Die Perspektive weitet sich, der Diskurs bleibt!

Aus TV DISKURS wird MEDIENDISKURS

Claudia Mikat

Claudia Mikat ist Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).

Claudia Mikat, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), lässt mit dem Rückblick auf 25 Jahre tv diskurs auch die Jugendschutzthemen dieser Zeit Revue passieren.

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 2/2022 (Ausgabe 100), S. 1-1

Vollständiger Beitrag als:

Im April 1997 erschien tv diskurs zum ersten Mal. In bis heute 99 Ausgaben informierte die Redaktion regelmäßig über Fragen der Verantwortung in audiovisuellen Medien. Lässt man die Themen, über die in den vergangenen 25 Jahren berichtet wurde, Revue passieren, stößt man unweigerlich auf Kurioses und längst Vergessenes, aber auch auf Beiträge von erstaunlicher Aktualität.

Wie im Zeitraffer zieht einerseits das Mediengeschehen der vergangenen Jahrzehnte vorüber: die Teletubbies, Big Brother, Richterin Barbara Salesch, Die Super Nanny – alles alte Bekannte, die heute keine Diskussionen mehr auslösen, in ihrer Zeit aber für viel Gesprächsstoff sorgten. Andererseits erinnert z. B. die Diskussion um die Einführung eines „V(iolence)‑Chip“, die sich auf die damals noch analoge Welt bezog und 1997 in der ersten Ausgabe der tv diskurs aufgegriffen wurde, durchaus an die One-Button-Idee, die die Länder derzeit als Regelung für Apps in den neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) einbringen wollen.

tv diskurs widmete sich zudem dem Thema „Krieg und Medien“: Es ging um die vermittelten Einstellungen zum Krieg oder traumatisierende Wirkungen brutaler Bilder, um die „Lust“ am Krieg in fiktionalen und seine Inszenierung in realen Kontexten, um die Lügen, die militärische Aggressionen begleiten, und um ikonische Emotionalisierung. Gerade mit Blick auf den aktuellen russischen Angriffskrieg in der Ukraine bieten viele der dazu erschienenen Beiträge bis heute gültige Ansatzpunkte.

Ebenso sind die immer wieder im Zentrum der Berichterstattung stehenden Jugendschutzthemen nach wie vor aktuell: Die Wirkungen der Darstellung von Gewalt und Sexualität, die Bedeutung von Realityformaten bis hin zu neueren Formen des Affektfernsehens und ihre Wahrnehmung durch die Zuschauerinnen und Zuschauer – all das gehört immer noch zum Alltag des praktizierten Jugendschutzes, auch wenn sich die Medien und ihre Angebote stetig verändern.

Der besondere Fokus der Berichterstattung auf Fragen des Jugendschutzes verwundert nicht, wird tv diskurs doch herausgegeben von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), die seit 1994 die Jugendschutzbestimmungen im Programm ihrer privaten Mitgliedssender umsetzt. Dies verlief vor allem in den Anfangsjahren nicht immer ohne Reibung – auf der einen Seite mit der staatlichen Aufsicht, die die Selbstkontrolle beargwöhnte, auf der anderen Seite mit den Mitgliedsunternehmen, die Sendebeschränkungen und Verbote hinnehmen mussten.

Der Schlüssel für das Funktionieren solch einer selbst organisierten Programmkontrolle ist und bleibt der sachliche Diskurs. Wenn komplexe Zusammenhänge zu bewerten sind und eindeutige Kriterien nicht existieren, müssen transparente Maßstäbe erst entwickelt und Entscheidungen plausibel begründet werden. Sich dem Fernsehen und einzelnen Programmangeboten sachlich und offen zu nähern, fiel nicht immer leicht und war nicht selten von öffentlichen Debatten begleitet – man denke nur an das hitzige Ringen um einen zeitgemäßen Pornografiebegriff, an die Irritationen angesichts erster B-Prominenter in Containern oder Dschungelcamps oder an nahezu hysterische Reaktionen auf Cartoons wie Popetown.

tv diskurs hat sich dieser sachlichen Debatte gestellt und sie in die Öffentlichkeit getragen. So wie die FSF­-Prüfungen durch differenzierte Betrachtungen der Inhalte überzeugten, wurde tv diskurs nur ernst genommen, weil unterschiedliche Sichtweisen und medienethische Perspektiven abgebildet worden sind.

Für diese ausgewogene Berichterstattung und die vielen Perspektiven, die im Laufe der Jahrzehnte zur Darstellung kamen, gebührt der Redaktion Gratulation und Dank, denn dadurch wurde der Diskurs um Medienwirkungen, Medienkompetenz und Programmverantwortung versachlicht. Mit der Ausgabe 100 trägt das Fachmagazin nun den Titel mediendiskurs und begegnet damit dem erweiterten Themenspektrum, das im Zuge von Medienkonvergenz und Globalisierung des Medienmarktes bereits seit Längerem in der redaktionellen Arbeit abgebildet wird. Auch unter neuem Namen wird die Redaktion ihrem Ansatz treu bleiben und die komplexen Zusammenhänge und Herausforderungen im Jugendmedienschutz entsprechend transparent und vielfältig diskutieren.

Ihre Claudia Mikat