Medieneinsatz im Unterricht
Informationsangebote zum reformierten Urheberrecht
Die angekündigte Reform des Urheberrechts machte Hoffnung auf umfassende Erleichterungen für den Medieneinsatz im Unterricht. Sie hat 2017 konkretere Form angenommen und ist am 1. März 2018 in Kraft getreten als Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG), das in das bestehende Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) integriert wurde (es gibt also keinen insgesamt neuen Gesetzestext oder ein zusätzliches zweites Gesetzeswerk). Betont wird die Bedeutung des UrhWissG als „Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“2. Es sorge dafür, dass die bisher im UrhG an mehreren Stellen im Gesetz verteilten Regelungen zum Mediengebrauch in Wissenschaft und Unterricht an einer Stelle – im neuen „Unterabschnitt 4: Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen“ (§§ 60 a bis h)3 – gebündelt werden. „Es regelt neu, welche urheberrechtlichen Nutzungshandlungen im Bereich Bildung und Wissenschaft gesetzlich erlaubt sind, ohne dass es einer Zustimmung des Urhebers und sonstiger Rechtsinhaber bedarf (sogenannte Schranken des Urheberrechts). Es geht beispielsweise also um die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Texten, Bildern und Filmen in Schulen, Universitäten und Bibliotheken“4 und reicht damit über die rein schulische Bildung hinaus.
Interpretationsspielräume bleiben bestehen
Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht allerdings, dass die Neuregelung des Gesetzes bestehende Unsicherheiten leider nicht ausräumt. So beschreibt das Portal wer-hat-urheberrecht.de von Vision Kino in seiner Rubrik „Infothek für Lehrkräfte“ bei den konkreten und damit in der Praxis sehr hilfreichen „Fallbeispielen für Lehrerinnen und Lehrer“ folgende Situation:
„1. Frau Müller leiht in der Stadtbibliothek einen Film aus, den sie vielleicht in der Klasse 5b zeigen möchte. Zu Hause hat sie noch einen anderen Film, den sie käuflich erworben hatte. Nun muss sich Frau Müller entscheiden, welchen Film sie zeigt. Dürfte sie prinzipiell beide Filme in ihrer Klasse zeigen? Ja. Frau Müller dürfte beide Filme in ihrer Klasse zeigen, denn die Wiedergabe in privaten Vorführungen ist gemäß § 15 Abs. 3 UrhG unproblematisch. Vorführungen im Klassenverband werden dabei in der Regel als private Vorführung angesehen, denn zwischen den Schüler*innen und den Lehrkräften besteht eine enge persönliche Beziehung. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Film geliehen oder gekauft wurde.“
Nach dieser Antwort – die Formulierung „in der Regel“ lässt schon die Problematik erahnen – folgt die deutliche Warnung:
Achtung: Auch das am 1. März 2018 in Kraft getretene […] UrhWissG klärt die Frage, ob eine Vorführung innerhalb eines festen Klassenverbandes als private oder öffentliche Vorführung anzusehen ist, nicht eindeutig. So gibt es dazu nach wie vor unterschiedliche Rechtsauffassungen.“5
Auch das für die Bereiche „Schule“ und „Wissenschaft“ sehr informative Portal urheberrecht.de spricht hier nach wie vor von einer „juristischen Grauzone“, was nicht im Sinne der Schulen und vergleichbarer Einrichtungen sein kann.6 Mit anderen Worten: Die wichtige, eindeutige Klärung der Fragestellung, ob die Filmvorführung in einer Klasse als öffentlich oder privat anzusehen ist, hat man im UrhWissG ausgeklammert.
In Bayern beispielsweise wurde und wird allerdings die Meinung vertreten, dass die Klassenvorführung eine „geschlossene Veranstaltung“ ist:
Das (neue) Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft […] hat zum Thema Öffentlichkeit von Schule und Unterricht nichts geändert. Weiterhin gilt hier, dass nach überwiegender Rechtsauffassung, Schulunterricht im Klassenverband nicht-öffentlich ist“ 7 [sic!, H.i.O.].
Man bezieht damit Stellung zu einer „Initiative der deutschen Filmwirtschaft“, die „über diverse Kanäle“ damit „wirbt […], Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler über den rechtssicheren Einsatz von Filmen im Unterricht umfassend informieren zu wollen“, damit jedoch nach Meinung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus lediglich als „private Vereinigung […] ihre Rechtsmeinung äußern“ würde: „Allerdings ist diese Meinung keinesfalls mit den Schulverwaltungen oder dem Bundesjustizministerium abgestimmt.“8
Dieser Hinweis betrifft das Informationsangebot filme-im-unterricht.de, eine Webseite der Interessengemeinschaft privatwirtschaftlicher Produzenten Audiovisueller Medien (IPAU). Hier werden u.a. sehr übersichtlich „7 gute Wege, um Filme im Unterricht zu nutzen“ erläutert, wobei natürlich auch die kommerzielle Seite – also die „Firmen, die auf die Produktion oder den Vertrieb von Unterrichtsfilmen spezialisiert sind“ – nicht ungenannt bleibt. Auf der anderen Seite wendet man sich mit einer Mischung aus Appell und Warnung an die Lehrkräfte, auch nach der Urheberrechtsnovelle nicht beliebig mit Bewegtbild-Medien umzugehen:
Unsere Bitte: Dieses Gesetz ist ein Kompromiss zwischen dem Bildungssektor, der Politik und den Rechteinhabern. Wir bitten Sie dringend, die freie Nutzung nur in diesem engen, gesetzlichen Rahmen vorzunehmen und die kreative Arbeit der Filmschaffenden und anderer Urheber zu respektieren! Nur so gehen Sie kein unnötiges Risiko beim Filmeinsatz ein, und nur so können wir weiterhin gute, aufwendige Filme für Ihren Unterricht produzieren.“9
Hieraus lässt sich erschließen, dass aus kommerzieller Sicht nicht die Meinung vertreten wird, der Unterricht in einer Klasse sei eine nicht öffentliche, geschlossene Veranstaltung, die den freien Zugriff auf Filme (und Sendungen) erlaube – die Fronten bleiben also trotz Gesetzesnovelle bestehen.
Was gibt es für rechtssichere Möglichkeiten?
Einige Optionen stehen zur Auswahl, sie sind jedoch ebenfalls nicht sehr weitreichend bzw. nicht eindeutig gefasst.
- „Zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen dürfen zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 % eines veröffentlichten Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht und in sonstiger Weise öffentlich wiedergegeben werden“.10 Die anteilige Verwendung eines Werkes (z.B. Filme, Sendungen, aber auch Bücher, jedoch keine Schulbücher) umfasst konkret im Falle eines 90-Minuten-Films 13,5 Minuten (statt wie bisher 10 %/ neun Minuten). Die Minuten-Zahlen zeigen deutlicher als die Prozentangaben: Dies ist zwar ein Fortschritt, aber nur ein geringfügiger; es lassen sich nun lediglich etwas längere Ausschnitte aus Filmen und (Fernseh-) Sendungen ohne Berücksichtigung der Lizenzfrage analysieren.
- Weiterhin ist wie bisher die vollständige Verwendung von „vergriffenen Werken“ sowie „Werken geringen Umfangs“ möglich – doch auch hier ist als nach wie vor bestehende Schwachstelle die Schwammigkeit der Vokabel „gering“ zu kritisieren. Es ist daher von der bisher geltenden Auslegung auszugehen, d.h. fünf Minuten für Filme und Musik bzw. Videoclips oder maximal 25 Seiten für „Druckwerke“; hinzu kommen „Abbildungen“ sowie „einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift“.
- Ergänzend sei angemerkt: Die Vervielfältigung und Verbreitung von Druckwerken kann nun als Papierkopie und digital erfolgen.
- Erlaubt ist nun auch die Verteilung und Bereitstellung von Kopien und Medienausschnitten (innerhalb der oben genannten Grenzen) in Onlinekursen, Unterrichtsplattformen und im schulischen Intranet.11
Rechtlich unproblematisch in der Verwendung bzw. zur Verfügung stehen natürlich weiterhin auch
- lizenzierte Medien von Bildstellen und Medienzentren,
- Schulfernsehsendungen nach § 47 UrhG (also mit der Auflage der Löschung „spätestens am Ende des auf die Übertragung der Schulfunksendung folgenden Schuljahrs“),
- Sendungen und Filme bzw. Videos nach Einholung einer schriftlichen Genehmigung oder Lizenzvereinbarung beim Rechteinhaber (gegebenenfalls mit Kosten verbunden),
- freie Bildungs- bzw. Lehrmaterialien (Open Educational Resources [OER]) und
- Besuche von (Schul-)Kinoveranstaltungen.
Ein klarer Verlierer
Neben den genannten bestehenden Unklarheiten gibt es einen klaren Verlierer der neuen Gesetzgebung, allerdings nicht im Bereich der Bewegtbild-Medien. Denn die Neuregelungen umfassen nicht nur Filme bzw. Videos und Fernsehsendungen, sondern alle Medienformen, wobei gedruckte Werke natürlich in der Schule bzw. im Bildungsbereich besonders wichtig sind. Hier wird eine weitere Schwachstelle der neuen Gesetzgebung deutlich, auf die das Portal iRights.info schon 2017 aufmerksam gemacht hat12: Nicht mehr komplett als „Werke geringen Umfangs“ und damit in der Schule genutzt werden dürfen nicht wissenschaftliche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel; ausdrücklich werden nur Beiträge aus einer „Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift“ erlaubt (§ 60a, Abs. 2 UrhG). Damit ist gerade das „Sorgenkind“ Zeitung ein großer Verlierer der Reform: Einerseits befindet sich die Tagespresse in der Gunst insbesondere der jungen Nutzerinnen und Nutzer schon länger auf Talfahrt, andererseits wird die Möglichkeit, im Unterricht den Wert der Zeitung als weiteres wichtiges Medium unkompliziert aufzuzeigen (Stichworte: Informationskompetenz, Kampf gegen Fake News), durch die ausdrückliche Herausnahme von Zeitungen und Publikumszeitschriften aus der freien Verfügbarkeit erschwert (es sei denn, man arbeitet mit kommerzieller Rückendeckung wie bei den durchaus sinnvollen Initiativen wie „Zeitung in die Schule“).
Auch auf anderen Informationsportalen ist erkennbar, dass die Neuregelungen im Bereich „Text“ keine einfache Anpassung mit sich bringen; so kündigt das für den Umgang mit (digitalen oder papiernen) Kopien eigentlich sehr aufschlussreiche Angebot schulbuchkopie.de schon lange eine Überarbeitung an, die auf sich warten lässt.13
Was wäre wünschenswert gewesen?
Das neue Gesetz ist leider nicht nur in seiner Benennung sperrig; die Neuregelungen sind auch inhaltlich so beschaffen, dass sie nicht wirklich in allen Bereichen mehr Möglichkeiten und Klarheit in der Anwendung schaffen. Daher erscheint es auf jeden Fall sinnvoll, dass das Gesetz zunächst nur für fünf Jahre in Kraft tritt und nach vier Jahren evaluiert werden soll. Aus Bildungssicht sollte eine Einigung zwischen den Beteiligten möglich sein, die eine umfassende Nutzung von Medieninhalten in der Schule bietet und in allen relevanten Fällen eine Pauschalvergütung ermöglicht.14 Damit würden auf der einen Seite die Hemmnisse entfallen, im Einzelfall und gerade bei sehr aktuellen Inhalten einen (Bewegtbild-)Beitrag in der Schule nicht zu verwenden, weil die Rechteabklärung zu umständlich oder gar nicht möglich ist und weil Sanktionen befürchtet werden. Auf der anderen Seite müssten Rechteinhaber und -verwerter nicht länger das Gefühl haben, dass ihre Arbeit zwar wertgeschätzt wird, aber leider oft ohne zählbaren Rückfluss in der Verwertungskette …
Anmerkungen:
1) Vgl. UrhG § 15 Abs. 2 und 3. Abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de/urhg/__15.html (letzter Zugriff: 31.05.2018)
2) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV): Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG). Berlin 2018. Abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/UrhWissG.html (letzter Zugriff: 31.05.2018)
3) Vgl. UrhG. Abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html#BJNR012730965BJNG004800123 (letzter Zugriff: 31.05.2018)
4) Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV): Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG). Berlin 2018. Abrufbar unter: www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/UrhWissG.html (letzter Zugriff: 31.05.2018)
5) Vision Kino gGmbH: Fallbeispiele für Lehrerinnen und Lehrer – Urheberrecht und Film im Unterricht. Berlin 2018. Abrufbar unter: www.wer-hat-urheberrecht.de/infothek/infothek-fuer-lehrkraefte/fallbeispiele/ (letzter Zugriff: 31.05.2018)
6) Berufsverband der Rechtsjournalisten e.V.: Muss das Urheberrecht in der Schule beachtet werden? Berlin 2018. Abrufbar unter: www.urheberrecht.de/schule/ (letzter Zugriff: 31.05.2018)
7) Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus: Medieneinsatz im Unterricht. München 2018. Abrufbar unter: www.mebis.bayern.de/infoportal/empfehlung/medieneinsatz-im-unterricht/ (letzter Zugriff: 31.05.2018)
8) Ebd.
9) IPAU e.V. – Interessengemeinschaft privatwirtschaftlicher Produzenten Audiovisueller Medien: Filme im Unterricht. Urheberrechtsnovelle. Abrufbar unter: www.filme-im-unterricht.de/urheberrecht (letzter Zugriff: 31.05.2018)
10) UrhG § 60a: Unterricht und Lehre, siehe: Anmerkung 3
11) Vgl. insges. § 60a, siehe: Anmerkung 3. Siehe auch: Selg, O./Gehrke, S.: Urheberrecht – Tipps, Tricks und Klicks. München 2018. Abrufbar unter: www.blm.de/aktivitaeten/medienkompetenz/materialien/broschuere-urheberrecht.cfm (letzter Zugriff: 31.05.2018)
12) Vgl. z.B. Lalé, C.: Reform mit Ausnahme: Ein unnötiges Geschenk für Zeitungsverlage. In: iRights.info, 03.07.2017. Abrufbar unter: https://irights.info/artikel/kommentar-urhwissg-ausnahme-zeitungsartikel/28599 (letzter Zugriff: 31.05.2018). Informative Artikel für den Bereich „Schule/Bildung“ werden bei iRights.info zusammengestellt. Abrufbar unter: https://irights.info/kategorie/themen/bildung-open-educational-resources
13) Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Digitale Schulbücher, einscannen & kopieren in der Schule. Berlin o.J. Abrufbar unter: www.schulbuchkopie.de (letzter Zugriff: 31.05.2018). Um die Urheberrechtsproblematik in der Schule zu behandeln, sei auf das reichhaltige Angebot von klicksafe.de verwiesen (Hrsg.: Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) Rheinland-Pfalz). Abrufbar unter: www.klicksafe.de/themen/rechtsfragen-im-netz/urheberrecht/ und www.klicksafe.de/themen/rechtsfragen-im-netz/irights/ (letzter Zugriff: 31.05.2018)
14) Vgl. UrhG § 60h: Angemessene Vergütung der gesetzlich erlaubten Nutzungen, siehe Anmerkung 3