„Tagesschau“ goes TikTok

Politikvermittlung zwischen Hashtags, Lip Syncing und Pranks?

Selma Pütz

Selma Pütz studiert Journalismus an der Hochschule Macromedia in Hamburg.

1,3 Mio. Menschen folgen bereits dem Account der Tagesschau auf TikTok. Ein großer Erfolg für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der die junge Zielgruppe sonst schwer erreicht. Doch wird die Digitalstrategie einer traditionellen Medienmarke den Anforderungen der jungen Nutzenden gerecht?

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 4/2022 (Ausgabe 102), S. 34-35

Vollständiger Beitrag als:

Im Rahmen eines studentischen Forschungsprojekts an der Hochschule Macromedia in Hamburg wurden Personen der Generation Z im Alter zwischen 12 und 27 Jahren befragt. Mit dem Fokus auf TikTok wurden ihre Interessen sowie ihr Nutzungsverhalten herausgearbeitet, um sich der Frage anzunähern, inwiefern durch das zielgruppengerechte Nachrichtenformat auf TikTok auch das Interesse an der Tagesschau im linearen Fernsehen oder auf digitalen Ausspielkanälen steigt.


Politik auf dem „Kinderkanal“?

TikTok wird häufig eher belächelt, anstatt als Chance zur Politikvermittlung wahrgenommen zu werden. Denn wie passt politische Information auf eine Plattform, die für tanzende Teenager, Comedy und Lifehacks bekannt ist?

Dabei gewinnt das aufsteigende Medium vor allem im Medienrepertoire jüngerer Generationen an Relevanz. Nach einer Studie des SWR sind „zwei Drittel der jungen Zielgruppe […] täglich in den sozialen Netzwerken unterwegs“ (Granow/Scolari 2022, S. 166). Im Jahr 2021 nutzten außerdem 46 % der in der JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) befragten 12-bis 19-Jährigen TikTok täglich oder mehrmals pro Woche (S. 37 f.).
 


Abbildung 1: Nutzung der Tagesschau auf TikTok und im Fernsehen

 



Fernsehen versus TikTok

Im Vergleich der Nutzung der Tagesschau auf TikTok und im Fernsehen sind Unterschiede zu erkennen. In der Zielgruppe der 12- bis 27-Jährigen liegt die Tagesschau im Fernsehen vorn und wird von 39 % der Befragten zweimal oder häufiger pro Woche genutzt, bei TikTok sind es nur 22 %.

Hier weichen die sogenannten „Digital Natives“ (Kleinjohann/Reinecke 2020, S. 16) also von ihrem digitalen Fokus ab und nutzen bevorzugt den linearen Ausspielweg. (Abbildung 1)
 

Auf Konversionskurs?

Kann das Einbinden von digitalen Kanälen in das Programmportfolio junge Nutzende zu dem Nachrichtenangebot der Tagesschau im Fernsehen leiten?

Die Ergebnisse der Befragung deuten darauf hin, dass das Interesse der Befragten an der Tagesschau im Fernsehen kaum dadurch steigt, dass sie die Tagesschau auf TikTok nutzen. Eine Konversion ist nur bei jedem zehnten Befragten (9,8 %) festzustellen. (Abbildung 2)
 


Abbildung 2: „Dadurch, dass ich die Tagesschau auf TikTok schaue, habe ich auch mehr Lust, die Tagesschau im Fernsehen anzusehen.“
 


Überraschend ist, dass eine Zuwendung zu anderen Ausspielkanälen wie dem Internet, weiteren sozialen Netzwerken, der App oder der Mediathek bei den Befragten ebenfalls kaum erkennbar ist.

Ist TikTok also nur eine Plattform mit Spaßfaktor oder birgt es Potenzial, junge Zielgruppen zu erreichen und an die Marke zu binden? Auch wenn eine Konversion nur in geringem Maße stattfindet, kann die älteste Nachrichtensendung Deutschlands jüngere Generationen über den digitalen Ausspielweg erreichen und somit ihre digitale Präsenz ausbauen.
 

Literatur:

Granow, V. C./Scolari, J.: TikTok – Nutzung und Potenziale der Kurzvideo-Plattform. Ergebnisse einer Mixed-Methods-Grundlagenstudie im Auftrag des SWR. In: Media Perspektiven, 4/2022/12, S. 166–176. Abrufbar unter: https://www.ard-media.de (letzter Zugriff: 07.09.2022)

Kleinjohann, M./Reinecke, V.: Marketingkommunikation mit der Generation Z. Erfolgsfaktoren für das Marketing mit Digital Natives. Wiesbaden 2020

mpfs (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest): JIM-Studie 2021. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12-bis 19‑Jähriger. Stuttgart 2021. Abrufbar unter: https://www.mpfs.de (letzter Zugriff: 07.09.2022)