Verwirrung um Pumuckl

15 Folgen der Serie aus den 1980er-Jahren bei Amazon Prime Video ab 12 Jahren empfohlen

Die meisten der heutigen Eltern kennen den Kobold Pumuckl und seinen Meister Eder aus ihrer Kindheit, viele haben die Serie geliebt, die in den 1980er Jahren erfolgreich in der ARD zu sehen war. Gustl Bayrhammer spielte den gutmütigen Meister Eder, Pumuckl wurde von Hans Clarin gesprochen. Seine Stimme haben viele noch im Ohr. Niemand wäre wohl auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet diese Serie einmal unter Jugendschutzgesichtspunkten diskutiert werden könnte. Aber nun werden 15 Folgen auf Amazon-Prime erst ab 12 Jahren empfohlen.

Online seit 07.07.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/verwirrung-um-pumuckl-beitrag-1122/

 

 

Der Streamingdienst blendet zu Beginn jeder Folge eine Altersfreigabe ein, und nur 34 der 52 Folgen wurden „ohne Altersbeschränkung“, 3 Folgen ab 6, und 15 sogar erst ab 12 Jahren empfohlen. Die Folge: Einige der Pumuckl-Folgen wurden im Kinderaccount von Amazon Prime Video gesperrt.Allerdings ist nicht erkennbar, ob es sich rechtlich tatsächlich um eine offizielle Altersfreigabe z. B. der auf der Grundlage des Jugendschutzgesetzes arbeitenden Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) oder um eine Selbsteinschätzung des Anbieters handelt - in diesem Falle wäre es eher eine Altersempfehlung.

Die Eltern waren jedenfalls verwirrt:

Wir haben uns über den Account der Kinder eingeloggt und konnten die Serie nicht finden.“

Nach einer Weile sei ihnen der Gedanke gekommen, dass die Serie wahrscheinlich erst ab sechs Jahren freigegeben und deswegen nur über den Account der Eltern zu finden sei. Dann die Überraschung: Die Reihe ist bei Amazon erst ab zwölf (!) Jahren freigegeben. Der Grund könnte sich unter dem Punkt „Weitere Informationen“ finden: Dort sind die Begriffe „Gewalt, Alkoholkonsum und Rauchen“ aufgeführt.“ (Thyssen 2023)

Die hohe Altersfreigabe für die harmlose Kultserie führte zu zahlreichen Protesten in den sozialen Netzwerken: „So schreibt ein User auf dem Facebook-Account „Drehorte München“ mit über 1.000 Likes auf seinem Kommentar: „Läuft und lief ohne Einschränkung im TV. Von daher würde ich mir keine Sorgen machen. Bin ein 73er Baujahr und damit groß geworden. Ist für mich bis heute die schönste Kinderserie und sicherlich weniger bedenklich als so manches, dass heutzutage im TV für Kinder läuft.““ (tv movie 2023)
 

Altersfreigabe falsch hinterlegt?

Auf die überraschend massive Kritik hat eine Amazon-Prime-Video-Sprecherin auf Nachfrage der Mediengruppe Bayern zur Altersfreigabe der Serie inzwischen reagiert und zugegeben, dass es sich wohl bei den 12er-Freigaben um einen Fehler gehandelt habe, der korrigiert werden soll: Die Freigaben der FSK ohne Altersbeschränkung seien falsch hinterlegt worden. Damit können auch Kinder zukünftig in ihrem Account wieder den Pumuckl schauen. Ob die Begründung allerdings stimmt, ist nicht überprüfbar: Es könnte auch sein, dass die FSK Freigabe gar nicht eingeholt und stattdessen von Amazon-Prime-Mitarbeitern selbst festgelegt wurde.

Die falsche Altersbeschränkung hat wenige Tage vor der Premiere der TV-Serie Neue Geschichten von Pumuckl für Verwirrung gesorgt, die erstmals zu Beginn des Kinderfilmfests in München gezeigt werden soll. „Im Zentrum der Handlung steht nun der Neffe von Meister Eder, gespielt von Florian Brückner, der nach über 30 Jahren die alte Werkstatt seines Onkels betritt, wo gerade ein weiteres Mal der Pumuckl am Leim kleben bleibt und sichtbar wird. Der Kabarettist Maximilian Schafroth leiht dem Kobold in der Neuauflage seine Stimme, doch für die Synchronisation kündigt RTL eine Besonderheit an. Mittels künstlicher Intelligenz hat man Schafroths Stimme in die bekannte Pumuckl-Stimme von Hans Clarin umgewandelt.“ (Nolting 2023) RTL+ bietet den Zuschauern die Wahl: sie können sich für die durch KI erzeugte Stimme von Hans Clarin oder die von Maximilian Schafroth gesprochene Version entscheiden.
 

Altersempfehlungen oder Altersfreigaben

Die Causa Pumuckl weist auf ein Problem hin, das häufiger vorkommt, aber dem Zuschauer nicht immer auffällt. Während im Bereich Kino/Video/DVD die Inhalte über eine Altersfreigabe nach dem Jugendschutzgesetz, vergeben durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), verfügen müssen und die Fernsehsender durch eigene Jugendschutzbeauftragte sowie die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) Altersfreigaben festlegen lassen, können Alterseinschätzungen im Internet von den Anbietern selbst vorgenommen werden: „Für entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte kommen folgende Maßnahmen infrage: Technische Kennzeichnungen, die von anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen und interpretiert werden können, technische oder sonstige Mittel, die Zugangshürden schaffen, oder Sendezeitbegrenzungen, die bestimmte Inhalte erst ab einer bestimmten Uhrzeit zugänglich machen – wie man es aus dem Fernsehen kennt.“ (FSM 2023)
 

Streamingdienste

Die Streamingdienste haben inzwischen eigene technische Jugendschutzsysteme, die durch die FSM geprüft und anerkannt wurden. Für Streaming-Inhalte, die in der Kino - oder Video-Fassung von der FSK freigegeben wurden, muss die FSK-Freigabe verwendet werden. Allerdings werden immer mehr Inhalte direkt für die Streamingdienste produziert, sodass es keine Altersfreigabe der FSK gibt. Viele der Altersempfehlungen stammen also von Mitarbeitern der Dienste selbst. Diese sind zwar mehr oder weniger in Fragen des Jugendschutzes geschult, tendieren aber eventuell vorsichtshalber zu einer höheren Freigabe, um spätere Kritik durch die Öffentlichkeit oder die Landesmedienanstalten zu vermeiden. Das Problem: Es ist nicht erkennbar, wer der Urheber der Empfehlung ist - handelt es sich um eine Altersempfehlung des Anbieters oder um die offizielle Freigabe einer Selbstkontrolleinrichtung?

Oft wird die Meinung vertreten, höhere Einschätzungen seien im Sinne des Jugendschutzes. Der Fall Pumuckl zeigt aber, dass übertriebene Strenge auch das Gegenteil bewirken kann: Die Empfehlungen oder die Freigaben werden nicht mehr ernst genommen. Diese generelle Skepsis könnte auch auf solche Freigaben übertragen werden, die durchaus sinnvoll sind und Jugendliche schützen. Altersempfehlungen und Altersfreigaben sollten also transparent sein, der Nutzer sollte erfahren, von wem sie stammen und nach welchen Kriterien sie erteilt werden. Hier könnte eine gesetzliche Klarstellung helfen.

Quellen:

Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadienste-Anbieter (FSM): Technische Lösungen im Jugendmedienschutz, Abrufbar unter: www.fsm.de

Nolting, J.: „Pumuckl“ feiert Comeback bei RTL: Original-Stimme mit KI kreiert, In: Digital fernsehen, 14.06.2023, abrufbar unter: www.digitalfernsehen.de

Thyssen, S.: Der Pumuckl ist nicht mehr da: Amazon streicht Serie aus Kinderprogramm, In: Merkur.de, 22.06.2023, Abrufbar unter: www.merkur.de

tv movie (o.a.): „Pumuckl“: Kult-Serie nicht mehr für Kinder? Fans sind bestürzt!, 23.06.2023, Abrufbar unter: www.tvmovie.de