Wissenschaftskommunikation in Massenmedien
Christian Drosten zieht sich aus der medialen Öffentlichkeit zurück
Experten sind immer dann gefragt, wenn es Gefahren oder Krisen gibt und die Menschen erfahren wollen, welche Konsequenzen drohen und wie man die Probleme am besten bewältigen kann. Pandemien fordern vor allem medizinisches Fachpersonal heraus. Im Falle von Corona sind es Virologen wie Christian Drosten, Hendrik Streeck, oder Alexander Kekulé. In der Politik entwickelte sich der Epidemiologe und SPD-Politiker Karl Lauterbach vorübergehend zum Publikumsliebling.
Experten sind keine Hellseher
Die Aufgabe von Experten in Coronazeiten besteht darin, alles, was bisher in der Wissenschaft bekannt ist, zu bewerten, auf die aktuelle Situation zu übertragen und mit Blick auf die Entwicklung der Pandemie zu interpretieren: Wie werden sich unter welchen Bedingungen die Risiken der Ansteckung, wie wird sich der Krankheitsverlauf – einschließlich möglicher Todesfälle – entwickeln? Aber alles wissen auch die Experten nicht: Wann kommt ein Impfstoff, wie gut und wie lange schützt er? Werden die Menschen dem Impfstoff vertrauen, gibt es viele Nebenwirkungen und sind einmal Erkrankte später immun? Welche Mutationen kommen? Wie wirken die Masken und wie werden Kontaktbeschränkungen eingehalten bzw. kontrolliert? Darüber kann man Vermutungen und Hochrechnungen anstellen, aber genau voraussehen kann man es nicht.
Die Rolle der Wissenschaft
Über seine Rolle als Wissenschaftler und Experte zu Beginn der Pandemie sagte Christian Drosten im November 2020 „Mir ist damals klar geworden, erstmalig, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen Wissenschaftsjournalismus, mit dem ich vorher viel Kontakt hatte, und eben dem der großen politischen Journalismusbühne, dass es da andere Arbeitsweisen gibt, die sicherlich im Politikjournalismus sein müssen. Und natürlich gibt es da eine gewisse Barriere, die man vielleicht auch durchbrechen muss, durch solche Stilmittel wie Provokation, direkte Ansprache, Personalisierung usw. Das findet im Wissenschaftsjournalismus nicht so stark statt und ist da auch nicht notwendig, also man muss Wissenschaftler nicht zu Aussagen provozieren.” (Bundespressekonferenz 2020).
Für Drosten ist es in dem o. g. Gespräch ein Problem, wenn zwischen verschiedenen Meinungen zu sehr polarisiert und ein Konflikt personalisiert wird. In der Wissenschaftskommunikation gehe es nicht um Meinungen, sondern um die Interpretation der Datenlage. Wenn diese sich ändere, müsse der Wissenschaftler darauf reagieren: „Als die Alpha-Variante kam, war das für mich sehr überraschend, beim Auftauchen von Delta war ich erst einmal skeptisch, bei Omikron musste man sich dann wieder neu orientieren, und seit Januar gibt es schon wieder neue Omikron-Sublinien. Deshalb würde ich mich tatsächlich gern korrigieren: Ich glaube nicht mehr, dass wir Ende des Jahres den Eindruck haben werden, die Pandemie sei vorbei.“ (Bredow/Hackenbroch 2022)
Drosten zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück
Nach über zwei Jahren Pandemie hat sich Drosten nun aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Ob er noch einmal wiederkommt? „Wenn es eine gesellschaftliche Bedrohung gibt, bei der ich weiß, dass mein Wissen etwas ändern könnte, würde ich es natürlich machen. Aber ich erwarte nicht, dass das bis zu meiner Rente noch mal passiert.“ (Sentker/Simmank 2022) Die Kontroversen, zu denen Drosten manchmal beigetragen hat, sind vergessen: „Die Öffentlichkeit hat ein kurzes Gedächtnis. Zum Glück. Ich finde das angenehm. Ein längeres Gedächtnis haben die Menschen, denen ich offenbar geholfen habe. Wenn ich jetzt angesprochen werde, ist das meistens positiv.“ (ebd.)
Auch aus den sozialen Medien hat sich Drosten zurückgezogen: „Das digitale Leben interessiert mich nicht mehr. Ich habe in Twitter seit Monaten gar nicht mehr reingeguckt.“ (ebd.) Und wie informiert er sich? „Ich habe drei Zeitungen abonniert, die lese ich regelmäßig – natürlich online. Ich genieße diesen journalistischen Filter sehr.“ (ebd.)
Quellen:
Bredow, R. v./Hackenbroch, V.: Virologe Drosten über den Kampf gegen Corona: „Ich würde mich tatsächlich gerne korrigieren.“ In: Spiegel Online, 24.06.2022. Abrufbar unter: www.spiegel.de
Bundespressekonferenz: Prof. Dr. Christian Drosten: Virus und Medien – Aufmerksamkeitsökonomie in Krisenzeiten, 13.11.2020. Christian Drosten im Gespräch mit Stephan Detjen und Corinna Buschow. Abrufbar unter: www.youtube.com
Sentker, A./Simmank, J.: Christian Drosten. „Die Lage für das Virus wird prekär“. In: Zeit Online, 23.11.2022. Abrufbar unter: www.zeit.de