Medienregulierung und Jugendmedienschutz in Zeiten von Corona
Das Verhältnis von Staat, Unternehmen und Gesellschaft, von möglicher Freiheit und notwendiger Beschränkung, von globalen Phänomenen und nationalen Lösungsansätzen – die Themen, die wir bei der Planung der vorliegenden Ausgabe mit Blick auf die Regulierung von Medien in den Mittelpunkt gerückt hatten, werden aktuell durch Covid‑19 im Kontext des Krisenmanagements betrachtet. Wir erleben, wie die globalisierte Welt ins Wanken gerät, Staaten sich abschotten und innerhalb von Stunden Freiheitsrechte eingeschränkt werden.
Was gestern noch unumstößlich schien, ist heute nicht mehr gültig. Unsere Themen um Medienregulierung und Jugendmedienschutz sind in der Prioritätenliste weit nach unten gerutscht. Es ist kaum zu prognostizieren, welche Rolle diese Fragen zum Erscheinungsdatum der aktuellen Ausgabe spielen werden, ob sie nach Corona neu gedacht oder in gewohnter Manier wieder aufgenommen werden können. Bei aller Unsicherheit erlaubt die globale Krise aber Einblicke in Kommunikations- und Steuerungsprozesse von Gesellschaften, die auch in anderen Politikfeldern berücksichtigt werden sollten, bevor man zur Tagesordnung übergeht.
So muss Regulierung zum einen die verschiedensten Interessen und Risiken abwägen und angemessene Maßnahmen ergreifen. Das wird erschwert, wenn in der öffentlichen Kommunikation überspitzte Gegenüberstellungen dominieren: Ist die Coronakrise Apokalypse oder Neuanfang? Führt sie uns in den Überwachungsstaat, weil Handydaten für Bewegungsprofile genutzt werden, oder wird sie Bildung und Arbeit revolutionieren, weil Kulturtechniken des Digitalen in Schule und Beruf Einzug halten? – Je nach Gefährdungslage und verfügbarer Zeit wird sich immer wieder neu entscheiden, ob der Freiheit oder dem Schutz Vorrang zu geben, ob eine hierarchische Regulierung von oben geboten ist oder Aushandlungsprozesse unter den Akteuren möglich sind.
Zum anderen muss Regulierung auch verstanden werden. Eine Verordnung allein reicht nicht aus, damit diese sich entsprechend durchsetzt. Ebenso wichtig sind Information und Aufklärung, Appelle an Einsicht und Empathie. Nicht jeder oder jedem erschließt sich die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen. Aber auch nicht jede Maßnahme ist wirklich sinnvoll.
Und was der Umgang mit der Coronakrise auch offenbart: Gesellschaftliche Probleme werden am besten im Miteinander von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gelöst. Staatliche Steuerung muss auf die Risiken fokussieren, hat die im Blick, die Falschinformationen verbreiten, andere gefährden und Freiheiten bedrohen. Es gibt aber auch die vielen anderen, die von Balkonen singen, für Gefährdete einkaufen, sich disziplinieren und solidarisch sind. Es gibt Sachinformationen aus verlässlichen Quellen und außerdem Initiativen der großen Social-Media-Plattformen, diese Sachinformationen zu verbreiten sowie Falsch- und Paniknachrichten zu löschen. Diese positiven Ansätze verdienen Unterstützung und benötigen Gestaltungsspielraum.
Den deutschen Jugendmedienschutz zu reformieren und dabei Bund-Länder-Kompetenzen abzustimmen, erscheint vor dem Hintergrund einer Pandemie als relativ kleines Problem. Anders als in Krisensituationen herrscht weder Zeit- noch Handlungsdruck, im Gegenteil: Nachdem Medienanbieter, Selbstkontrollen, Kinderschutzorganisationen, jugend- und medienpolitische Verbände zum Entwurf eines neuen Jugendschutzgesetzes (JuSchG) Stellung genommen und die Länder Alternativvorschläge unterbreitet haben, bestünde nun die Gelegenheit, die verschiedenen Perspektiven zu betrachten, abzuwägen und sie im komplexen Regulierungsgefüge angemessen zu berücksichtigen. Es wäre auch an der Zeit, den Blick auf das Wesentliche zu richten, überkommene Strukturen zu reformieren und Maßnahmen, die sich nicht mehr vermitteln, zu überdenken. Bund und Länder sollten die Gespräche über einen einheitlichen Regulierungsrahmen für den Jugendmedienschutz beizeiten wieder aufnehmen. Sie sollten die unterschiedlichen Problemfelder transparent machen, sich mit den vorliegenden Argumenten auseinandersetzen und sich den verschiedenen Ansätzen nicht verschließen. Ich bin mir sicher: Im Austausch miteinander lässt sich eine für alle Seiten tragfähige und auch nachvollziehbare Lösung finden – dann, wenn das derzeit viel zentralere Problem Corona überwunden ist.
Ihre Claudia Mikat