Auch Eltern finden den KiKA klasse

Super RTL & Co. bieten mehr Unterhaltung

Tilmann P. Gangloff

Tilmann P. Gangloff ist freiberuflicher Medienfachjournalist.

Welches Programm bieten die Kindersender in Deutschland an, und was erwarten die Eltern von den Inhalten? Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse einer Studie vor, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführt hat. Im Fokus stehen die vier großen Kindersender in Deutschland: Super RTL, Nickelodeon, KiKA und Disney Channel.

Online seit 01.08.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/auch-eltern-finden-den-kika-klasse-beitrag-772/

 

 

Kinder sollen Milch trinken, finden die Eltern, aber der Nachwuchs würde lieber Schokolade naschen; also wurde der Kakao erfunden. Das stimmt natürlich so nicht, lässt sich als Bild aber prima auf den TV-Konsum übertragen. Um die Zielgruppe der Kinder nicht ans Privatfernsehen zu verlieren, haben ARD und ZDF 1997 den Kinderkanal (KiKA) ins Leben gerufen. Zwar setzt auch der KiKA größtenteils auf Unterhaltung, aber im Unterschied zur kommerziellen Konkurrenz gibt’s zwischendurch immer wieder Informationssendungen. Das kommt laut einer aktuellen Umfrage bei Eltern gut an.

Väter und Mütter haben ganz konkrete Vorstellungen von gutem Kinderfernsehen. Sie wünschen sich vor allem Genrevielfalt (vgl. Götz 2023a). Besonders wichtig sind ihnen Wissenssendungen und Dokumentationen, wie rund 90 % der befragten Eltern bestätigten. Wer Kinder hat, die sechs Jahre oder älter sind, betont zudem die Bedeutung von Kindernachrichten (80 %). Erfundene Geschichten, sei es in Form von Zeichentrick oder als Realverfilmung, finden nur rund 40 % wichtig. Schlüsselt man diese Gruppe auf, erkennt man allerdings, dass Eltern der sogenannten Preteens (Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren) jene fiktionalen Produktionen bevorzugen, in denen im Gegensatz zum Zeichentrick echte Menschen mitwirken (46 %). (Vgl. ebd.) Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführt hat. Befragt wurden gut 1 000 Eltern von Kindern im Alter zwischen drei und zwölf Jahren. Sie sollten angeben, wie sie die Medienangebote der vier frei empfangbaren Kindersender in Deutschland einschätzen und was ihnen am Programm wichtig ist.
 

Viel Kakao, aber auch viel Milch

Eine ergänzende IZI-Studie zeigt, dass KiKA als einziger der vier untersuchten Kindersender Dokumentationen und Nachrichten für Kinder anbietet (vgl. Götz 2023b). Hinzu kommen Wissensmagazine wie Checker Tobi (BR), Wissen macht Ah! (WDR) oder Pur+ (ZDF). Vorschulangebote wie Die Sendung mit dem Elefanten (WDR) oder Sesamstraße (NDR) enthalten ebenfalls Dokumentationsanteile, von der Sendung mit der Maus (WDR) ganz zu schweigen. Die Kinderabenteuerreihe ICH bin ICH (ZDF) oder das Bastelmagazin Ene Mene Bu – und dran bist du (KiKA) werden von der Zielgruppe vermutlich gar nicht als Infosendung erkannt, zählen aber auch dazu. Laut IZI-Analyse besteht das KiKA-Programm zu gut 70 % aus fiktionalen Sendungen, sowie zu knapp 30 % aus Dokus und Wissensmagazinen (vgl. Götz 2023b). Um es in Anlehnung an den Werbeslogan eines auch bei Teenagern beliebten Süßwarenprodukts zu formulieren: viel Kakao, aber auch jede Menge Milch.

Das unterscheidet den KiKA von der kommerziellen Konkurrenz: Einziges während der Stichprobenzeit (November 2022 und März 2023) gefundenes Wissensmagazin eines Privatsenders war Woozle Goozle (Super RTL) (vgl. Götz 2023a). Analysiert wurden die Angebote von KiKA, Super RTL, Nickelodeon und Disney Channel. Im Untersuchungszeitraum zeigten die vier Sender 13 322 Kindersendungen beziehungsweise Sendungen, die nach Ansicht des IZI-Teams für Kinder und ihre Eltern relevant sind (vgl. Götz 2023b).
 

Kennst du diese Raubtiere?| WOOZLE GOOZLE (Woozle Goozle, 31.07.2023)



Größtenteils aus den USA

In der forsa-Umfrage sollten die Eltern außerdem beurteilen, wie gut die Angebote der Sender für ihre Kinder geeignet seien. 75 % nannten den KiKA, die anderen folgten mit großem Abstand (Disney Channel: 39 %, Super RTL: 21 %, Nickelodeon: 12 %) (vgl. Götz 2023a). Ein Grund für diese Einschätzungen könnte die Herkunft des Programms sein. 70 % der Befragten halten es für wichtig,

dass die Sendungen in Deutschland produziert wurden und die hiesige Lebenswelt der Kinder widerspiegeln.“ (Ebd.)

Der internationale Kinderfernsehmarkt wird jedoch von den USA dominiert. Das bleibe natürlich nicht ohne Einfluss auf die Filme und Serien, erläutert IZI-Leiterin Maya Götz: „Sind es Live-Action-Sendungen mit realen Personen, zeigt sich dies zum Beispiel typischerweise im Aussehen der Menschen, den Landschaften oder z. B. der in der Schule getragenen Kleidung. Auch beim Zeichentrick, der vom Setting her reine Imagination ist“, spiegele sich die Kultur wider, in der die Serien federführend produziert worden seien (vgl. ebd.). Sie enthielten beispielsweise oft typische Merkmale wie etwa Schulspinde, die es in dieser Form in Deutschland nur selten gebe, oder die Sportart Cheerleading, aber auch Problemstellungen, die das Highschool-System als „Schule für ‚alle‘“ im Unterschied zum leistungsabgestuften deutschen Schulsystem mit sich bringe (vgl. ebd.). Am Stil der US-Produktionen orientierten sich gerade im Zeichentrickbereich auch jene Serien, die anderswo hergestellt würden: Selbst wenn Sendungen „in einem anderen Land entwickelt und produziert wurden [...], geht die Produktion – sofern die Sendung global vermarktet werden soll – durch die ‚Leitkultur‘ Nordamerikas“ (ebd.).
 

Abbildung deutscher Lebenswelt vor allem im KiKA

Nach den Ergebnissen der IZI-Studie – das Institut ist eine Einrichtung des Bayerischen Rundfunks – gestalten die drei kommerziellen Kindersender ihr Angebot fast ausschließlich mit fiktionalem Programm. Dieses bestehe größtenteils aus überwiegend in den USA produzierten Zeichentrickserien; deshalb gebe es dort kaum Sendungen mit Bezug zur deutschen Lebensrealität. (Vgl. Götz 2023b) Im KiKA sind dagegen 80 % des Programms in Deutschland produziert oder koproduziert worden. (Vgl. ebd.) Sie stammen entweder vom KiKA selbst oder werden vom ZDF und den ARD-Sendern zugeliefert. Eingekaufte Sendungen machen nur rund 25 % des Angebots aus. (Vgl. Götz 2023a) Zwar zeigen auch Disney Channel und Nickelodeon viele Eigenproduktionen, doch die entsprechenden Serien und Formate kommen fast alle aus den USA (vgl. Götz 2023b). Nick hat mit Spotlight (2016 bis 2022) immerhin eine deutsche Jugendserie in sechs Staffeln ausgestrahlt (vgl. Götz 2023a).

Die Favorisierung des KiKA durch die Eltern heißt allerdings nicht, dass sie die kommerziellen Sender rundweg ablehnen. Je älter ihre Kinder sind, desto häufiger bewerten sie auch die Medienangebote von Nickelodeon als geeignet (vgl. Götz 2023a). Davon abgesehen erfreut sich Nick-Star SpongeBob auch bei Vätern und Müttern einer gewissen Beliebtheit. Disney Channel wiederum zeigt häufig Wiederholungen von Zeichentrickfilmen, die heutige Eltern in ihrer eigenen Kindheit im Kino gesehen haben und die sie sich nun gern gemeinsam mit ihren Kindern anschauen.
 

Programmwahl der Privatsender nachvollziehbar

Deshalb hält die IZI-Leiterin auch die Frage, ob zum Beispiel Super RTL mehr Wissenssendungen und deutsche Produktionen zeigen sollte, für wenig zielführend: „Es ist dieAufgabe dieser Sender, Geld zu verdienen“; und solange dies mit einem Programm geschehe, das zumindest nicht schade, sei nichts dagegen einzuwenden. (vgl. Götz-Interview) Die Medienwissenschaftlerin verweist zudem auf die ökonomischen Zwänge: Weitere hierzulande hergestellte Sendungen könnten sich die Privatsender vermutlich gar nicht leisten. Woozle Goozle und Spotlight seien für Super RTL und Nick „wahrscheinlich schon das Maximum.“ (Ebd.) Im Vergleich dazu sei die Ausstrahlung jener Erfolgsserien, die von Spielzeugfirmen hergestellt werden, etwa Paw Patrol oder Lego Ninjago (beide Super RTL), ungleich günstiger. (Vgl. ebd.)
 

Paw Patrol: Helfer auf vier Pfoten | Bester Tag überhaupt! (Nick jr. Deutschland, 01.03.2021)



Die Medienwissenschaftlerin nutzt die Gelegenheit allerdings für eine grundsätzlich Kritik: Mittlerweile gebe es zwar eine „gut ausdifferenzierte Diskussion zur Qualität der öffentlich-rechtlichen Angebote unter dem Stichwort ‚Public Value‘“ (Götz-Interview), Kinderfernsehen bliebe aber weitestgehend unbeachtet (vgl. auch Götz 2023a). Dabei seien 13 % der deutschen Bevölkerung, also 10,7 Mio. Menschen, Kinder unter 13 Jahren (vgl. ebd.). Trotzdem werde das Kinderfernsehen nur selten öffentlich diskutiert oder in seiner Rolle als zentrale Sozialisationsinstanz thematisiert:

Kinder haben in unserer Gesellschaft fast keine Lobby. Entsprechend bleiben auch die Medien, die Kindern wichtig sind, für Erwachsene weitestgehend unsichtbar.“ (Götz-Interview)

Zwar werde das Medienverhalten der Kinder regelmäßig untersucht, aber nach den Einschätzungen der Eltern werde deutlich seltener gefragt (vgl. Götz 2023a).

Aus Kindersicht sieht die Rangliste der Lieblingssender laut einer Untersuchung des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2020 übrigens etwas anders aus. Hier liegt KiKA (29 %) vor Super RTL (22 %), doch dann folgen die Erwachsenenprogramme RTL (10 %) und ProSieben (7 %). Nur 4 % der Kinder nennen Disney und Nickelodeon. Bei den Marktanteilen liegen KiKA und Super RTL mit gut 15 % in etwa gleich auf. (Vgl. mpfs 2020)
 

Quellen:

Götz-Interview: Interview des Autors Tilmann P. Gangloff mit Maya Götz, nicht separat publiziert.

Götz, M., 2023a: Was Eltern vom Kinderfernsehen erwarten. In: IZI-Publikationen. Abrufbar unter izi.br.de (letzter Zugriff: 27.07.2023)

Götz, M., 2023b: Welches Programm bieten die Kindersender in Deutschland an?In: IZI-Forschung. Abrufbar unter izi.br.de (letzter Zugriff: 27.07.2023)

mpfs: KIM-Studie 2020. Kindheit, Internet, Medien. In: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Abrufbar unter www.mpfs.de (letzter Zugriff: 27.07.2023)