Trigger!

Anmerkungen zum Phänomen der Triggerwarnung

Marcus Stiglegger

Prof. Dr. Marcus Stiglegger lehrt Filmwissenschaft in Münster, Ludwigsburg und Regensburg. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die Genre- theorie sowie die Seduktionstheorie der Medien. Er ist Mitbetreiber des Podcasts „Projektionen – Kinogespräche“. Weitere Informationen sind abrufbar unter: stiglegger.de.

Der Beitrag diskutiert den in den letzten Jahren verbreiteten Diskursbegriff „Triggerwarnung“ vor dem Hintergrund von Traumatherapie, Jugendschutz und Politik. Dabei wird ersichtlich, dass sich der Begriff aus seiner eigentlichen Bedeutung gelöst hat und zur grundsätzlichen Kritik an medialer Provokation genutzt wird. Der Autor erörtert, welche Alternativen sich anbieten, wenn man dieser Kritik konstruktiv begegnen will.

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 1/2023 (Ausgabe 103), S. 24-27

Vollständiger Beitrag als:

Kampf um Deutungs- und Repräsentationsmacht

Eine frühe Begegnung mit der Warnung vor einem Medieninhalt bot das ZDF bei seiner Anmoderation des Horrorfilms Das Omen (GB/USA 1976), der 1984 in der Reihe „Der phantastische Film“ gezeigt wurde. Die Moderatorin verwies darauf, dass das ZDF „übertrieben ausgespielte Schockszenen entfernt“ habe, doch auch in dieser Fassung sei „der Film für Kinder nicht geeignet“. Dieser Warnhinweis erregte zweifellos gerade bei der gewarnten Gruppe größtes Interesse und wurde umgehend zum Pausenhofgespräch in Schulen. Die Warnung erwies sich folglich als komplex: Einerseits intendierte sie eine Sensibilisierung, andererseits erzeugte sie eine Neugier.

Den englischen Begriff „Trigger“ kannte man damals allenfalls von Formulierungen wie „Finger on the trigger“, denn damit wurde der Abzug einer Schusswaffe bezeichnet. Dass damit ebenfalls der Auslöser eines psychischen Schockzustandes gemeint sein kann, wurde erst in der Diskussion der letzten 15 Jahre im deutschen Sprachraum bekannt. Wobei auch hier die Gefährlichkeit der Waffe mitschwang: Ein Trigger betont ein angenommenes Risiko und erzeugt einen Moment der Furcht. So etablierte sich ein Begriff aus der medizinischen Traumatherapie in der Umgangssprache. Wobei die Formulierung „das triggert mich gerade“ auf alle provokativen Phänomene angewandt wird, was den ursprünglichen Sachverhalt (das Trauma als seelische Verletzung) nachdrücklich banalisiert.

 

Triggerwarnung (Quelle: Youtube)


 

Die wesentliche Frage, die sich bis heute stellt: Wer hat den „Finger on the trigger“ – wer hat die Kontrolle über die Triggerwarnung? Denn die lebhaft geführte Kontroverse um Triggerwarnungen in Medien und Bildungsinstitutionen zeigt auch, dass es hier um Deutungs- und Repräsentationsmacht geht.
 

Moralisierende Zensur

Kehren wir zum eingangs zitierten Jugendschutzwarnhinweis im ZDF zurück: Noch heute finden sich vor Ausstrahlungen im ARTE-Programm Hinweise wie: „Der folgende Film könnte das sittliche Empfinden verletzen“. Solche Warnungen sind mitunter selbst Trigger, die eine Rezeptionshaltung manipulieren und verändern können, denn letztlich erzeugen sie jene Neugier darauf, was denn so „verletzend“ sein soll, was eine seelische Wunde reißen könnte. Oder sie schrecken kategorisch ab, ohne dass der Inhalt speziell wahrgenommen wird. Die menschliche Psyche wird hier in ihrer Verwundbarkeit betont und scheint einer ständigen Bedrohung durch Traumatisierung ausgesetzt.

Das Thema „Triggerwarnung“ tauchte Anfang der 2000er-Jahre zunächst in nordamerikanischen Universitäten auf, wo in den Kulturwissenschaften Forderungen von studentischer Seite aus laut wurden, Studienliteratur mit Warnhinweisen zu versehen, sofern deren Inhalt zuvor traumatisierte Personen retraumatisieren könnte (Lothian 2016). Diese Inhalte wurden als Trigger im Sinne eines „Auslösers“ betrachtet. Die einfache Gleichung hier lautete: Wer sexuelle oder rassistische Übergriffe erlebt hat, wird durch die Schilderungen solcher Situationen an die traumatischen Erlebnisse erinnert und muss so das Trauma noch einmal durchleben. Die posttraumatische Belastungsstörung wurde in dieser Diskussion zu einem wichtigen Argumentationsaspekt. Problematisch an dieser zunächst einleuchtenden und einfachen Gleichung ist die Fixierung auf den mimetischen Aspekt: Fiktional Ähnliches wird als der Realität Gleiches behandelt, Literatur wird in diesem Fall zu einer ungebrochenen Repräsentation gesellschaftlicher Missstände, und selbst eine kritisch intendierte Darstellung sexueller oder rassistischer Übergriffe wird in dieser Logik zu einem Risiko, vor dem gewarnt werden muss (Brunner 2019; Stiglegger 2021). Auch der Einsatz von Filmen wie beispielsweise American History X (USA 1998) in der Bildungsarbeit könnte so dem Vorwurf ausgesetzt sein, in seiner Darstellung von rassistisch motivierter Gewalt und Rechtsextremismus eigene Diskriminierungserfahrung zu „triggern“.
 


Die Triggerwarnung wurde zu einem Machtmittel, mit dem der Diskurs bestimmt, gesteuert und gezielt verändert werden konnte.



Da in fiktionalen Narrativen sehr häufig solche Themen angesprochen werden, zeigte sich bald, dass unzählige Triggerwarnungen installiert wurden bzw. werden sollten – und letztlich kanonisierte Werke der Literatur komplett infrage gestellt wurden (von Mark Twain bis Ernest Hemingway). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde Kritik an den Forderungen laut, denn Triggerwarnungen wurden der moralisierenden Zensur verdächtigt, galten als Ausdruck radikaler Identitätspolitik und als Mittel eines politisch motivierten Kulturkampfes. Die Triggerwarnung wurde in diesem Moment zu einem Machtmittel, mit dem der Diskurs bestimmt, gesteuert und gezielt verändert werden konnte. Dieses Machtmittel erwies sich allerdings erst als effektiv, sobald die ersten US-Universitäten solche Warnhinweise in ihr Regularium übernahmen.

Aktuell gibt es auch an deutschen Universitäten Bemühungen der kategorischen Etikettierung von Studienmaterial, der Infragestellung kanonisierter Inhalte und der Forderung nach Warnhinweisen vor mutmaßlich provokativen Seminarinhalten. Kunst und Bildungsinstitutionen werden dabei stets als „Schutzräume“ („safe spaces“) vorausgesetzt, dabei handelt es sich im Bereich der Kunst speziell auch um Konfrontationsmedien, die uns durchaus herausfordern und provozieren dürfen.

Hier setzt eine berechtigte Kritik an der Forderung nach umfassendem Schutz an: Das rigorose Vorgehen gegen mutmaßlich verletzende Medien- oder Studieninhalte könnte sich als kontraproduktiv erweisen. Traumatisierte Menschen verlernen in einem „bereinigten“ Umfeld gerade die aktive Auseinandersetzung mit „triggernden Faktoren“, wie sie Konfrontationstherapie gerade anstrebt (Neudeck/Wittchen 2005). Das sichere Umfeld einer Therapiesitzung wird sich zudem in einer Bildungsinstitution wie einer Hochschule nicht garantieren lassen (Stiglegger 2021). Bald wurde die Kritik an Triggerwarnungs-Forderungen zunehmend politisch: Man bezeichnete eine „Woke“-Generation („woke“ von „awaken“ im Sinne von „bewusst werden“) als bevormundend in ihrer Bemühung um exponierte Empathie und die Vermeidung von provozierenden Inhalten (Flaßpöhler 2021). Eine konservative Kritik nutzte den Begriff „Triggerwarnung“ in der Folge als Argument gegen eine „linksradikale Identitätspolitik“ (Murray 2019; Fourest 2020).
 

Mit Sprache Realität verändern?

Streamingplattformen waren relativ früh für die Tendenz der fürsorglichen Warnungen empfänglich, vermutlich auch, um juristischen Problemen zu entgehen und das junge Publikum nicht zu verärgern. So enthalten Sendungen auf Netflix oder Amazon Prime Video explizite Inhaltsinformationen, die auf Elemente wie Sex, Nacktheit, Drogenkonsum (auch Alkohol und Tabak), Flüche oder Gewaltdarstellungen (auch Selbstverletzung) hinweisen. Man kann diese Hinweise als Warnung interpretieren, doch in ihrer Regelmäßigkeit erscheinen sie eher als eine pragmatische Zusatzinformation, die die Sehentscheidung erleichtert. Die Begriffe und Kategorien erinnern an die Beschreibungen auf britischen Heimmedien, die als Ergänzung zu der Altersfreigabe dienen. Solche Inhaltsinformationen runden das Bild der angebotenen Medieninhalte ab, ohne das Sehverhalten nachdrücklich zu manipulieren, denn sie werden so beiläufig und randständig platziert, dass man sie auch ignorieren kann. Deutlicher exponiert sind die Warntafeln, die im deutschen Fernsehen mitunter der Ausstrahlung vorangestellt werden.
 


Awareness wird nichts an einer Realität ändern, die durch diese Darstellungen reflektiert wird, es sei denn, man vertritt die These, dass man durch eine Korrektur der medialen Repräsentation die Realität verändern kann.



Die Kritik an Triggerwarnungen, die oben resümiert wurde, ist auf diese Fälle jedoch nicht direkt übertragbar, denn gerade die pragmatische Regelmäßigkeit vermeidet eine unnötige Betonung mutmaßlich provokativer Inhaltsanteile. Diese Inhaltsinformationen stellen einen Kompromiss dar – man kann sie als Triggerwarnung begreifen oder schlicht die Seherwartungen justieren. In jedem Fall wird man mehr auf diese Elemente achten als zuvor, was deren möglicherweise provokatives Potenzial steigert. Das könnte man als Steigerung einer „awareness“ für problematische Inhalte interpretieren – es wird aber nichts an einer Realität ändern, die durch diese Darstellungen reflektiert wird, es sei denn, man vertritt die These, dass man durch eine Korrektur der medialen Repräsentation (oder der Sprache) die Realität verändern kann. Der Wunsch nach einer Korrektur der Sprache hängt so unmittelbar mit der Forderung nach Triggerwarnungen zusammen. Inwieweit diese Thesen zutreffen, bleibt umstritten.

 

Warnung vor UK-Trailer von Lux Æterna (Arrow Video, 31.05.2022)


 

Inhaltsinformation statt Selbstzensur

Ein medizinisch unstrittiger Trigger dagegen ist Stroboskoplicht, das epileptische Anfälle auslösen kann. Da es gerade in der Kinosituation zu intensiven stroboskopischen Effekten kommen kann – wie etwa in Filmen von Gaspar Noé, zu dessen Stilmitteln sie zählen (etwa in Irreversibel [F 2002] oder Lux Æterna [F 2019]) –, ist es angebracht, zu Beginn des Films eine spezifische Triggerwarnung zu platzieren, die es entsprechend veranlagten Personen ermöglicht, die Sichtung zu überdenken. Wie oben beschrieben, können alle möglichen Elemente, Bilder, Klänge und Situationen sich als individuelle Trigger erweisen – es dürfte daher kaum möglich sein, solche Trigger vorherzusehen und entsprechend vor Medieninhalten extra auszuweisen. Worum es also letztlich gehen muss, ist eine Inhaltsinformation, die es dem potenziellen Publikum ermöglicht, nach eigenen Neigungen eine Rezeptionsentscheidung zu durchdenken. Insofern ist die Inhaltsinformation vor dem Medienstart im Stream oder auf dem Cover von Heimmedien eine nachvollziehbare Strategie und mitunter sinnvolle Erweiterung der in Deutschland bislang eher unkonkreten Jugendschutzbescheide. Streitbar dagegen bleibt die umfassende Forderung, alle möglicherweise „problematischen“ Inhalte mit einer Warnung zu versehen, da dann der befürchtete Selbstzensureffekt eintreten kann: dass diese mutmaßlich unpopulären und potenziell schädlichen Inhalte gar nicht mehr fokussiert oder angeboten werden. Wer einen lebendigen und progressiven Diskurs wünscht, wird um eine Auseinandersetzung auch mit unangenehmen Aspekten nicht herumkommen.
 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

  1. Die Herleitung des Begriffs „Trigger“ wird aus der Traumatherapie heute kaum im populären Diskurs berücksichtigt. Mit „Trigger“ werden stattdessen grundsätzlich provozierende und kontroverse Medieninhalte bezeichnet. Es ist daher wenig zielführend, diese umgangssprachliche Verwendung in der Wissenschaft und Medienpraxis zu übernehmen. Würde man den Begriff ernst nehmen, könnte theoretisch alles zum Trigger werden, Farben, alltägliche Handlungen, Geräusche, Gegenstände usw. Eine berechtigte Ausnahme wäre die Warnung von Stroboskopeffekten.
  2. Im englischen Sprachraum gibt es schon länger die Content Warnings (Inhaltswarnungen), die auf provokative Medieninhalte verweisen (Sprache, Gewalt, Sexualität, Drogen), etwa auf Heimmedien wie Blu‑Rays oder CDs. Diese Warnungen sind eng mit moralischen Wertsetzungen verknüpft und schaffen eine für die Rezeption nicht immer sinnvolle Erwartung des Skandalösen.
  3. Im Hochschulalltag hat sich die simple Inhaltsinformation vor der Medienpräsentation bewährt, die auf eine neutrale Weise die Elemente des Medieninhalts aufführt, was noch immer eine Rezeptionsentscheidung ermöglicht, aber die Rezeptionshaltung und ‑erwartung nicht suggestiv lenkt. Der Schlüssel hier ist, den Aspekt der Warnung auszusparen und so das Publikum als mündig zu betrachten (Lothian 2016).

Die dritte Variante kann als ein Kompromiss betrachtet werden, der den ursprünglichen Forderungen gerecht wird und zugleich Manipulation und Bevormundung vermeidet.
 

Literatur:

Brunner, M.: Trigger-Warnungen. Zur Politisierung eines traumatherapeutischen Konzepts. In: E. Berendsen/S.-N. Cheema/M. Mendel (Hrsg.): Triggerwarnung. Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen. Berlin 20191, S. 21–35

Flaßpöhler, S.: Sensibel. Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren. Stuttgart 2021

Fourest, C.: Generation beleidigt. Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei. Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer. Berlin 2020

Lothian, A.: Choose Not to Warn: Trigger Warnings and Content Notes from Fan Culture to Feminist Pedagogy. In: Feminist Studies, 3/2016/42, S. 743–756

Murray, D.: Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften. München 2019

Neudeck, P./Wittchen, H.-U. (Hrsg.): Konfrontationstherapie bei psychischen Störungen. Theorie und Praxis. Göttingen u. a. 2005

Stiglegger, M.: Film als ambivalente Herausforderung. Über ethische Aspekte der Filmrezeption. In: tv diskurs, 3/2021 (Ausgabe 97), S. 60–64