Absurder Spaß, tiefgründige Themen

Die Comedy-Serie „Meme Girls“

Vincent Abert

Vincent Abert studierte Film- und Medienwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und arbeitet als freiberuflicher Producer und Redakteur für Projekte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Deutschen Welle (DW).

Programm Meme Girls
 Komödie, D 2023
SenderRTL+, ab 22.06.2023

Online seit 22.06.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/absurder-spass-tiefgruendige-themen-beitrag-1124/

 

 

Meme Girls ist eine sechsteilige Teenager-Serie mit schrägem, knalligem Humor, die sich mit aktuellen relevanten Jugendthemen wie mentaler Gesundheit, sexueller Selbstbestimmung und Mobbing auseinandersetzt. Unter der Regie von Benjamin Gutsche präsentiert sich das junge Darstellerinnen-Ensemble in Bestform, allen voran Hauptdarstellerin Josie Hermer.
 

Liv (Josie Hermer) in Meme Girls (Foto: RTL/Hardy Spitz)


 

Liv ist eine erfolgreiche Influencerin auf TikTok. Ihr größtes Interesse: täglich neuen Content produzieren und Klicks generieren. Für Schule und Hausaufgaben bleibt wenig Zeit, weshalb ihr Vater ihr ein Handyverbot erteilt, bis sich ihre Noten verbessern. Zu allem Überdruss muss Liv auch noch die Privatschule verlassen und geht fortan auf eine ordinäre Gesamtschule. Doch Liv ist weit davon entfernt, sich mit ihrer Social-Media-Sucht auseinanderzusetzen. Ganz im Gegenteil, sie schließt einen Deal mit der unscheinbaren Streberin Mila. Mila ist in Noah verliebt, aber zu schüchtern, um mit ihm zu flirten. Der Deal lautet: Liv hilft Mila mit Styling und Dating-Tipps, während Mila Livs Hausaufgaben erledigt.

Der Humor der Serie ist unverblümt und direkt. Wenn Mila ihren Schwarm zum Flirten in den Whirlpool lockt und daraufhin ihre Bikinihose von einer Saugdüse eingesaugt wird, erinnert das auf den ersten Blick an den infantilen Humor von Fack ju Göthe oder American Pie. Comichafte Animationen, die immer wieder eingespielt werden, geben der Serie eine schrille und moderne Ästhetik. So erscheint ein riesiges 3D-Kackhaufen-Emoji im Hintergrund, während die Mädels nach einer gelungenen Racheaktion lässig und in Zeitlupe auf die Kamera zulaufen. Doch schafft es Meme Girls trotz des absurden Humors immer wieder, eine gewisse Ernsthaftigkeit einzubringen. Wenn Liv zum Klassenfoto komplett overstyled in einem weißen engen Anzug und Engelsflügeln erscheint und dann während des Klassenfotos ihre Periodenblutung einsetzt, ist das absurd und lustig, aber auch verdammt hart. Im darauf folgenden Plot solidarisiert sich die Clique mit Liv, so dass sie ihre Menstruationsscham ablegen kann und wieder selbstbewusst in die Schule kommen kann. Hier ist die Serie auf besondere Art und Weise echt, empowernd und aufklärend.
 

Meme Girls:  Vanessa (Luna Kuse, l.), Mila (Saron Degineh, 2. v. l.), Alma (Fine Sendel, 3. v. l.), Liv (Josie Hermer, M.), Selina (Kayla Shyx, 3. v. r.). Foto: RTL / Hardy Spitz


 

Das Tempo der 25-minütigen Einzelepisoden ist hoch. Verstrickungen, unerwartete Wendungen und absurde Szenen gibt es zuhauf. Auf den ersten Blick wirken die Hauptcharaktere eindimensional, fast schon holzschnittartig. So haben wir Mila, die unscheinbare, schüchterne Streberin, Alma, die passiv-aggressive und notorisch gestresste junge Mutter oder eben Liv, die selbstbezogene und oberflächliche Influencerin. Doch das Autor:innen-Team um Gesa Scheibner und Jonas Zimmermann verleiht dem Ensemble ziemlich schnell viel Tiefe. Denn aufgewachsen mit einem emotional komplett unzugänglichen Vater, der nur an seine Arbeit denkt, hat Liv hinter ihrer vermeintlich makellosen Fassade so einige Traumata zu verarbeiten. Dass sich diese zuweilen manipulative und fiese Hauptfigur sogar zur Sympathiefigur entwickelt, die die Serie trägt, mag auch an der schauspielerischen Leistung liegen. Josie Hermer interpretiert ihre Rolle mit viel Selbstironie und Überzeichnung und verkauft selbstbewusstes Lächeln, trotz all des inneren Chaos, immer perfekt.
 


Freigegeben ab …
 

Meme Girls erzählt typische Jugendthemen wie Dating, Sexualität, Mobbing oder Schule mit viel schrägem Humor und aus einer vorzugsweise weiblichen Perspektive. Der Erzählstil ist schnell, direkt und cartoonhaft. Durch eingeblendete Animationen erschließt sich auch Kindern im Grundschulalter bereits, dass das Handlungsgeschehen übertrieben und nicht ganz ernst gemeint ist. Dies relativiert insbesondere auch einige wenige slapstickhafte Gewaltszenen, sodass die Wirkungsrisiken von Gewaltbefürwortung oder Angsterzeugung nicht gegeben sind. Der Menstruationsplot wirkt in geradezu vorbildhafter, pädagogisch wertvoller und, gerade für die weiblichen Zuschauerinnen, empowernder Weise. Eine Schamverletzung jüngerer Zuschauender konnte daher ausgeschlossen werden. Auch wenn sich die Protagonistin anfangs in erster Linie ihrem Egoismus freien Lauf lässt, ist sie letztlich nur dann erfolgreich, wenn sie mit ihren Freundinnen zusammenarbeitet.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Weiterlesen:
Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1§ 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:
Jugendschutz bei Streamingdiensten