Informationsvermittlung über Social Media aus Sicht der jungen Follower*innen

Meinungsmacht Social Media

Wie nehmen Jugendliche Influencer*innen wahr und welche Nutzungsmotive überwiegen bei der jungen Zuschauerschaft? Das Hans-Bredow-Institut hat nun eine Studie veröffentlicht, in der die Perspektive der Heranwachsenden beleuchtet wird.

Online seit 15.12.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/informationsvermittlung-ueber-social-media-aus-sicht-der-jungen-followerinnen-beitrag-1122/

 

 

Aufgrund ihrer hohen Reichweite nehmen Content Creator*innen in Social Media für Jugendliche und junge Erwachsene eine bedeutende Rolle bei der Informationsvermittlung und Meinungsbildung ein. Als weitere Akteur*innen im journalistischen Feld wird ihnen ein großes Potenzial als Wissensvermittler*innen zugesprochen und sie haben eine Orientierungsfunktion für ihre Follower*innen, können durch persönliche Meinungsäußerungen und schlecht recherchierte Fakten die Realität jedoch auch verzerrt darstellen, was für Jugendliche und junge Erwachsene nicht immer durchschaubar und einzuordnen ist.

Standardisierte Befragungen, wie die #UseTheNewsStudie (Hasebrink et al. 2021) und die jährliche ARD/ZDF-Onlinestudie (ARD/ZDF 2022) weisen auf die Relevanz von Influencer*innen für die Informationsvermittlung hin. Offen bleibt dabei jedoch, wer aus der Sicht der Nutzer*innen als solche wahrgenommen wird und welche Nutzungsmotive überwiegen. Vor diesem Hintergrund hat das Hans-Bredow-Institut nun eine Studie veröffentlicht, in der die Perspektive der Jugendlichen und jungen Erwachsenen beleuchtet wird, um ein tieferes Verständnis für die Chancen und Risiken der Informationsvermittlung über Social Media zu erlangen. Dabei wollten die Forschenden wissen, was die Befragten unter dem Begriff eines oder einer Influencer*in verstehen, welche Accounts für sie relevant sind und warum sie ihnen folgen sowie welche Abgrenzungen sie gegenüber journalistischen Akteur*innen vornehmen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden leitfadengestützte Einzelinterviews mit 22 jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren in den Städten Hamburg, Köln/Bonn und Düsseldorf geführt.
 

Influencer*innen haben Vorbildcharakter

Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass Content Creator*innen im Bereich Social Media Vorbildcharakter haben und ihre Inhalte überwiegend als verlässlich eingeschätzt werden. Wenn junge Menschen Social-Media-Accounts folgen, dann suchen sie nach Kommunikation und Integration, Wissen und Information, Unterhaltung und Zeitvertreib, Orientierung und Werten, Inspiration und Motivation oder nach sozialer Nähe und einem Einblick in das Leben anderer Menschen.

Inhaltsfokussierte themenvielfältige Accounts werden als „vertrauenswürdig“, „unvoreingenommen“, „seriös“, „professionell“, „tiefgründig“ und „interessant“ wahrgenommen (Wunderlich/Hölig 2022, S. 27). Bei ihrer Bewertung unterscheiden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen deutlich zwischen inhaltsfokussierten themenvielfältigen Accounts und personenfokussierten themenspezifischen Accounts, die als relevant für die eigene Meinungsbildung erachtet werden, und solchen Accounts, die eine Themenvielfalt anhand einer Person präsentieren. Diese Accounts werden als „subjektiv“ eingeschätzt, wenngleich die Inhalte und persönlichen Meinungsäußerungen als relevant für die eigene Meinungsbildung erachtet werden.
 

Nachrichtenrezeption und Glaubwürdigkeit journalistischer Angebote

Die Accounts klassischer Nachrichtenanbieter wie Tagesschau, Spiegel oder Die Zeit sowie wissenschaftsjournalistische Accounts wie MaiLab oder MrWissen2go genießen bei den Befragten ein gewisses Grundvertrauen hinsichtlich ihrer Seriosität, Glaubwürdigkeit und Objektivität. Bei themenspezifischen Accounts zählen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit „Kriterien wie Sympathie, Reichweite und Bekanntheit, Vorreiterposition oder das Verhalten vor und hinter der Kamera“ (ebd., S. 35).

Kritisch zu betrachten ist das Ergebnis der Studie, dass Nachrichten von den Befragten ausschließlich mit Negativität und Überlastung assoziiert werden (ebd., S. 33; vgl. auch Gimmler 2022). Teilweise folgen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen daher gezielt Instagram-Seiten mit ausschließlich guten Nachrichten, vermeiden Nachrichten oder pausieren ihren Konsum.

Ich finde es gut, dass es nicht immer nur Negatives ist, weil, ich finde, es ist sonst oft so, dass die Welt, wenn man Nachrichten guckt, es einem so vorkommt, als ob alles gerade nicht so gut ist, und es deswegen auch angenehm sein kann, bei Influencern zum Beispiel zu sehen, dass es irgendwie gerade okay ist und schön irgendwie.

Ausgestellter Optimismus von Influencer*innen in sozialen Medien ersetzt an dieser Stelle die Nachrichtenrezeption und sorgt für affektive Regulierung durch Positivität im Feed (Wunderlich/Hölig 2022, S. 33).
 

Handlungsempfehlungen

Als Schlussfolgerung aus den Ergebnissen leitet die Studie zum einen Implikationen für schulische Bildungsinitiativen und zum anderen für den Journalismus ab. In der schulischen Bildung sollten Arbeitsweisen und Sorgfaltspflichten des professionellen Journalismus thematisiert und zu anderen in sozialen Medien auftretenden Akteur*innen abgegrenzt werden.

Dem Journalismus wird empfohlen, für die Etablierung von Personenmarken den inhaltlichen Fokus auf spezifisches Themenwissen zu richten, das gut recherchiert aus verschiedenen Perspektiven aufgearbeitet wird und dabei den Unterschied zwischen objektivierbarer Sachlage und meinungsbezogener Einordnung deutlich macht (ebd., S. 43). Social-Media-Akteur*innen mit einer hohen Reichweite, Bekanntheit und Beliebtheit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind durchaus eine wichtige Bezugsgruppe für ihre Meinungsbildung und können eine Identifikations- und Vorbildfunktion einnehmen. Im Kontext der (politischen) Meinungsbildung werden sie jedoch als subjektiv und fachlich oft als nicht hinreichend qualifiziert empfunden. Die Autor*innen leiten daraus ab, dass es daher bei der Abwägung von Kooperationen journalistischer Anbieter mit einzelnen Social-Media-Influencer*innen ratsam sei, „neben potenziell großer Reichweite auch darauf zu achten, welche Funktion bei jungen Nutzenden adressiert werden soll und welche Implikationen für die Wahrnehmung des Journalismus damit einhergehen“ (ebd., S. 43). Dabei sollten sich Kooperationen auf Persönlichkeiten konzentrieren, die ein spezifisches Genre bedienen oder themenspezifisches Wissen vermitteln und damit eine Wissens- und Informationsfunktion für junge Menschen erfüllen sowie mit Glaubwürdigkeits- und Vertrauensaspekten verknüpft werden. Für den Journalismus bietet dies die Chance, „sich als unabhängiger und vertrauensvoller Akteur zu platzieren; bei gleichzeitiger Abgrenzung von werbefinanzierten Inhalten und Persönlichkeiten“ (ebd., S. 8).

Quellen:

ARD/ZDF: ARD/ZDF-Onlinestudie 2022. In: ARD/ZDF-Forschungskommission, 2022. Abrufbar unter: https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/ (letzter Zugriff: 10.12.2022)

Gimmler, R.: Abwendung von sozialen Medien. Informationsflut überfordert jüngere Menschen. Roland Gimmler im Gespräch mit Martin Böttcher und Vera Linß. In: Breitband, Deutschlandfunk Kultur, 23.07.2022. Abrufbar unter: www.deutschlandfunkkultur.de (letzter Zugriff: 10.12.2022)

Hasebrink, U./Hölig, S./Wunderlich, L.: #UseTheNews. Studie zur Nachrichtenkompetenz Jugendlicher und junger Erwachsener in der digitalen Medienwelt. Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts | Projektergebnisse Nr. 55. Hamburg: 2021. DOI: https://doi.org/10.21241/ssoar.72822

Wunderlich, L./ Hölig, S.: Social Media Content Creators aus Sicht ihrer jungen Follower. Eine qualitative Studie im Rahmen des Projekts #UseTheNews. Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts | Projektergebnisse Nr. 64. Hamburg 2022. DOI: https://doi.org/10.21241/ssoar.81872