Meinungsfreiheit ist keine Einbahnstraße

Eva Maria Lütticke im Gespräch mit Josephine Ballon

Josephine Ballon ist Geschäftsführerin von HateAid, einer gemeinnützigen Organisation, die sich seit Jahren für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert. Mit ihrer aktuellen Kampagne #UnserInternet setzt sich HateAid dafür ein, das Internet nicht den wenigen lauten Stimmen zu überlassen. Im Gespräch mit mediendiskurs spricht Ballon darüber, wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 2/2024 (Ausgabe 108), S. 36-41

Vollständiger Beitrag als:

Im Internet hat man oft das Gefühl, dass man sich in einem rechtsfreien Raum bewegt, in dem man alles sagen kann. Ist das so etwas wie die ultimative Freiheit?

Das ist definitiv kein rechtsfreier Raum. Die meisten Gesetze, die wir haben, um zu regeln, was man sagen darf und was nicht, gelten im digitalen Raum genauso wie auf der Straße. Allerdings ist das Internet nach wie vor ein Raum mit mangelnder Rechtsdurchsetzung. Dadurch verschiebt sich natürlich die Wahrnehmung dazu, was man ungestraft tun kann und was nicht, also von dem, was erlaubt ist. Das betrifft nicht nur diejenigen, die rechtswidrige Inhalte verbreiten, sondern auch die Betroffenen. Denn sie merken, dass hier kaum Konsequenzen drohen, selbst wenn sie beleidigt werden oder Dickpics erhalten.

In Ihrer repräsentativen Studie, die Sie zusammen mit Das NETTZ, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und den Neuen deutschen Medienmacher*innen durchgeführt haben, kommen Sie zu dem Schluss, dass Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht. Können Sie das näher erläutern?

Es ist, gerade auch aus rechtlicher Perspektive, wichtig zu betonen, dass Meinungsfreiheit keine Einbahnstraße ist. Nur weil etwas im Internet gesagt wird, bedeutet das nicht, dass man alles sagen darf. Wenn wir von Meinungsfreiheit sprechen, müssen wir berücksichtigen, dass wir einen Raum schaffen müssen, in dem Menschen sich trauen können, ihre Meinung zu äußern und an Debatten teilzunehmen. Denn ohne diese Möglichkeit ist es nicht weit her mit der Meinungsfreiheit – und die Meinungsvielfalt ist gefährdet. Wenn wir diesen Raum nicht schaffen, gibt es nur eine kleine Minderheit, die besonders gut verstanden hat, wie man Debatten an sich reißen kann, und dafür sorgt, dass die öffentliche Debatte in eine bestimmte Richtung verschoben wird. Dies führt dazu, dass sich immer mehr Menschen aus dem Diskurs zurückziehen und sich kaum noch trauen, an politischen oder gesellschaftlichen Auseinandersetzungen teilzunehmen. Das ist hochgefährlich.
 


Wenn wir von Meinungsfreiheit sprechen, müssen wir berücksichtigen, dass wir einen Raum schaffen müssen, in dem Menschen sich trauen können, ihre Meinung zu äußern und an Debatten teilzunehmen. Denn ohne diese Möglichkeit ist es nicht weit her mit der Meinungsfreiheit – und die Meinungsvielfalt ist gefährdet.“



Es scheint, dass vor allem extreme Meinungen online viel Raum einnehmen, wie z. B. die Rechten, die vermehrt auf TikTok Reichweite erzielen. Gibt es bestimmte Plattformen, die besonders anfällig sind?

Tatsächlich trifft das auf alle großen Social-Media-Plattformen zu, aber auch auf einige kleinere. Der Diskurs wird dort zunehmend polarisierter und kann in digitale Gewalt umschlagen. Bestimmte Plattformen sind von Zeit zu Zeit mehr im Trend als andere. Wenn man sich z. B. die Statistiken der Nutzenden bei Facebook anschaut, sind dort nicht mehr so viele junge Leute zu finden. Diese Zielgruppe ist jetzt vermehrt auf TikTok aktiv, wo spezifische Gefahren für Jugendliche bestehen, da der Jugendschutz dort nur schwer gewährleistet werden kann. Das heißt, da sind im Zweifel auch Minderjährige sehr gewaltvollen Inhalten ausgesetzt, weil keinerlei Altersverifizierung stattfindet. Außerdem gibt es natürlich immer noch X/Twitter, das vor allem für politische und journalistische Debatten wichtig ist. Die Trending Topics auf Twitter haben eine gewisse Macht, Themen im öffentlichen Diskurs zu setzen. Aber auch Instagram ist eine wichtige Plattform geworden. Mittlerweile sind nicht mehr nur Politiker*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen Ziel von Angriffen, sondern auch Influencer*innen. Sie laden Fotos von sich hoch und werden dafür mit Vergewaltigungsandrohungen und Dickpics überschüttet.

Es sind vor allem weiblich gelesene Personen und Menschen mit migrantischem Hintergrund, die angegriffen werden. Können Sie sich erklären, warum diese Personengruppen besonders im Fokus stehen?

Digitale Gewalt ist kein Zufall. Das heißt, es gibt Menschen, die sind besonders prädestiniert, um an ihnen ein Exempel zu statuieren. Es geht hier nicht um den Einzelfall – also z. B. eine Influencerin einzuschüchtern –, sondern darum, an ihr ein Exempel zu statuieren. Dies geschieht vor allem dann, wenn bestimmte Merkmale vorhanden sind, die eine Ausstrahlungswirkung erzielen können. Wenn eine Frau ihre Meinung äußert, wird sie oft mit negativen Konsequenzen konfrontiert. Diese Dynamik wird von vielen beobachtet, ebenso wie die scheinbare Hilflosigkeit der angegriffenen Personen.

Spielt die Angst vor Shitstorms auch eine Rolle?

Auf jeden Fall. Das ist ein Grund dafür, warum Menschen nicht mehr am Diskurs partizipieren. Es liegt nicht nur daran, dass die Personen alle schon persönlich angegriffen wurden, dafür sind es zu viele, die sich zurückhalten. Vielmehr beeinflusst auch die Wirkung auf die Mitlesenden deren Entscheidung, sich am Diskurs nicht mehr zu beteiligen.
 


Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht ist eine repräsentative Studie, die gemeinsam von Das NETTZ, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), HateAid und den Neuen deutschen Medienmacher*innen als Teil des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz durchgeführt wurde. (Bild: © Stefanie Loos)


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Sehen Sie durch den Einsatz von KI-generierten Inhalten eine noch größere Gefahr?

Die Ausprägungen digitaler Gewalt, die KI mit sich bringt, haben aktuell vor allem eine sehr geschlechtsspezifische Komponente. Deepfakes können quasi aus dem Nichts erstellt werden. Dabei sehen wir, dass dies vor allem für pornografische Darstellungen missbraucht wird, bei denen es klar darum geht, Frauen anzugreifen. Jedoch sind auch andere Bereiche der Desinformation davon betroffen. Bildmanipulationen werden aktuell auch häufig genutzt, um beispielsweise den Holocaust zu leugnen. Diese Gefahr wird im Internet noch verstärkt, da wir einerseits darauf gepolt sind, zu glauben, was wir sehen, und andererseits selten hinterfragen, was wir im Internet sehen.

Digitale Gewalt hat viele Ausprägungen, beispielsweise Cybermobbing oder auch Identitätsdiebstahl. Was begegnet Ihnen in Ihrer Arbeit am häufigsten?

Hasskommentare, hasserfüllte oder drohende E-Mails und Privatnachrichten werden bei uns immer noch am häufigsten gemeldet. Aber auch Vorfälle wie Doxing und die Zusendung von Dickpics kommen vor. Ich kann gar nicht genug betonen, wie häufig das passiert. Leider! Auch die Verleumdung von Menschen ist ein häufiges Problem, da es sehr einfach ist, Lügen im Internet zu verbreiten, die jedoch weitreichende Konsequenzen haben können. Was die Fallzahlen anbelangt, sind Bildbearbeitungen zwar weniger häufig, aber die Fälle sind oft schwerwiegend, da das Missbrauchen eigener Bilder, sei es für pornografische Darstellungen, andere Formen der Desinformation oder Beleidigung, für die Betroffenen einfach sehr einschneidend ist.

Wie können sich Betroffene wehren? Was sind die ersten Schritte, die man unternehmen muss?

Ich habe leider auch kein Patentrezept dafür, wie man sich im digitalen Raum bewegt und nicht angegriffen wird. Das ist etwas, das man kaum vermeiden kann. Aber es ist entscheidend, dass man nicht erst dann darüber nachdenkt, wenn es passiert, sondern dass man darauf vorbereitet ist und sich präventiv gut aufstellt. Das bedeutet, sensible Daten wie Privatadressen, Namen und Schulen der Kinder oder des Partners im Idealfall nicht im Internet preiszugeben, da sie gefunden und gezielt genutzt werden können, um einen mundtot zu machen oder Bedrohungen aus dem digitalen Raum in den analogen Raum zu tragen. Melderegistersperren sind z. B. eine Möglichkeit, um die Privatadresse zu schützen, was wir allen empfehlen, die sich regelmäßig an Debatten beteiligen oder berufsbedingt solchen ausgesetzt sind. Zudem sollte man sich überlegen, wie man Beweise sichern kann. Man sollte sich außerdem Unterstützungsstrukturen suchen. Auch das Entwickeln von individuellen Bewältigungsmechanismen ist wichtig. Leider wird digitale Gewalt oft noch bagatellisiert mit der Aussage, dass alles ja „nur“ im Internet stattgefunden habe und deshalb nicht so schlimm sei.
 


Leider wird digitale Gewalt oft noch bagatellisiert mit der Aussage, dass alles ja „nur“ im Internet stattgefunden habe und deshalb nicht so schlimm sei.“



Was kann man konkret tun, wenn man angegriffen wird?

In erster Linie sollte man die Inhalte in den sozialen Netzwerken melden. Denn nur so besteht die Chance, dass sie entfernt werden. Was einmal entfernt ist, kann nicht mehr geteilt werden.

Was aber, wenn die sozialen Netzwerke untätig bleiben?

Leider passiert das immer noch zu oft. Es gibt nun ein neues gesetzliches Rahmenwerk auf europäischer Ebene, den Digital Services Act (DSA). Darin sind bestimmte Abhilfemechanismen vorgesehen. Man kann Beschwerde einlegen und außergerichtlich versuchen, eine Streitbeilegung herbeizuführen. Das kostet natürlich Zeit, was nicht ideal ist. Dennoch sollte man versuchen, diese Möglichkeiten auszuschöpfen, oder sich z. B. bei einer Beratungsstelle wie HateAid oder anderen Institutionen melden, die möglicherweise weitere Optionen bieten. Jedenfalls sollte man in dem Moment, wo man den Eindruck hat, dass eine rechtliche Grenze überschritten wurde, sofort Screenshots machen, um diese später anzeigen zu können. Dabei müssen sich Betroffene nicht hundertprozentig sicher sein, dass eine rechtliche Grenze überschritten wurde. Das ist Aufgabe der Behörden. Idealerweise sollten die Screenshots das Datum und die Uhrzeit der Äußerung erkennen lassen und den Kontext klar darstellen. Wir sprechen dabei von rechtssicheren Screenshots, wobei „rechtssicher“ natürlich relativ ist, da sie nie zu 100 % beweiskräftig sind. Aber wenn alle relevanten Informationen abgebildet sind, kann man darüber nachdenken, eine Strafanzeige zu erstatten oder sich möglicherweise auch zivilrechtlich zu verteidigen.

Bei manchen Gerichtsurteilen hatte man das Gefühl, dass die Richter*innen gar kein Bewusstsein oder Verständnis für die Onlinemechanismen hatten, unter denen u. a. Hatespeech stattfindet. Hat sich diesbezüglich gesellschaftlich etwas verändert?

Mal so, mal so. Ich denke, dass insgesamt das Bewusstsein für digitale Gewalt und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft gestiegen ist. Das zeigt sich auch an der Häufigkeit der medialen Berichterstattung. Allerdings gibt es trotzdem noch diverse Vorurteile, sei es in der Justiz oder in der Gesellschaft, nach denen digitale Gewalt nicht so schlimm eingestuft wird wie analoge Gewalt. Das führt dazu, dass Betroffene sich immer noch nicht hundertprozentig sicher sein können, ernst genommen zu werden, egal ob sie eine Anzeige erstatten wollen oder einfach nur darüber sprechen möchten. Besonders bei geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt, die oft sehr sexualisiert und intim ist und dadurch extrem schambehaftet, ist es schwierig, sich zu trauen, darüber zu sprechen. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir sein sollten, um das Problem wirklich umfassend anzugehen. Denn es gibt nicht den einen Weg, um das Problem zu lösen.
 


Besonders bei geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt, die oft sehr sexualisiert und intim ist und dadurch extrem schambehaftet, ist es schwierig, sich zu trauen, darüber zu sprechen.“



Was sind Möglichkeiten, Betroffene besser zu schützen?

In erster Linie ist es die Strafverfolgung, die gefragt ist. Obwohl sich in dieser Hinsicht gesetzgeberisch einiges getan hat, sind wir da noch nicht am Ende. Nehmen wir noch einmal das Thema „Deepfakes“. Da ist es leider so, dass der gesetzliche Rahmen in Deutschland die Verbreitung pornografischer Deepfakes nicht vernünftig abbilden kann. Das heißt, es macht rechtlich kaum einen Unterschied, ob ein Foto, auf dem Sie angezogen sind, oder ein gefälschtes Nacktfoto von Ihnen unberechtigt verbreitet wird. Da muss sich etwas ändern. Wenn Frauen so etwas zur Anzeige bringen, kostet das viel Überwindung und kann extrem belastend sein. Erleben die Frauen dann, dass das Verfahren eingestellt wurde mangels öffentlichen Interesses, ist das mehr als nur ernüchternd. Insgesamt hat sich, was die Beurteilung von Beleidigungsdelikten im Internet anbelangt, bei den Gerichten allerdings schon einiges geändert. Dazu hat HateAid auch einen Beitrag geleistet, da wir mit Renate Künast in einem Fall bis zum Bundesverfassungsgericht gegangen sind.

Schließt das Gesetz gegen digitale Gewalt ein paar dieser Gesetzeslücken?

Das Gesetz gegen digitale Gewalt hat einen sehr vielversprechenden Namen erhalten, aber im Kern geht es vor allem um zwei Aspekte, die punktuell hilfreich sein können. Es wird hauptsächlich darum gehen, Auskunftsverfahren gegen Plattformen zu führen, um zunächst zu identifizieren, wer hinter bestimmten Accounts steckt, und diese Anonymität zu durchbrechen, um dann rechtliche Schritte einzuleiten. Das zweite Thema betrifft die Möglichkeit, die Sperrung von Accounts zu verlangen, die wiederholt durch unangemessenes Verhalten aufgefallen sind. Wie genau das umgesetzt wird, bleibt abzuwarten, da der Gesetzentwurf noch nicht veröffentlicht wurde. Diese beiden Maßnahmen können durchaus sinnvoll sein, ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass Gerichtsverfahren nach wie vor mit enormen Kosten verbunden sind. Es dauert immer noch anderthalb Jahre oder länger, um eine Gerichtsentscheidung zu erwirken. Sie sehen, der Prozess bleibt trotzdem sehr mühsam.

Durch die sozialen Medien sind wir alle zu Akteur*innen geworden. Wir können Inhalte posten und eine Reichweite aufbauen. Das hat die Dynamik erheblich verändert. Müssen wir mehr an die Eigenverantwortung der Nutzenden appellieren?

Das Internet bietet zahlreiche Chancen, insbesondere durch soziale Netzwerke, um Sichtbarkeit zu erlangen, eigene Positionen zu vertreten und nicht nur Meinungen zu konsumieren, sondern auch aktiv am Meinungsbildungsprozess teilzuhaben und gehört zu werden. Selbst Personen mit begrenzten Ressourcen oder Verbindungen können über das Internet Sichtbarkeit erlangen, was eine bedeutende Chance darstellt. Allerdings wird diese Möglichkeit aufgrund von Instrumentalisierung und organisierten Hasskampagnen oft ins Gegenteil verkehrt. Dagegen müssen wir aktiv angehen, da ansonsten das, was wir öffentliche Meinung nennen, nur ein einseitiges, verzerrtes und manipuliertes Abbild der Realität ist. Hinzu kommt, dass wir uns irgendwann dafür entschieden haben, unsere öffentliche Meinungsbildung in die Hände der sozialen Netzwerke zu legen. Dahinter stehen jedoch privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die nicht an Standards wie presserechtliche Vorgaben gebunden sind, meist im Ausland sitzen und bei denen die Grundrechte nur schwer durchzusetzen sind. Das macht es schwierig. Umso mehr müssen wir als Gesellschaft vor allem die digitale Bildung fördern. Man darf nicht alles glauben, was man sieht, und man sollte nicht alles teilen, wenn man nur die Überschrift gelesen hat.
 


Das Internet bietet zahlreiche Chancen, insbesondere durch soziale Netzwerke, um Sichtbarkeit zu erlangen, eigene Positionen zu vertreten und nicht nur Meinungen zu konsumieren, sondern auch aktiv am Meinungsbildungsprozess teilzuhaben und gehört zu werden.“



Wie kann das Internet der Zukunft aussehen?

Das Internet der Zukunft … Da würden bei HateAid viele Menschen sicherlich unterschiedliche Antworten geben. Für mich ist es in erster Linie ein Ort, in dem man Rechte hat und diese auch durchsetzen kann. Denn ich glaube, dass der Rechtsstaat etwas ziemlich Gutes ist, wenn er als wirksam empfunden wird und dann natürlich auch regulierend wirken kann – wenn Menschen beispielsweise häufiger Konsequenzen spüren für volksverhetzende Inhalte oder Bedrohungen, die ausgesprochen werden.

Wir hatten vor Kurzem ein sehr wichtiges Urteil im Fall Sawsan Chebli, welches gut in die aktuelle (Re‑)Migrationsdebatte passt. Das Gericht hat hier ungewöhnlich deutliche Worte gefunden. Es betonte die rechtsradikale Natur der Äußerungen, die klar auf eine Deportation hindeuteten, und bewertete diese daher als schweren Eingriff in die Menschenwürde. Eigentlich klingt das nach einer Selbstverständlichkeit, aber es ist keine, weil solche Äußerungen selten vor Gericht gebracht werden.

Wenn Gerichte derart klar Stellung beziehen und zeigen, dass im Internet eben nicht alles erlaubt ist, dann schreckt das hoffentlich Täter*innen ab und ermutigt Betroffene, sich ebenfalls zu wehren. Wenn wir dahin kommen, dass das Internet kein rechtsdurchsetzungsfreier Raum mehr ist, dann findet hoffentlich ein Umdenken statt. Langfristig ist das Internet so in Zukunft wieder ein Raum, wo Menschen sich frei äußern können, ohne Angst vor Morddrohungen und massenhaften Beleidigungen zu haben. Also Dinge, die heutzutage fast schon ein Automatismus sind, wenn man sich zu einer breiten Palette an gesellschaftlich relevanten Themen äußert. Das wäre schön. Neben einigen anderen Themen, die die sozialen Netzwerke und deren Umgang mit unseren Daten betreffen, ist und bleibt das mein Hauptanliegen.

Josephine Ballon ist Geschäftsführerin von HateAid.

Eva Lütticke studierte Medienwissenschaften (M.A.) an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Zurzeit arbeitet sie als Redakteurin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).