Das neue Jugendschutzgesetz

Murad Erdemir

Baden-Baden 2021: Nomos Verlagsgesellschaft
Rezensent/-in: Reinhard Bestgen

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 2/2022 (Ausgabe 100), S. 89-89

Vollständiger Beitrag als:

Handbuch zum neuen Jugendschutzgesetz

Das Ende 2021 erschienene Handbuch erläutert äußerst sachkundig die Bestimmungen des am 1. Mai 2021 in Kraft getretenen Zweiten Jugendschutzänderungsgesetzes. Das Handbuch befindet sich auf dem Stand vom Juli 2021. Mit diesem von den Verfassern als „neues Jugendschutzgesetz“ bezeichneten Änderungsgesetz wird der gesetzliche Kinder- und Jugendmedienschutz – nach Auffassung des Herausgebers und Mitautors Prof. Dr. Erdemir in kompetenzrechtlich fragwürdiger Weise (Erdemir sieht in dem Regelungsfeld des Änderungsgesetzes eher ein kompetenzrechtlich den Ländern zustehendes Terrain) – in das digitale Zeitalter versetzt.

Der Herausgeber und das Autorenteam sind ausgewiesene Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des Jugendschutzrechts. Hervorzuheben ist dabei der Herausgeber und Mitautor Prof. Dr. Murad Erdemir. Er ist Justiziar und stellvertretender Direktor der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien in Kassel, Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen sowie Dozent für Jugendmedienschutzrecht im Masterstudiengang Medienrecht am Mainzer Medieninstitut.

Das Änderungsgesetz adressiert die neuen Risiken im Netz und verwendet hierfür erste Elemente eines Risikomanagements. Für Video-Sharing-Plattformanbieter und Betreiber sozialer Netzwerke sieht das Gesetz die Verpflichtung zum Vorhalten von Vorsorgemaßnahmen vor: Hierzu zählen u. a. die Bereitstellung eines Melde- und Abhilfeverfahrens, die Bereitstellung eines Einstufungssystems für nutzergenerierte audiovisuelle Inhalte sowie die Einrichtung von Voreinstellungen, die Nutzungsrechte für Minderjährige begrenzen. Die Aufsicht wird durch die neue Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) wahrgenommen, zu der die ehemalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) umstrukturiert wurde. Sie soll zunächst in einem dialogischen Aufsichtsverfahren auf eine Verbesserung der Angebote hinwirken. Bleibt dieser Ansatz erfolglos, wird die Bundesoberbehörde ermächtigt, die angemessenen Vorsorgemaßnahmen anzuordnen und durchzusetzen. Kommt ein Anbieter seiner Verpflichtung nicht nach, kann ihm ein Bußgeld von bis zu 50 Mio. Euro drohen.

Die Fragen, die das neue Jugendschutzgesetz aufwirft, sind vielfältig. Zum einen wird mit der BzKJ eine neue staatliche Aufsichtsstruktur eingeführt, ohne dass die Befugnisse der verschiedenen Institutionen des Jugendmedienschutzes klar voneinander abgegrenzt sind. Dies führt neben einer Verstaatlichung des Jugendmedienschutzes zum Aufbau von Doppelstrukturen und unklaren Zuständigkeiten im Bereich der Onlinemedien, wovon neben den staatsfern organisierten Landesmedienanstalten und ihrer Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) auch die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle betroffen sind.

Das Handbuch stellt die maßgeblichen Neuregelungen des Jugendschutzgesetzes übersichtlich dar. Das Werk zeigt alle wichtigen juristischen Streitpunkte auf und bietet konkrete Lösungsmöglichkeiten für den Umgang mit dem neuen Recht an. Es richtet sich insbesondere an Gewerbetreibende und Anbieter sowie an Anwender und Entscheider in den Institutionen des Jugendmedienschutzes (vor allem KJM, Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft [FSK], FSK.online, Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle [USK], USK.online, Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter [FSM] und Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen [FSF]), wird aber auch Jugendbehörden und Jugendministerien sowie Eltern und Erziehenden ein wertvoller Ratgeber sein. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Justiziarinnen und Justiziare sowie Jugendschutzbeauftragte werden bei der Beratung von allgemeinen Telemedienanbietern, Anbietern von Video-Sharing-Plattformen und Betreibern sozialer Netzwerke ebenfalls von dem Buch profitieren.

Das Werk wird allen Anwenderinnen und Anwendern des neuen Rechts eine schnelle und zuverlässige Handreichung sein. Es verzichtet auf eine detaillierte Darstellung theoretischer Streitfragen mittels umfangreicher Fußnotenapparate ebenso wie auf eine apodiktische Sprache. Sämtliche Beiträge werden erkennbar von der Intention getragen, klare Angebote für eine praxisnahe und verfassungskonforme Anwendung des neuen Rechts zu machen. Hierbei wird ein deutlicher Fokus auch auf diejenigen Instrumentarien des Medienrechts gelegt, die bereits aus dem „alten“ Jugendschutzrecht bekannt sind.

Hilfreich für die Benutzung des Handbuches sind – neben dem Inhaltsverzeichnis – ein Stichwortverzeichnis und eine synoptische Gegenüberstellung des bisherigen Jugendschutzgesetzes mit dem im Handbuch erläuterten aktuellen Jugendschutzänderungsgesetz.

Dr. Reinhard Bestgen