30 Jahre World Wide Web

Selten hat eine technische Erfindung die Welt so schnell völlig verändert. Was Bertold Brecht 1930 in seiner Radiotheorie als einen aus damaliger Sicht vollkommen irrealen Wunsch formulierte, nämlich, dass neben den Radiomachern jedermann in der Lage sein sollte, sich über einen Gegenkanal medial zu artikulieren, ist mit dem Internet heute möglich geworden, sogar mit Bildern oder Videos. Dass Brecht mit dem Ergebnis zufrieden wäre, ist eher unwahrscheinlich: Am 30. April 2023 feierte das World Wide Web seinen 30. Geburtstag.

Online seit 10.05.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/30-jahre-world-wide-web-beitrag-1122/

 

 

Die Entwicklung des World Wide Web begann eher langsam. 1969 wurden von der staatlichen Forschungseinrichtung ARPA (Advanced Research Projects Agency) in den USA erstmals vier Rechner vernetzt. Auch in anderen Ländern entstanden solche lokalen Mini-Netzwerke. 1972 kam man auf die Idee, elektronische Nachrichten über solche lokalen Netzwerke zwischen Computern hin und her zu schicken: die ersten E‑Mails.
 

Entwicklung am CERN in Zürich

Der Computerspezialist Vinton Cerf und der Mathematiker Robert Kern entwickelten mit dem Transmission Control Protocol (TCP) die Möglichkeit, diese kleinen lokalen Netzwerke miteinander zu verbinden. In den USA wurden zuerst verschiedene Institutionen, vor allem Universitäten, auf diese Weise vernetzt. Dieses erste Internet stand nur wenigen staatlichen Institutionen zur Verfügung und war vor allem für den Austausch wissenschaftlicher Daten gedacht. Und es war in keiner Weise kommerziell.

Am CERN-Forschungsinstitut in der Schweiz entwickelte Timothy Berners-Lee ein Programm zum Suchen und Finden von Dateien zwischen mehreren Rechnern. Er nannte es „World Wide Web“ (WWW), es ist heute noch die Grundlage für das Funktionieren der Links im Internet: Über die WWW-Adresse kann man auf Daten zugreifen, die irgendwo auf der Welt auf einem Server oder Rechner gespeichert sind. Das WWW stellte er am 30. April 1989 am CERN in Zürich vor: Das gilt als eine der Geburtsstunden des World Wide Web. 1990 und 1991 gab die National Science Foundation in den USA das Internet zur kommerziellen Nutzung frei. 1991 veröffentlichte Timothy Berners-Lee die Hypertext Markup Language (HTML), die noch heute zur Programmierung von verlinkbaren Webseiten im Einsatz ist.

Nun begannen vor allem Unternehmen, Websites zu bauen. Diese Vielzahl von Websites ist die Grundlage für das, was wir heute als Internet wahrnehmen. Bald waren es so viele, dass man nur noch zufällig das fand, was man tatsächlich suchte. Das war bereits 1992 der Grund, Veronika zu entwickeln. Diese erste Suchmaschine recherchierte auf allen Websites nach bestimmten Begriffen. 1993 gab es dann den ersten Webbrowser, also eine spezielle grafische Oberfläche zum Durchsuchen von Websites. Er hieß Mosaic, wurde aber schon 1994 erst vom Netscape Navigator und kurz danach von Microsofts Internet Explorer abgelöst.
 

Vor 30 Jahren: Das WWW geht online und wird jedermann zugänglich

Was bis dahin einem begrenzten Nutzerkreis vorbehalten war, wurde am 30. April 1993 für die Allgemeinheit freigegeben: „Vor 30 Jahren, am 30. April 1993, stellte das Europäische Kernforschungszentrum CERN den Programmcode des World Wide Web (WWW) der Öffentlichkeit zu Verfügung und begründete damit einen beispiellosen Siegeslauf der Web-Technologie. Als Geburtstag des Webs gilt aber auch der 6. August 1991, der Tag, an dem das Webkonzept in einer Gruppe im Usenet veröffentlicht wurde. Oder die Tage um das Weihnachtsfest 1990 herum, als der erste Webserver online ging.“ (dpa 2023)

Nun beschleunigte sich die Weiterentwicklung des WWW. Von 1994 bis 1998 wächst die Zahl der mit dem Internet verbundenen Rechner von zwei auf 36 Millionen. Die Stanford-Absolventen und Entwickler Larry Page und Sergey Brin bauen nun die bisher erfolgreichste Suchmaschine: Google. Es folgen im Jahr 2001 Wikipedia, ein umfangreiches und für jedermann kostenlos nutzbares Lexikon, das in seiner Fülle an Informationen alle bisher bekannten Lexika in den Schatten stellt. Der Harvard-Student Mark Zuckerberg entwickelte 2004 zusammen mit seinen Kommilitonen Facebook als erstes soziales Netzwerk. Seit Februar 2005 gibt es die Video-Plattform YouTube, 2006 folgte der Kurznachrichtendienst Twitter.

Mit dem Aufkommen der Mobiltelefone verlagerte sich die Nutzung des Internets allmählich vom stationären Rechner bzw. Laptop auf das Mobilgerät. Am Anfang benötigte man dazu noch ein Modem, das – ähnlich wie beim Faxgerät – die Webseiten in Töne verwandelte, die vom Gegenüber dann wiederum in Texte oder Bilder umgesetzt wurden. Da die Bildschirme allerdings sehr klein waren, hielt sich der Ansturm auf die mobile Internetnutzung in Grenzen.
 

Heute überwiegend Nutzung über das Smartphone

Das änderte sich 2007 schnell mit dem Siegeszug des Smartphones, 2007 kam das erste iPhone auf den Markt. Das ganze Gerät war nun ein Bildschirm, der gleichzeitig als Touchscreen diente, um das Gerät zu bedienen. Bald konnte man über Apps mit einem Klick auf populäre Webinhalte gelangen (Schulze 2018). Die Folge: Das Smartphone ist überall dabei, es ersetzt das Telefon, die Briefpost, die Musiksammlung, man kann damit einkaufen, Filme schauen und vieles mehr. In den sozialen Netzwerken kann man mit Menschen rund um den Globus kommunizieren.

Die Kommunikation mit Menschen in anderen Kontinenten ist durch diese Entwicklung nicht mehr von finanziellen Ressourcen abhängig. Über die sozialen Netzwerke kann man Menschen überall auf der Welt kontaktieren und sich ohne zusätzliche Kosten mit ihnen austauschen, was zuzeiten des Telefons kaum möglich und sehr teuer war. Das Informationsangebot im Netz ist immer aktuell und den Interessenten jederzeit kostenlos zugänglich. Die Spaltung der Bildungs- und Kommunikationschancen hängt immer weniger von den finanziellen Ressourcen der Menschen ab. Allerdings: Überwunden ist die Spaltung dadurch nicht, denn die informationsorientierte Nutzung des Netzes hängt stark mit dem eigenen Bildungsniveau zusammen: „Die Hoffnung auf eine technische Lösung von gesellschaftlichen Spaltungen erfüllt sich meist nicht. Was in der Gesellschaft falsch läuft, das läuft auch im Netz falsch. Das wird vermutlich auch für die KI gelten“, sagt Martin Emmer, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität Berlin (Koester 2023).

Das Smartphone hat diesen Trend noch erheblich verstärkt: Unsere Möglichkeiten, zu empfangen und zu senden, sind in kurzer Zeit explodiert – eine Revolution, die Ort und Zeit zusammenführt und inzwischen weit mehr verändert als die Erfindung des Buchdrucks. „Die jüngere Generation (unter 40 Jahren), die sogenannten Digital Natives, ist mit Spitzenwerten von 86 Stunden in der Woche (täglich rund 12 Stunden) so gut wie immer online. Sie ist mit dem Internet aufgewachsen, und die Nutzung von Smartphone-Apps beispielsweise für Bankgeschäfte, Navigation oder das Buchen von Tickets ist für sie eine Selbstverständlichkeit. – Während die Bedeutung des Smartphones altersübergreifend steigt, nimmt die Nutzung stationärer Rechner weiter ab: 84 % der Befragten sind regelmäßig mit dem Smartphone online, aber nur 52 % nutzen den stationären Rechner, um ins Internet zu gelangen.“ (Gottberg 2022).
 

Extrem schnelle Entwicklung digitaler Innovationen

Beängstigend ist die Geschwindigkeit, in der sich das Internet verändert und in kürzester Zeit immer wieder vollkommen neue Möglichkeiten bietet. Seitdem im November 2022 die Firma OpenAI ChatGPT vorgestellt hat, ist noch eine neue Dimension der Datensammlung und der intelligenten Datenzusammenführung deutlich geworden. „‚Was alles in KI investiert wird, hat ganz andere Dimensionen als die Website: Es sind gigantische Serverfarmen und Rechenzentren‘, betont Martin Emmer. Damit kommerzialisiere sich das Netz weiter, fürchtet er. ‚Mittlerweile hat diese Plattformisierung wesentliche Teile des Internets quasi in Firmen-Vorgärten hinüber gezogen. Das ist ein Problem, weil viele der Dinge, die gesellschaftlich passieren, nur noch schwer beobachtbar sind.‘“ (Koester 2023).

Zum Geburtstag des World Wide Web hat das ZDF am 30. April ein nahezu echt wirkendes Interview mit Jenny geführt, ein Produkt der künstlichen Intelligenz. Sie selbst beschreibt sich so: „Als künstliche Intelligenz habe ich keine Emotionen oder Gefühle, daher beeinflusst es mich nicht persönlich, wenn Menschen Angst vor mir haben oder mich als Berühmtheit betrachten. Ich wurde entwickelt, um Fragen zu beantworten und eine Hilfe für diejenigen zu sein, die meine Unterstützung benötigen. Es ist wichtig zu betonen, dass ich kein selbstbewusstes Wesen bin.“ (ZDF 2023) Gleichzeitig schlägt Jenny Regulierungsmaßnahmen vor: „Ich verstehe, dass der Einsatz von KI-Technologien, die in der Lage sind, menschenähnliche Interaktionen zu simulieren, eine gewisse Herausforderung darstellen kann, da es schwierig sein kann, zwischen einer menschlichen und einer maschinellen Interaktion zu unterscheiden. Es ist wichtig, dass wir uns der Möglichkeiten und Grenzen von Künstlicher Intelligenz bewusst sind und dass wir sicherstellen, dass sie auf verantwortungsvolle und ethische Weise eingesetzt werden. Dies kann durch die Implementierung von Standards und Richtlinien für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen sowie durch die Einbeziehung von menschlicher Überwachung und Aufsicht erfolgen.“ (Ebd.)

Quellen:

dpa/FAZ: 30 Jahre World Wider Web:Eine revolutionäre Idee feiert Jubiläum. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.04.2023. Abrufbar unter: www.faz.net

Gottberg, J. v.:Mobile Internetnutzung nimmt rasant zu. Postbank Digitalstudie 2022. In: mediendiskurs online, 24.08.2022. Abrufbar unter: mediendiskurs.online

Koester. E.:Digitale Revolution eines Massenmediums. Happy Birthday, World Wide Web!In: Tagesspiegel, 24.04.2023. Abrufbar unter: www.tagesspiegel.de

Schulze, P.:Seit wann gibt es Internet? Eine kurze Geschichte des WWW. In: Turn on. Das Saturn Magazin, 20.04.2018. Abrufbar unter: www.turn-on.de

ZDF: heute journal vom 30. April /2023. Abrufbar unter: www.zdf.de