Zwischen Spiel und Story

Mimetische Strukturen im Computerspiel

Moritz Hillmayer

Bielefeld 2022: transcript
Rezensent/-in: Lothar Mikos

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 4/2023 (Ausgabe 106), S. 76-76

Vollständiger Beitrag als:

Mimetische Strukturen im Computerspiel

Moritz Hillmayer befasst sich in seiner Dissertation mit mimetischen Strukturen im Computerspiel, die er anhand von sieben Fallbeispielen (Hitman, Metal Gear Solid, Skyrim, Assassin’s Creed, Grand Theft Auto, Red Dead Redemption und Hellblade) untersucht. Zuvor stellt er jedoch klar, was er unter Mimesis versteht, denn der Begriff scheint im „Strudel der Bedeutungen“ zu verschwinden (S. 18). Der Autor zeichnet die Begriffsgeschichte nach, von vorplatonischer Zeit über Platon und Aristoteles bis hin zur Neuzeit. So geht es bei Aristoteles nicht um bloße Nachahmung der Natur, sondern um die Verschönerung, die Ästhetisierung. Mit der Neuzeit zieht das Verständnis ein, „dass Mimesis kein Zustand eines Werkes ist, sondern ein Prozess, sie [die Autoren der Zeit, Anm. d. Red.] zeigen die Abhängigkeit des mimetischen Vorgangs von der Herangehensweise der Rezipierenden“ (S. 25). So unterschiedlich die Definitionen über die Jahrhunderte sind, schält der Autor vier Charakteristika von Mimesis heraus, die für seine anschließende Analyse der Computerspiele bedeutsam sind: 1) Mimesis beschreibt das Verhältnis der Gleichheit von zwei Entitäten. 2) Für die Analyse ist die Identifikation von Referenzpunkten zentral. 3) Mimesis bedeutet jedoch nicht Gleichheit, sondern Differenz. 4) Mimesis ist ein dynamischer Prozess (vgl. S. 28).

Daraus ergibt sich für die Analyse der sieben Computerspiele, dass jeweils eine Eigenschaft der Mimesis im Mittelpunkt steht: von der ästhetischen Grundbedeutung über die Wahrnehmung der Spielenden als mimetischen Prozess, die Mimesis als medialen Prozess, die kommunikativen Verhältnisse zwischen Spielenden, Spiel und Realität, Glaubwürdigkeit und Authentizität von Computerspielen, Immersion und Involvierung bis hin zur Betrachtung der „inneren Mimesis“ (S. 224). Letztere gelingt besonders dann, wenn Grenzen zwischen der Spielwelt und der Erzählwelt überwunden bzw. in der Schwebe gehalten werden. Dann zeigt sich: „Mimesis ist mediale Aktivität, Medium ist festgeschriebene Mimesis“ (S. 251). Die analysierten Eigenschaften der mimetischen Strukturen „durchziehen das Computerspiel als Netz aus Gleichheiten und Differenzen, das, geschickt aufgespannt, als Träger für bedeutsame Elemente dienen kann“ (S. 256). Sie fördern nicht nur die Interpretationen, sondern auch das Spiel an sich. Das Buch bietet einen tiefen Einblick in die verschiedenen nicht nur mimetischen Strukturen von Computerspielen.

Prof. i. R. Dr. Lothar Mikos