Liebe, Mord, Rassismus

Die Miniserie „Das Geständnis der Frannie Langton“

Vincent Abert

Vincent Abert studierte Film- und Medienwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und arbeitet als freiberuflicher Producer und Redakteur für Projekte des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und der Deutschen Welle (DW).

Programm Das Geständnis der Frannie Langton
 Drama, UK 2022
SenderMagentaTV, ab 12.02.2023

Online seit 12.02.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/liebe-mord-rassismus-beitrag-1124/

 

 

Teils Krimi, teils queere Liebesgeschichte, teils historische Aufarbeitung – Das Geständnis der Frannie Langton untergräbt das Genre. Die Adaption des gleichnamigen Romans von Sara Collins ist ein dunkles, verdrehtes Drama, welches sich langsam und unaufgeregt auf die Klärung eines Mordes zubewegt.

Ich werde nichts gestehen, von dem ich nicht glaube, dass ich es getan habe.“

Frannie Langton, ist eine POC und ehemalige Sklavin in England, Mitte des 19. Jahrhunderts. Als Dienstmädchen einer wohlhabenden Familie ist sie des Mordes an ihren Herren angeklagt, nachdem sie in einem blutgetränkten Kleid und ohne Erinnerungen aufgewacht war. Sie kann sich nicht erklären, was wirklich passiert ist, aber sie schwört, unschuldig zu sein. „Ich habe es satt, dass Leute wie Sie entscheiden, wer ich bin oder was ich bin, sobald Sie einen Blick auf mich werfen“, entgegnet sie ihrem Anwalt, der wie alle anderen insgeheim davon ausgeht, dass sie es getan hat. Und damit beginnt Das Geständnis der Frannie Langton und verspricht eine mutige Geschichte. Die Serie spielt in einer Zeit des politischen Umbruchs. Zwar hatte Sklaverei in England keine rechtliche Grundlage mehr und war in der intellektuellen Elite höchst umstritten. Doch rassistisches Denken und Ungleichbehandlung waren nach wie vor die Realität. Frannie wuchs auf einer Plantage in Jamaika auf, wurde dann nach England gebracht und fand bei Marguerite (Sophie Cookson) und George Benham (Stephen Campbell Moore), einem einflussreichen Paar der Londoner Oberschicht, eine Anstellung.
 

Trailer The Confessions of Frannie Langton (IGN Movie Trailers, 03.02.2023)



Schon nach den ersten Minuten wird klar, dass dies keine typische Geschichte über Sklaverei ist. Frannie ist eine starke und emanzipierte Protagonistin. Sie ist nicht hier, um den Erwartungen weißer Europäer:innen nachzugeben oder rassistischen Stereotypen zu entsprechen. Ihrem bigotten Herren George Benham bietet sie in Diskussionen die Stirn und entlarvt schnell, dass er sich mit seiner vermeintlich progressiven Haltung in Hinblick auf Sklaverei lediglich politisch und moralisch reinwaschen will. Denn wie sich herausstellt partizipierte er einst am Sklavenhandel und finanzierte illegale medizinische Versuche an nicht weißen Menschen. Doch in Das Geständnis der Frannie Langton geht es nicht nur um Rassismus und historische Aufarbeitung. Es geht auch um Liebe. Denn mit ihrer emanzipierten und eloquenten Art ruft sie schnell das Interesse der exzentrischen Hausherrin Marguerite auf den Plan. Beide teilen die Leidenschaft für Literatur und aus der Freundschaft entsteht schon bald eine Romanze.

Im Gegensatz zum Plot um den illegalen Sklavenhandel, der immer wieder durch pointierte Dialoge und historische Exkurse Anschluss an aktuelle Diskurse um Rassismus und Kolonialverbrechen nimmt, ist die lesbische Liebesgeschichte angenehm unkommentiert und selbstverständlich inszeniert. In den Szenen der Zweisamkeit zwischen Francis und Marguerite scheinen die verschiedenen Labels, wie LGBTQ oder Black-Lives-Matter, unter denen man die Serie einordnen kann, zu verschwinden und es bleibt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen.
 

Bild: © Drama Republic & A3MI


 

Natürlich haben die beiden unter den Repressionen der reaktionären englischen Gesellschaft zu leiden und sind gezwungen, ihre Liebe geheim zu halten. Eine Beziehung auf Augenhöhe fällt zunehmend schwerer, gerade für die mittel- und rechtlose Francis, die aufbegehren will und Ungleichbehandlung nicht hinnimmt. Am liebsten will sie mit Marguerite verschwinden, doch Marguerite ist abhängig von ihrem Ehemann und hat Angst ihren Wohlstand aufzugeben. Zunehmend betäuben sich die beiden unglücklich Verliebten mit Laudanum, einem Betäubungsmittel mit hohem Opiumanteil. Denn wenn sie Laudanum trinken, „geht alles andere weg“. Doch in der Realität geht nichts weg, ganz im Gegenteil: die Konflikte spitzen sich zu. So findet sich Francis bald im Gerichtsaal wieder, des Mordes an George Benham und ihrer Liebhaberin Marguerite bezichtigt. Und unter den voreingenommenen und hasserfüllten Augen der englischen Gesellschaft, gebrochen durch den Verlust ihrer großen Liebe und gejagt von ihrer schrecklichen Vergangenheit als Sklavin, ist sich Francis nun selbst nicht mehr sicher: Ist sie die Mörderin oder nicht?
 


Freigegeben ab …
 

Das Geständnis der Frannie Langton ist langsam und unaufgeregt erzählt und behandelt dabei wichtige gesellschaftliche Themen in aufklärerischer, aber dennoch sensibler Art und Weise. Auch wenn die Serie wenig jugendaffin gestaltet ist und sich in ihren Themen eher an ein erwachsenes und politisch interessiertes Publikum wendet, ist die Platzierung im Tagesprogramm überwiegend als unbedenklich einzuschätzen. Die dargestellte Diskriminierung (Rassismus, Klassismus, Queerfeindlichkeit) erfährt durch die starke Hauptfigur Frannie Langton ein glaubwürdiges Gegengewicht. Konflikte werden nicht übermäßig dramatisch in Szene gesetzt. Punktueller Drogenkonsum wird eingeordnet. Etwaige Gewalt- oder Bedrohungsmomente sind in fast allen Episoden zurückhaltend inszeniert und auch für jüngere Kinder verkraftbar. Eine Episode, in der ein aus Rache verübter Mord dargestellt wird, erhielt eine Freigabe für das Hauptabendprogramm (Ausstrahlung ab 20.00 Uhr), verbunden mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

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Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1§ 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

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Jugendschutz bei Streamingdiensten