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Influencer in der Gesundheitskommunikation: Chancen und Risiken
Influencer – altes Konzept in neuer Form?
Auch wenn diejenigen, die als solche betitelt werden, sich oft nicht als solche bezeichnen möchten: In irgendeiner Form ist ein Influencer digitaler Meinungsführer, Vorbild, Role-Model oder Testimonial – je nachdem, welches wissenschaftliche Konzept man heranziehen möchte. Gerade das der Meinungsführerschaft ist auch kein neues. Bereits in den 1940er-Jahren stellten Lazarsfeld u.a. (1960) fest, dass es Personen gibt, die für andere Menschen Orientierung bieten und für diese Meinungsführer darstellen. Auch der Einsatz von Testimonials, mit denen Personen als Markenbotschafter genutzt werden, die über fachliche Inhalte hinaus etwas erzählen oder für etwas stehen, ist keine unbekannte Vorgehensweise (vgl. Hoffmann 2017).
Das, was Influencer von diesen Konzepten unterscheidet, ist im Wesentlichen das Medium: Soziale Medien, auf denen sie aktiv sind, bieten eine Dialogfunktion. Im Gegensatz zu traditionellen Medien können Rezipienten also Kontakt aufnehmen, es ist keine One-Way-Information. Influencer bauen so ihre eigene Community auf, zu der sich Rezipienten zugehörig fühlen. Aber Influencer sind auch Personen aus dem Alltag, also haben ihren Bekanntheitsgrad nicht unbedingt dadurch erreicht, weil sie beispielsweise TV- oder Sportstars sind. Von ihren Followern werden sie meist als authentisch oder etwa als Experten eines bestimmten Bereichs wahrgenommen (vgl. Altendorfer 2019).
Soziale Medien als Ort der Meinungsbildung
Das Internet ist für unsere Meinungsbildung per se unverzichtbar. Es steht an erster Stelle der Medien für die Meinungsbildung in Deutschland. Fernsehen oder Tageszeitungen verlieren vergleichsweise an Relevanz; einzig das Radio bleibt stabil (vgl. Die Medienanstalten 2020). Ergebnisse der EU-Initiative klicksafe zeigen, dass vor allem soziale Medien die Meinungsbildung von Jugendlichen beeinflussen, dass diese teilweise sogar explizit von Influencern gelenkt wird.
klicksafe Youth Panel zum Thema Influencer Idole im Netz
Viele sehen Influencer in der Vorbildrolle und erhoffen sich, dass diese als Wissensvermittler auftreten (vgl. klicksafe 2020). In diesem Zusammenhang ist aber auch zu beachten, dass nicht jede soziale Plattform die gleichen Voraussetzungen bietet: Während auf Instagram der Fokus auf visuellen Inhalten liegt, steht bei YouTube der audiovisuelle Content im Vordergrund, auf Blogs etwa die schriftliche Form. Dementsprechend finden auch die Informationsvermittlung und -aufnahme unterschiedlich statt. Beispielsweise werden YouTube-Videos oft bewusster gesucht und konsumiert als bei Instagram. Dieser Content wird eher nebenbei angesehen – visuelle Inhalte können hier dafür entscheidend sein, ob der dazugehörige Text gelesen wird. Daher ist Instagram beispielsweise weniger geeignet, komplexere Themen zu vermitteln, während YouTube oder auch Blogs eine inhaltliche Tiefe erlauben (z.B. Tutorials, fachlich qualitative Formen, journalistisch) (vgl. Altendorfer 2019; Krisam/Altendorfer 2021).
Gesund ist das neue Erfolgreich – Gesundheit in den sozialen Medien
Gesundheit ist nicht erst seit Corona ein gesellschaftliches Thema, sondern gilt als Megatrend. Forscher gehen davon aus, dass das Gesundheitsverständnis im Allgemeinen holistischer wird (Holistic Health). Hierunter versteht man, dass nicht nur Körper und Geist, sondern auch die Umwelt in den Gesundheitsbegriff eines Individuums mit einbezogen wird (Zukunftsinstitut 2021).
Diese Entwicklung ist in den sozialen Medien seit Jahren sichtbar: Zieht man die Kategorisierung gesundheitsbezogener Inhalte (solche, die Gesundheit oder Krankheit direkt thematisieren) und gesundheitsrelevanter Inhalte (solche, bei denen eine Interpretationsleistung des Rezipienten notwendig ist) heran, zeigt sich bei Influencer-Inhalten eine Tendenz zu Letzterem. Gesundheit wird häufig zum Lifestyle-Thema, beispielsweise mit Fokus auf Ernährung oder Fitness, aber auch mentale Gesundheit spielt eine wichtige Rolle. So zeigen sich Influencer in diesem Kontext etwa beim Sport oder erzählen aus ihrem Leben. Auch Themen wie Körperpflege oder psychische Aspekte sind hier Beispiele. Auffällig ist insbesondere die psychologische und positive Prägung der Inhalte. Schwerpunkte sind häufig das eigene Wohlbefinden, Selbstliebe oder der Gedanke, das zu tun, was einen glücklich macht (vgl. Altendorfer 2019).
Aber auch bei gesundheitsbezogenen Inhalten findet sich eine derartige positive Prägung im Sinne von Prävention und gesunder Lebensführung. Beispielsweise berichten Influencer über ihre eigene Krankheit und stellen für ihre Follower Experten und Ansprechpartner dar, wie beispielsweise chronischfabelhaft zum Thema „MS“ oder lisa.betes über Diabetes Typ 1. Andere geben neben privaten Themen Einblicke in ihre Arbeit als Mediziner (z.B. Fitmedmary, doktorweigl, 5_sprechwunsch) und vermitteln in diesem Zusammenhang gesundheitsbezogene Informationen.
Influencer-Inhalte wirken motivierend, inspirierend und bieten Identifikation
Um die besondere Wirkung von Influencer-Inhalten im Hinblick auf Gesundheit zu verstehen, sind vor allem eine authentische Wahrnehmung und der Aspekt, dass der Influencer theoretisch der eigene Nachbar von nebenan sein könnte, wichtig. Genau dies macht Influencer für die Gesundheitskommunikation hinsichtlich einer Kommunikation auf Augenhöhe interessant. Howe und Monin (2017) fanden beispielsweise heraus, dass Vorbilder nicht zu perfekt wirken dürfen. Legen Experten ein sehr vorbildliches Verhalten an den Tag, können Menschen befürchten, abgewertet zu werden. Ärzte, die als sehr fitnessaffin wirken, werden von übergewichtigen Menschen aus Angst, negativ beurteilt zu werden, gemieden.
Grundlegend lassen sich drei Bereiche identifizieren, in denen Wirkungen auf die Gesundheit durch Influencer-Inhalte festzustellen sind.
- Motivation: Hier spielt vor allem der Vorbildcharakter des Influencers eine Rolle, z.B. wenn es darum geht, Ziele zu erreichen.
- Inspiration: Inhalte werden von Rezipienten schön oder ansprechend empfunden, wobei dies inspirierend wirken und helfen kann, Ideen, Aktivitäten oder Produkte zu entdecken oder auszuprobieren.
- Identifikation: Identifikationsmöglichkeiten bieten sich etwa beim Sport („Das mache ich auch“) oder im Krankheitsfall („Es geht mir genauso“).
Einflüsse auf Verhalten, Meinungen und Einstellungen zeigen sich auf thematischer Ebene hinsichtlich „Wohlbefinden und Lifestyle“. Hier geht es etwa um Anregungen, Gewohnheiten zu ändern oder bewusster zu leben. Im Hinblick auf „Sport und Fitness“ spielt neben Motivation auch häufig eine Bewunderung für den Influencer eine Rolle – beispielsweise für dessen Einstellung oder Ehrgeiz. Anregungen, selbst zu kochen oder frische Zutaten zu verwenden, finden sich im Themenbereich „Ernährung“. Auch „Beauty“ und „Körperpflege“ sind Themen, die im Kontext von Gesundheit häufig angesprochen werden. Hier sind vor allem das äußere Erscheinungsbild oder Aspekte wie Selbstachtung maßgeblich (vgl. Altendorfer 2019). In diesem Bereich hat sich inzwischen der Begriff „Skinfluencer“ eingebürgert – hierunter fallen insbesondere Beauty-Blogger, die nicht selten auch eigene Produkte auf den Markt bringen (Gassmann 2021).
Dass der Konsum von Influencer-Inhalten dabei Auswirkungen auf das mentale Wohlbefinden hat, zeigen mittlerweile viele Studien. Vor allem junge Frauen scheinen sich insbesondere von sexualisierten oder ästhetischen Bildern auf Instagram beeinflussen zu lassen. Diese stehen in einem Zusammenhang mit der eigenen Körperzufriedenheit und etwa dem Wunsch, eine Schönheitsoperation vornehmen zu lassen (vgl. Guizzo/Canale/Fasoli 2021). Weitere Ergebnisse zeigen, dass Influencerinnen für Mädchen eine nachweisbare Vorbildfunktion für die eigene Selbstinszenierung haben. So versuchen sie, deren Posts nachzustellen. Dabei setzen sie Filter und andere Hilfsmittel ein, um diese spontan und natürlich wirken zu lassen (vgl. Götz 2019).
ChronischFabelhaft: Was ist Toxische Positivität?
Gesundheitslaien versus -experten und die Frage der Qualität
Gesundheitsbezogene oder -relevante Inhalte können sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Insbesondere das Thema „Qualität von Informationen“ steht dabei im Mittelpunkt. Liegen hier Mängel oder Fehlinformationen vor, kann das zu Ängsten, Panik, Verwirrungen oder Schuldgefühlen führen, Hypochondrie oder Krankheitsgefühle hervorrufen. Behandlungsabbrüche, die Inanspruchnahme von (gegebenenfalls unangemessenen) Therapien, Stigmatisierung oder Diskriminierung bestimmter Gruppen sind weitere mögliche Folgen (vgl. Reifegerste/Baumann 2018). Insbesondere gesundheits- und fitnessbezogene Inhalte in sozialen Medien können neben der motivierenden Wirkung auch zu negativen Gefühlen wie Scham oder einem negativen Körperbild führen (vgl. Carrotte/Vella/Lim 2015).
Das Dilemma besteht insbesondere darin, dass es für Nutzer in sozialen Medien sehr schwierig ist, qualitativ hochwertige Inhalte zu erkennen. Selten können besonders bei Influencern bekannte Qualitätskriterien wie etwa Objektivität, Vollständigkeit oder Transparenz herangezogen werden – allein schon deshalb, weil diese Inhalte aus subjektiver Sicht produzieren und/oder kein Anspruch auf solche Kriterien besteht. Hinzu kommt, dass Follower eigene Qualitätskriterien heranziehen, wenn es darum geht, Influencer-Inhalte zu bewerten: etwa die Einfachheit bzw. ein schnelles Verstehen sowie die Ästhetik und Persönlichkeit des Influencers (vgl. Altendorfer 2019). Auch die große Heterogenität der Kommunikatoren führt dazu, dass eine Einordnung schwierig wird: Neben Laien tummeln sich professionelle Gesundheitsakteure auf den sozialen Plattformen und geben Informationen preis (vgl. Reifegerste/Baumann 2018).
Nicht zu vernachlässigen und letztlich auch eine ethische Frage ist der monetäre Aspekt. Werden Gesundheitsinformationen im Rahmen einer bezahlten Kooperation veröffentlicht, so ist zu klären, ob es sich tatsächlich um die subjektive Meinung des Influencers oder um vorgegebenen Content handelt. Noch immer ist das Thema „Werbung“ im Zusammenhang mit Influencern kritisch, wenngleich auch inzwischen klar sein sollte, dass werbliche Beiträge klar gekennzeichnet werden müssen (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen/Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz 2021). Dazu kommt, dass Influencer-Werbung – wenn sie im Rahmen ist – bei Rezipienten als nicht störend empfunden wird. Das führt dazu, dass sie diese Inhalte weniger reflektieren, ganz gemäß dem Motto: „Wenn das der Influencer, also das eigene Vorbild, so macht, dann muss es gut sein.“ (Altendorfer 2019) Gerade die suggerierte Perfektion auf Fotos wird beispielsweise für den Verkauf von Sportkleidung oder Nahrungsergänzungsmitteln genutzt, indem die Botschaft gesendet wird, man könne das abgebildete Schönheitsideal damit erreichen (Pilgrim/Bohnet-Joschko 2021).
Fazit
Influencer stehen im Spannungsfeld zwischen Qualität, Ethik und einer zunehmenden Professionalisierung. Auf der einen Seite müssen sie passenden Content produzieren, der bei den eigenen Followern ankommt – die Grundlage des eigenen Erfolgs und der Möglichkeit, von der Tätigkeit zu leben. Eine große Reichweite ist meist Voraussetzung attraktiver Kooperationen. Auf der anderen Seite fehlen häufig aber noch Qualitätsstandards oder einheitliche Leitlinien, die den wachsenden Markt reglementieren – mit Blick auf das Thema „Gesundheit“ ein Risiko. Gleichzeitig bieten sich aber auch viele Potenziale, insbesondere hinsichtlich Gesundheitsförderung, Motivation oder Inspiration. Dennoch muss die Frage der Verantwortung gestellt werden, wenn Laien Gesundheitsinformationen an eine große Community verbreiten, wissentlich, dass diese ihnen hohes Vertrauen schenkt und sie als Vorbild sieht. Kritisch und mit Risiken behaftet ist in diesem Zusammenhang auch der teils unreflektierte Konsum, besonders bei jüngeren Followern. Eine große Rolle nimmt hier die – meist sehr ästhetische und perfekte – Inszenierung auf Bildern ein, die vor allem auf Instagram im Vordergrund steht.
Literatur:
Altendorfer, L.-M.: Influencer in der digitalen Gesundheitskommunikation. Instagramer, YouTuber und Co. zwischen Qualität, Ethik und Professionalisierung. Baden-Baden 2019
Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) (Hrsg.): Umfrage Influencer Marketing in Unternehmen. Berlin 2021. Abrufbar unter: https://www.bvdw.org (letzter Zugriff: 29.08.2021)
Carrotte, E. R./Vella, A. M./Lim, M. S. C.: Predictors of „Liking“ Three Types of Health and Fitness-Related Content on Social Media: A Cross-Sectional Study. In: Journal of Medical Internet Research, 8/2015/17, 21.08.2015
Die Medienanstalten (Hrsg.): Mediengewichtungsstudie 2020-II. Gewichtungsstudie zur Relevanz der Medien für die Meinungsbildung in Deutschland. Berlin 2020. Abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten.de (letzter Zugriff: 10.09.2021)
Gassmann, M.: Wie sich „Skinfluencer“ mit Jojoba-Öl und Hyaluron eine goldene Nase verdienen. In: Welt.de, 30.01.2021. Abrufbar unter: https://www.welt.de (letzter Zugriff: 29.08.2021)
Götz, M.: Die Selbstinszenierung von Influencerinnen auf Instagram und ihre Bedeutung für Mädchen. Zusammenfassung der Ergebnisse einer Studienreihe. In: Televizion, 1/2019/32, S. 25 – 28
Google Trends: Influencer. In: trends.google.de, 2021. Abrufbar unter: https://trends. google.de (letzter Zugriff: 21.08.2021)
Guizzo, F./Canale, N./Fasoli, F.: Instagram Sexualization: When posts make you feel dissatisfied and wanting to change your body. In: Body Image, 39/2021, S. 62 – 67
Hoffmann, K.: Lotsen in der Informationsflut. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien mit starken Markenbotschaftern aus dem Unternehmen. Freiburg 2017
Howe, L. C./Monin, B.: Healthier than thou? „Practicing what you preach“ backfires by increasing anticipated devaluation. In: Journal of Personality and Social Psychology, 5/2017/112, S. 718 – 735
Klicksafe: „Idole im Netz. Influencer & Meinungsmacht“. In: klicksafe.de: Safer Internet Day 11. Februar 2020. Abrufbar unter: https://www.klicksafe.de (letzter Zugriff: 10.09.2021)
Krisam, M./Altendorfer, L.-M.: Influencer-Marketing im Gesundheitswesen: Eine Übersicht. In: Das Gesundheitswesen 2021. Abrufbar unter: doi: 10.1055/a-1377-6478 (letzter Zugriff: 10.09.2021)
Lazarsfeld, P. F./Berelson, B./Gaudet, H.: The People’s Choice. How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign. New York 19605
Pilgrim, K./Bohnet-Joschko, S.: Influencer und das Problem mit dem Sixpack. Merkmale gesundheitsbezogener Bildsprache auf Instagram. In: Prävention und Gesundheitsförderung, 16.04.2021. Abrufbar unter: https://link.springer.com (letzter Zugriff: 10.09.2021)
Reifegerste, D./Baumann, E.: Suche von Gesundheitsinformationen im Internet. In: V. Scherenberg/J. Pundt (Hrsg.): Digitale Gesundheitskommunikation. Zwischen Meinungsbildung und Manipulation. Bremen 2018, S. 45 – 60
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen/Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz: Influencer:in oder nicht? Wann ein Beitrag in Social Media Werbung ist. In: Verbraucherzentrale. de, 09.09.2021. Abrufbar unter: https://www.verbraucherzentrale.de (letzter Zugriff: 29.08.2021)
Zukunftsinstitut: Megatrend Gesundheit. In: Zukunftsinstitut.de, 2021. Abrufbar unter: https://www.zukunftsinstitut.de (letzter Zugriff: 29.08.2021)