Werberat gegen Rollenklischees, Ausbeutung und Gewalt

Für fünf Kampagnen gab es 2023 eine offizielle Rüge

Der Deutsche Werberat hat 2023 erstmals Werbung für Computerspiele in sozialen Medien gerügt, deren Anbieter aus China und Zypern kommen. Nun wird mit Spannung erwartet, ob und wie die Unternehmen auf die Rügen reagieren.

Online seit 30.05.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/werberat-gegen-rollenklischees-ausbeutung-und-gewalt-beitrag-1122/

 

 

Der Deutsche Werberat ist ein vom Zentralrat der Werbewirtschaft (ZAW) getragenes Selbstkontrollorgan, das in etwa mit dem Deutschen Presserat vergleichbar ist. Ziel ist es, Werbungen einzuschränken, die zwar aus rechtlicher Sicht keine Grenzen überschreiten, aber gegen gesellschaftliche Wertevorstellungen verstoßen. Der Deutsche Werberat wurde am 8. November 1972 gegründet und feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Seine Entscheidungen sind für die Unternehmen nicht bindend, werden aber im Regelfall berücksichtigt. Der Werberat wird auf der Grundlage von Beschwerden aus der Bevölkerung tätig.

 

Zahl der Beschwerden schwankt

Am 23. März 2023 hat der Werberat die Bilanz für das Jahr 2022 vorgelegt (Deutscher Werberat 2023a): 1.008 Personen oder Institutionen haben Beschwerden eingereicht, das waren 30  Prozent weniger als 2021. Den Rückgang der Beschwerden erklärt der Werberat damit, dass die Unternehmen durch seine Arbeit sensibler geworden seien. 2022 entschied das Gremium in 398 Fällen über die Angemessenheit von Werbung. In 313 der Fälle stellte der Rat keinen Verstoß gegen seinen Werbekodex fest. In 85 Fällen hingegen sah er sich veranlasst, mit den Unternehmen in Kontakt zu treten. 91 Prozent der kontaktierten Unternehmen folgten dem Votum des Rates und stoppten oder änderten die beanstandete Werbung. Nur in acht Fällen musste eine offizielle Rüge ausgesprochen werden. (Deutscher Werberat 2023b) Aus Sicht des Werberates belegt „die Jahresbilanz 2022 erneut die hohe Durchsetzungsquote des Werberates und branchenübergreifende Akzeptanz der Selbstkontrolleinrichtung in der Wirtschaft.“ (Deutscher Werberat 2023a)

 

14 Rügen wegen sexistischer Aussagen

2021 gingen Beschwerden von 1.444 Personen, Institutionen und Organisationen ein, rund acht Prozent mehr als 2020. Über 523 Fälle wurde entschieden, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. In 385 der Prüffälle sah das Gremium kein Fehlverhalten der Firmen, in 138 Fällen nahm der Werberat mit den betroffenen Unternehmen Kontakt auf.

90 Prozent hätten daraufhin ihre Werbung zurückgezogen oder geändert. Passiert nichts, greift der Werberat zum Mittel der öffentlichen Rüge.“ (Preker/dpa 2022)

Jede der 2021 erteilten 14 Rügen ging auf sexistische Inhalte zurück. „Die Werbung war im Wesentlichen frauendiskriminierend. In aller Regel war es eine herabwürdigende Darstellung, auch gekoppelt mit einem sexistischen Slogan“, so die Geschäftsführerin des Werberates, Katja Heintschel von Heinegg, in einem SPIEGEL-Artikel (ebd.).

 

Die Medienfreiheit und ihre Grenzen

Auf seiner Homepage verweist der Deutsche Werberat auf die Medienfreiheit, die aber aus seiner Sicht nicht uneingeschränkt gilt: „Sie findet ihre Grenzen in den allgemeinen Gesetzen und den schutzwürdigen Belangen anderer. Dazu zählen insbesondere die für die gesamte staatliche und gesellschaftliche Ordnung geltenden Prinzipien des Schutzes der Menschenwürde und der Nicht-Diskriminierung sowie des Kinder- und Jugendschutzes.“ (Deutscher Werberat 2023c)

Eine Diskriminierung liegt laut Werberat dann vor, „wenn vermittelt wird, dass eine Person oder Personengruppe weniger wert sei als andere. Eine Herabwürdigung besteht, wenn Personen in ihrer Würde verletzt oder verächtlich gemacht werden.“ (Ebd.) Deshalb dürfen, keine Darstellungen veröffentlicht werden, …:

  1. „die Personen beispielsweise wegen ihres Geschlechts, ihrer Abstammung, ihrer [‚]Rasse[‘], ihrer Sprache, ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer politischen Anschauung, ihres Alters, einer Behinderung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe diskriminieren;
  2. die Personen allein deswegen abwerten, weil sie in Bezug auf ihr Aussehen, ihr Verhalten, ihre sexuelle Orientierung, ihre Eigenschaften oder Lebensweisen nicht den vorherrschenden Vorstellungen entsprechen;
  3. die Gewalt oder die Verharmlosung von Gewalt gegenüber Personen enthalten bzw. Gewalt oder Dominanzgebaren als akzeptabel erscheinen lassen;
  4. die den Eindruck erwecken, Personen seien käuflich zu erwerben, oder Personen mit Objekten gleichsetzen;
  5. die Personen auf ihre Sexualität reduzieren oder ihre sexuelle Verfügbarkeit nahelegen;
  6. die mit übertrieben herausgestellter Nacktheit eine Herabwürdigung des Geschlechts vermitteln;
  7. die einen pornografischen Charakter besitzen.“ (Ebd.)

 

2023: Zwei Rügen gegen ausländische Spieleanbieter

Auf dieser Grundlage hat der Deutsche Werberat im Jahr 2023 bisher die Werbung von fünf Unternehmen gerügt. Neben drei deutschen Unternehmen betrafen die Rügen die Werbung für ein Computerspiel aus Zypern und eines aus China. Dass Unternehmen aus dem Ausland gerügt werden, ist ein Novum, ebenso, dass die Werbung nicht in Printmedien oder dem Rundfunk verbreitet wurde, sondern über soziale Medien. Zum zyprischen Online-Game schreibt der Werberat:

„Die Social Media-Werbung des SpieleentwicklersNexters Global Ltd. beanstandet das Gremium des Deutschen Werberats als gewaltverherrlichend. Zudem lässt die Werbung Dominanzgebaren gegenüber Frauen als akzeptabel erscheinen. Die Werbung im Comic-Stil zeigt eine knapp bekleidete Frau, die rechts und links mit je vier Ketten an Hals, Handgelenken, Hüfte und Oberschenkeln an einen Turm gefesselt ist. Dort befinden sich mehrere Gegner, die die Fesseln der Frau bewachen sowie der Held, der die Frau befreien soll und vom Spieler gesteuert wird. Die abgebildete, hilflose Frau wird in einem gewaltsamen Szenario dargestellt, dominiert und insofern ausgenutzt, als dass diese Inszenierung dem Zweck dient, den Protagonisten in einem heroischen Kontext abbilden zu können. Der Deutsche Werberat sieht in dem Motiv eine Verherrlichung und Verharmlosung von Gewalt gegenüber Personen.“ (Deutscher Werberat 2023d)

 

Männliche Dominanz und Herabwürdigung von Frauen

Auch in der gerügten Werbung eines chinesischen Anbieters geht es um männliches Dominanzgebaren und die Herabwürdigung von Frauen. Diese besteht in der Darstellung brutaler Gewalt, die in keinem relativierenden Kontext steht: „Die animierte In-App-Werbung des chinesischen Spieleentwicklers Betta Games zeigt eine Frau, die ihren vermeintlichen Partner bei einem Kuss mit einer anderen Person erwischt. Daraufhin wirft der Mann sie aus der gemeinsamen Bleibe, indem er ihr gewaltsam in den Bauch tritt, so dass sie aus dem Zimmer geschleudert wird. Nach Ansicht des Werberats vermittelt der animierte Spot den Eindruck, dass die Anwendung von Gewalt und Dominanzgebaren akzeptabel sind.“ (Ebd.)

 

Werden die Rügen beachtet?

Nun wird mit Spannung erwartet, ob die Rüge des Deutschen Werberates bei den Unternehmen Eindruck macht, und ob die Werbung aus den Netzwerken entfernt wird. Die Rüge ist kein Rechtsmittel. Zudem sind die beiden betroffenen Unternehmen keine Mitglieder des Werberates, sodass nicht mal ein vereinsrechtliches Druckmittel zur Verfügung steht.

Quellen:

Deutscher Werberat (a): Bilanzen. In:www.werberat.de. Abrufbar unter: www.werberat.de (letzter Zugriff: 24.05.2023)

Deutscher Werberat (b): Werberat bilanziert 2022 - Unternehmen agieren sensibler – Beschwerdezahlen rückläufig - Werbung und ihre Selbstkontrolle bleiben gefragt.In:www.werberat.de, 29.03.2023. Abrufbar unter: www.werberat.de (letzter Zugriff: 24.05.2023)

Deutscher Werberat (c): Verhaltensregeln des Deutschen Werberats gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen (Fassung von 2014). In: www.werberat.de. Abrufbar unter: www.werberat.de (letzter Zugriff: 24.05.2023)

Deutscher Werberat (d): Fünf Rügen für sexistische Werbung - Werberat rügt Games-Werbung. In: www.werberat.de, 16.05.2023. Abrufbar unter: www.werberat.de (letzter Zugriff: 24.05.2023)

Preker, A. / dpa: Sexistische Reklame. Werberat spricht mehr Rügen aus. In: Spiegel, 29.03.2022. Abrufbar unter: www.spiegel.de (letzter Zugriff: 24.05.2023)