Worldcoin als internationale Identifikationsplattform

Iris-Scan und die Probleme mit dem Datenschutz

Sam Altman, maßgeblich an der Entwicklung von ChatGPT beteiligt, schlägt wieder zu. Die von ihm selbst mitgeschaffene Gefahr, dass man zwischen menschlicher Schöpfung und Kreationen künstlicher Intelligenz nicht mehr sicher unterscheiden kann, will er durch eine Mischung aus Kryptowährung und weltweiter Sammlung biometrischer Daten bekämpfen. Jeder, der sich dem Verfahren unterzieht und seine Iris scannen lässt, bekommt quasi als Belohnung Worldcoin-Tokens geschenkt. Kritiker sehen den Datenschutz gefährdet.

Online seit 11.08.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/worldcoin-als-internationale-identifikationsplattform-beitrag-1122/

 

 

Sam Altman, der im Dezember 2022 die Welt durch die Einführung von ChatGPT in Aufregung versetzte, hat am 24. Juli 2023, noch einmal nachgelegt: Die Plattform Worldcoin ging an den Start, an deren Entwicklung er maßgeblich mitgewirkt hat. Worldcoin soll eine globale digitale Währung schaffen, die leicht zugänglich und nutzbar ist.
 

Menschen als Urheber eindeutig identifizierbar

Aufgrund der Fortschritte in der künstlichen Intelligenz (KI) ist es immer schwieriger, zu erkennen, ob hinter Onlinetexten, ‑bildern oder ‑kunstwerken ein echter Mensch steckt oder eine KI. Um diese Verwirrung zu beenden, schlägt das Unternehmen vor, eine Art digitalen Reisepass einzuführen – in Form einer Irisanalyse. „Das Ziel ist einfach: Ein globales Finanz- und Identitätsnetzwerk, das auf dem Nachweis der Persönlichkeit basiert“, schrieb Altman auf Twitter (Altman 24.07.2023). Das sei im Zeitalter der KI besonders wichtig.

Ich bin zuversichtlich, dass Worldcoin einen Beitrag zur Diskussion darüber leisten kann, wie wir den Zugang, die Vorteile und die Verwaltung zukünftiger KI-Systeme teilen.“ (Ebd.)

Interessant ist, dass Altman damit ein Instrument gegen eine Gefahr schaffen will, die er selbst initiiert hat. Nun kann man mithilfe biometrischer Bildgebungsgeräte, der sogenannten Orbs, seine Menschlichkeit feststellen lassen.
 

Worldcoin: was dahinter steckt

„ZEIT ONLINE“ fasst die Hintergrundinformationen so zusammen: „Worldcoin wurde neben Sam Altman von Max Novendstern und Alex Blania gegründet. Die Stiftung ist auf den krypto- und steuerfreundlichen Cayman Islands registriert. Nur aus regulatorischen Gründen, wie es heißt, denn eigentlich sei die Schweiz die erste Wahl gewesen. Die technische Entwicklung übernimmt die Tools for Humanity GmbH (TFH), die in Erlangen ihren Sitz hat, aber primär von Berlin aus arbeitet. CEO ist der deutsche Physiker und Wirtschafts­ingenieur Alex Blania.“ (Kühl 2023)

Das Besondere an Worldcoin ist die Art und Weise, wie die Währung verteilt wird. Worldcoin Foundation plant, jedem Erwachsenen auf der Welt ein Stück Worldcoin gratis zur Verfügung zu stellen. Durch die biometrische Iriserkennung soll sichergestellt werden, dass jeder Mensch die Worldcoin-Tokens nur einmal kostenlos erhält. Das System soll, verglichen mit anderen digitalen Währungen, auch energiesparender werden. Worldcoin verwendet einen Proof-of-Human-Work-Konsensmechanismus: Es wird nicht etwa auf energiesparende Algorithmen für das Mining gesetzt, vielmehr wird die Korrektheit von Transaktionen mittels maschinellen Lernens und KI anhand von Videomaterial verifiziert. Dieser Ansatz soll eine gerechtere Verteilung ermöglichen und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren.

So soll sich eine Art internationale Identifikationsplattform entwickeln, auf der jeder Nutzer seine Identität einmal anhand seiner Iris nachweist, die wohl individueller ist als Fingerabdrücke. Aus dem Iris-Scan wird ein Code (IrisCode) generiert, der immer eindeutig mit dem jeweiligen Nutzer verbunden werden kann, aber nicht mit den persönlichen Daten eines Benutzers verknüpft ist. Er dient ausschließlich dazu, zu verhindern, dass Personen mehr als eine sogenannte World ID, also quasi den globalen digitalen Ausweis, erwerben können. So wären Fälschungen unmöglich. Diese Codes würden in einer dezentralen Blockchain gespeichert. Das Annehmen einer falschen Identität oder Betrug wäre damit nicht mehr möglich – behauptet jedenfalls das Unternehmen. (Vgl. Worldcoin)

Altman verfolgt darüber hinaus die Idee, über diese neue Kryptoplattform für jeden Menschen früher oder später ein bedingungsloses Grundeinkommen zu generieren. Er geht davon aus, dass künstliche Intelligenz mittel- bis langfristig beträchtlich mehr Arbeit als bisher übernehmen wird und dadurch sehr viele Arbeitsplätze verloren gehen werden.
 

Bisher zwei Millionen Nutzer

Bislang hätten sich schon zwei Millionen Menschen angemeldet. Bald sollen Scanvorgänge durch die sogenannten Orbs in weltweit 20 Ländern durchgeführt werden. Interessierte können sich beim Worldcoin-Newsletter anmelden und dort erfahren, wann und wo man sich registrieren kann. Bisher gibt es solche Orbs in Hongkong, Tokio, Singapur, Seoul, Paris, Lissabon, Mexiko-Stadt, São Paulo, Nairobi, New York, San Francisco und etwa 25 weiteren Städten auf der ganzen Welt. Wer über die World ID verfügt und die World App heruntergeladen hat, kann auf seine WLD-Kryptowährungstoken zugreifen. „WLD wurde an Nutzer ausgegeben, die am Beta-Programm teilgenommen haben. Eine große Menge WLD wurde am Montag im Rahmen des offiziellen Starts der Plattform an die Nutzer verteilt. Krypto-Börsen haben WLD zum Handel zugelassen, darunter KuCoin und Binance, die nach Volumen größte Börse der Welt.“ (Curry 2023)

Laut Worldcoin sollen in den nächsten 15 Jahren 10 Mrd. WLD ausgegeben werden. Bisher sind 143 Mio. WLD im Umlauf. Inzwischen gibt es auch viele Kritiker, die befürchten, dass beim Iris-Scan sehr viel mehr Daten erhoben und gespeichert werden, als Worldcoin angibt, und das, ohne eine Genehmigung der Betroffenen einzuholen. In einer Stellungnahme, aus der „Forbes Advisor“ zitiert, hält Worldcoin dagegen: „‚Wir möchten klarstellen, dass Worldcoin kein Datenunternehmen ist und dass unser Geschäftsmodell nicht auf der Ausbeutung oder dem Verkauf von persönlichen Nutzerdaten beruht‘, heißt es. ‚Worldcoin ist nur an der Einzigartigkeit eines Nutzers interessiert, d. h. daran, dass er sich noch nicht bei Worldcoin angemeldet hat, und nicht an seiner Identität.‘“ (Ebd.) Außerdem wird kritisiert, dass Worldcoin vor allem in den armen Ländern Asiens und Afrika die Werbetrommel rührt und damit möglicherweise dort Menschen ausbeutet.
 

Digitale Währungen in Blockchains

Digitale Währungen sind ausschließlich in elektronischer Form verfügbar. Auch bei Banken und Kreditkartenunternehmen dominieren schon lange elektronische Währungen, ebenfalls in den Finanzsystemen der meisten Länder. Der Unterschied zwischen digitaler und elektronischer Währung liegt darin, dass die digitale niemals eine physische Form annimmt: Elektronische Währungkann zum Beispiel am Geldautomaten in Form von Geldscheinen oder im Handel durch Hartgeld verfügbar gemacht werden. Digitale Währungen existieren jedoch vollständig im digitalen Bereich und verlassen niemals ein Computernetzwerk. Sie werden ausschließlich online ausgetauscht.

„Digitale Währungen wie Bitcoin und Ethereum gibt es nur in dezentralisierten Blockchains, die in großen Mengen von auf der ganzen Welt verteilten Einheiten betrieben werden. Diese Einheiten verifizieren jede Transaktion, indem sie sie mit den übrigen Einheiten im System vergleichen. So kontrollieren sie sich gegenseitig und stellen sicher, dass Transaktionen gemäß dem vorherigen Zahlungsverlauf legitim sind.“ (Rodeck/Adams 2023) Diese Struktur begrenzt den Einfluss und die Manipulationsmöglichkeiten einzelner Organisationen, etwa von Unternehmen oder Banken.

Die World App enthält eine Krypto-Wallet, mit der man Kryptowährungen kaufen und gebührenfrei an andere Nutzer überweisen kann. Bislang funktioniert das mit Bitcoin und Ethereum. Dafür muss allerdings erst Geld von einem Konto oder einer Bankkarte in digitale USD Coin umgewandelt werden. Nur, wer seine Iris hat scannen lassen und somit eindeutig identifizierbar ist, erhält 25 WLD quasi als Geschenk. Geplant ist, regelmäßig neue WLD-Token an die verifizierten Nutzer auszuschütten, je nachdem, wie sich der Kurs entwickelt. „In den kommenden 15 Jahren sollen somit 75 Prozent aller nach und nach geschürften WLD an die Community ausgezahlt werden – ‚einfach, weil es sich um einzigartige Menschen handelt‘. Die restlichen 25 Prozent teilen sich auf die Investoren des Projekts, die Entwickler von Tools for Humanity sowie für eine Reserve auf.“ (Kühl 2023)
 

Kenia hat als erstes Land Worldcoin verboten

Inzwischen hat Kenia die Aktivitäten von Worldcoin erst einmal untersagt. „Innenminister Kithure Kindiki erklärte am Mittwoch, die Behörden seien besorgt und untersuchten das Projekt, um den Schutz der Daten zu gewährleisten, die dabei gesammelt werden. […] Die Regierung in Nairobi wolle herausfinden, was Worldcoin mit diesen Daten vorhat, erklärte Kindiki.“ (AFP/Berliner Zeitung 2023)

Worldcoin versprach jedem Kenianer, der sich per Iris-Scan registriert, 25 Worldcoin-Bons im Wert von umgerechnet 41 Euro. In Kenia gilt ein Drittel der Bevölkerung als arm, die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, und so war das Interesse groß, sich zu registrieren.
 

Bundesinnenministerium sieht das Projekt kritisch

Im Bundesministerium des Innern ist man der Meinung, Worldcoin könne nicht mehr als der E‑Perso und kritisiert den technologischen Ansatz: „‚Als lebenslanges Identifizierungsmerkmal sind Retina oder Iris des Auges nicht zielführend, weil sie durch Unfall oder Erkrankung als Authentisierungsmittel unbrauchbar werden können‘, so eine Sprecherin auf Anfrage. Auch die Idee einer ‚World ID‘, die Worldcoin auch Organisationen und Regierungen anbieten will, sieht das Ministerium von Nancy Faeser (SPD) kritisch: ‚Mit der Möglichkeit der pseudonymen Identifizierung mit dem deutschen Personalausweis kann die vom Unternehmen Worldcoin angebotene Garantie der Echtheit einer Person bereits abgebildet werden – ohne die dort bestehenden Risiken.‘“ (Rosenbach/Kleinz 2023)
 

Datenschutzbedenken auch in Frankreich

Auch die französische Datenschutzbehörde CNIL hält das Sammeln und Speichern biometrischer Daten grundsätzlich für „fraglich“. (AFP/Berliner Zeitung 2023) Durch biometrische Daten könnte soziales Verhalten oder eine persönliche Charakteristik erfasst werden, die eine nachteilige Bewertung ermöglichen würde. Das könnte gegen den geplanten AI Act der EU verstoßen, der allerdings noch nicht in Kraft ist: „Ein System, das Menschen ausnutzen oder unterdrücken soll, gehört laut AI-Act in die Kategorie der inakzeptablen Risiken und wäre damit verboten, sobald der AI-Act verabschiedet ist. Ebenso in diese Kategorie gehören Social Scoring-Systeme [sic!], die Menschen aufgrund ihrer Taten und Aussagen bewerten, oder Systeme, die biometrische Daten in Echtzeit auswerten können.“ (Beck 2023)
 

Quellen:

AFP/Berliner Zeitung: Worldcoin: Erstes Land verbietet neue Digitalwährung von OpenAI-Gründer. In: Berliner Zeitung, 02.08.2023. Abrufbar unter: www.berliner-zeitung.de (letzter Zugriff: 08.08.2023)

Altman, S.: Tweet vom 24.07.2023. In: Twitter, 24.07.2023. Abrufbar unter: twitter.com (letzter Zugriff: 08.08.2023). (Deutsche Übersetzungen im Fließtext durch von Gottberg)

Beck, D.: Künstliche Intelligenz. AI-Act: Diese Regeln will die EU für KI einführen. In: SWR Wissen, 13.06.2023. Abrufbar unter: www.swr.de (letzter Zugriff: 08.08.2023)

Curry, B.: Worldcoin (WLD): Die Kryptowährung, die Deinen Augapfel scannt. In: Forbes Advisor, 29.07.2023. Abrufbar unter: www.forbes.com/advisor (letzter Zugriff: 08.08.2023)

Kühl, E.: Worldcoin. Krypto trifft Grundeinkommen. In: ZEIT ONLINE, 25.07.2023. Abrufbar unter: www.zeit.de (letzter Zugriff: 08.08.2023)

Rodeck, D./Adams, M.: Central Bank Digital Currency: The Future Of Your Money. In: Forbes Advisor, 28.07.2023. Abrufbar unter: www.forbes.com/advisor (letzter Zugriff: 08.08.2023). (Deutsche Übersetzungen im Fließtext durch von Gottberg)

Rosenbach, M./Kleinz, T.: Umstrittenes Kryptoprojekt. Bundesinnenministerium zweifelt an Worldcoin-Sicherheit. In: Spiegel Wirtschaft, 04.08.2023. Abrufbar unter: www.spiegel.de/wirtschaft (letzter Zugriff: 08.08.2023)

Worldcoin: A New Identity and Financial Network. In: Worldcoin. Abrufbar unter: whitepaper.worldcoin.org (letzter Zugriff: 08.08.2023)