Happy Birthday, privater Rundfunk!

Claudia Mikat

Claudia Mikat ist Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).

Claudia Mikat, Geschäftsführerin der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), gratuliert dem privaten Rundfunk zu seinem 40-jährigen Jubiläum.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 3/2024 (Ausgabe 109), S. 1

Vollständiger Beitrag als:

Der 1. Januar 1984 markierte eine mediale Zeitenwende in der Bundesrepublik Deutschland. Damals startete die „Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk“ (PKS), später SAT.1, mit dem ersten deutschen privaten Fernsehprogramm. Einen Tag später folgte RTLplus, fünf Jahre danach ProSieben. Vorausgegangen waren kontroverse Debatten über die Auswirkungen des werbefinanzierten Rundfunks. Befürworter:innen lobten die größere Programmvielfalt und die Innovationskraft des Privatfernsehens, Kritiker:innen befürchteten eine Flut an Unterhaltungsangeboten, Qualitätsverlust und negative Einflüsse auf die Demokratie.

Man sprach damals von den „neuen Medien“, was angesichts der heutigen digitalen Möglichkeiten antiquiert erscheint. Auch die seinerzeit geäußerten Bedenken hinsichtlich der Masse an Angeboten wirken im digitalisierten Markt aus der Zeit gefallen. Fest steht: Die privaten Sender veränderten die deutsche Medienlandschaft nachhaltig und erweiterten das bisher rein öffentlich-rechtliche Angebot um neue Inhalte. Die brachten nicht nur viel Buntes und frischen Wind ins Programm, sondern auch Herausforderungen für den Kinder- und Jugendmedienschutz. Vor diesem Hintergrund wurde 1994 die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) gegründet, die seither relevante Angebote der privaten Rundfunkanbieter bewertet. Anfangs standen fiktionale Darstellungen von Sexualität und Gewalt im Vordergrund, im Laufe der Zeit kamen zunehmend auch Non-Fiction- und Realityformate hinzu: konfrontative Talkshows, in denen sich Teilnehmende gegenseitig beleidigten, gefährliche Challenges, die Kinder eventuell zur Nachahmung hätten anstiften können, oder dokumentarische Formen, die Fragen zu den Grenzen der Berichterstattung oder möglichen Verstößen gegen die Menschenwürde aufgeworfen haben.

Heute ist bemerkenswert, dass Jugendschutzprobleme im Fernsehen weniger im Fokus stehen. Dies ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis eines gut eingespielten Systems aus Jugendschutzbeauftragten in den Sendern, Selbstkontrolleinrichtungen und Aufsichtsgremien. Diese gewachsenen Strukturen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der Jugendschutz im Fernsehen mittlerweile effektiv und zuverlässig gewährleistet wird.

Doch die Medienlandschaft entwickelt sich weiter. Mit den heute als „neu“ bezeichneten Medien stellen sich auch neue Herausforderungen. Mit Blick auf die großen Social-Media-Platt-formen werden einmal mehr Gefahren für die Demokratie diskutiert. Dabei stehen sowohl das Potenzial bezüglich Desinformation und Meinungsmanipulation als auch die Tendenz zur Polarisierung und algorithmischen Verengung im Zentrum. Wie in der digitalisierten Medienwelt eine Orientierung zwischen Meinungen und Fakten gelingen kann, welche Auswirkungen die Häufung von belastenden Informationen über Krieg und Krisen auf junge Menschen hat oder was es für die Realitätswahrnehmung bedeutet, wenn die Grenzen von Wahrhaftigem und Erfundenem durch künstliche Intelligenz zunehmend verwischen – es sind diese und andere Fragen, die sich aus Jugendschutzsicht heute stellen.

Auch die FSF steht vor neuen Aufgaben. Durch die wachsende Popularität von Streamingdiensten und sozialen Netzwerken verändert sich die Art und Weise, wie Medien konsumiert werden. Um weiterhin verlässlichen Schutz und Information zu bieten und jungen Menschen die notwendigen Kompetenzen für ein gesundes Medienverhalten zu vermitteln, bedarf es angepasster Strategien.

Zum 40-jährigen Jubiläum des privaten Rundfunks und zum 30. Geburtstag der FSF blicken wir daher nicht nur stolz auf Erreichtes zurück, sondern richten unseren Blick auch nach vorn. Die Herausforderungen mögen sich ändern, doch das Engagement für Vielfalt, Qualität, Schutz und Medienbildung bleibt eine konstante und unverzichtbare Aufgabe. In diesem Sinne gratulieren wir dem privaten Rundfunk herzlich und freuen uns auf die nächsten Jahrzehnte voller Innovationen und verantwortungsvoller Mediengestaltung.

Ihre
Claudia Mikat