kriminalität und Partnerschaft. Politik und Ostdeutschland spielten kaum eine Rolle, die Ansprache erfolge bewusst gefühlsbetont und subjektiv.“ (Schweitzer 2023)

Quellen:

Berliner Zeitung (o.A.): Funk: Darum ist das junge Netzwerk von ARD und ZDF ein großer Erfolg. In: berliner-zeitung.de, 19.08.2018.Abrufbar unter: www.berliner-zeitung.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Comicschau (o.A.): Funk-Format offen un‘ ehrlich macht keine gute Figur bei Rezo-Recherche.In: comicschau.de, 12.07.2022.Abrufbar unter: www.comicschau.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)

RND / epd 2023: Jugendangebot Funk. „Schwerer Fehler“: ARD-Chef Gniffke übt Kritik an Jugend-Beitrag über Unions-Politiker. In:RND, 05.07.2023. Abrufbar unter: www.rnd.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Rundfunkkommission: Das Jugendangebot von ARD und ZDF. Konzept zur Vorlage bei der Rundfunkkommission der Länder am 15. Juni 2015. In: Horizont. Abrufbar unter: www.horizont.net (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Rezo: Wie Funk "recherchiert" - Ein Blick hinter die Kulissen. Abrufbar unter:www.youtube.de (letzter Zugriff: 10.07.2023)

Schwarzer, M.: Reportageformate bei Funk: das große Fest der Einzelschicksale. In: RND, 05.08.2021. Abrufbar unter: www.rnd.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Schweitzer, T.: Reportagen bei Funk. Senden als Prinzip. In: FAZ.net, 10.06.2023. Abrufbar unter: www.faz.net (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Wachs, C.-V. / Nölken, N.: Nach neuester „Funk“-Entgleisung. CSU will Jugendsender von ARD und ZDF schließen. In: Bild, 02.07.2023. Abrufbar unter: www.bild.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)

Wegener, C.: Die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen. Wissenschaft und Unfug in zehn spannenden „Funk“-Formaten. In: Rheinische Post, 17.05.2021. Abrufbar unter: www.rp-online.de (letzter Zugriff: 09.07.2023)