Wie grün ist unser Medienverhalten?

Brigitte Zeitlmann

Brigitte Zeitlmann ist Hauptamtliche Prüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) sowie Mitglied der medienradar-Redaktion.

Das Portal medienradar bietet aktuelle medien(‑ethische) Themen für Lehrkräfte an, indem sowohl Hintergrundartikel, Mediensammlungen, Statistiken, Erklärvideos und Lehrmaterial für den Einsatz im Unterricht bereitgestellt werden. Die Auswahl der Themen orientiert sich dabei an der medialen Relevanz für Kinder und Jugendliche in ihrem Alltag. Jüngst erschienen ist das Dossier Umweltfaktor Digitali­sierung – Wie grün ist unser Medienverhalten?. Lehrkräfte erhalten in diesem Dossier umfangreiche Materialien, die sie dabei unterstützen sollen, den Kenntnisstand von Schüler:innen zu erweitern, kontroverse Sichtweisen zuzulassen und Denkprozesse in Gang zu setzen.

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 2/2023 (Ausgabe 104), S. 48-51

Vollständiger Beitrag als:

Wird heutzutage über das gesellschaftspolitische Engagement von Jugendlichen gesprochen, ist ihre Beteiligung an Umweltschutzmaßnahmen das Erste, was einem in den Sinn kommt. Kaum ein anderes Thema hat in den letzten Jahren so viele junge Menschen politisiert und mobilisiert.

Das mediale Echo ist entsprechend groß. In Talkshows sind junge Aktive gern gesehene Gäste, Reportagen dokumentieren ihre politische Teilhabe. Insbesondere Social-Media-Kanäle werden genutzt, um drängende Umweltthemen zu behandeln, zu teilen und sich zu vernetzen.

Seit Längerem dient das Thema „Klimawandel“ darüber hinaus als Stoff für jugendaffine fiktionale Filme, Serien und Games. Häufig handelt es sich hier (noch) um eine dystopische Auseinandersetzung, in der katastrophale Auswirkungen von unverantwortlichem Handeln zum Thema gemacht werden.

Die starke (mediale) Präsenz des ökologischen Themas ermöglicht es jungen Menschen bereits, fundierte Positionen zu etablieren. Gleichzeitig sind diese nicht als starr zu begreifen, sondern unterliegen – entsprechend dem wachsenden Kenntnisstand der Gesellschaft, aber auch der kognitiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – einem gewissen Wandel. Ebenso wenig sind die Positionen als trennscharf zu verstehen. Aber: Sie polarisieren und treffen im Alltag manchmal recht brüsk aufeinander. Dabei ist vielen Beteiligten ein Gefühl der Überforderung gemeinsam. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich müssen globale Probleme auch übergreifend gelöst werden – und so stehen sowohl die internationale Politik als auch die Großunternehmen als Hauptverursacher der Umweltverschmutzung in der Pflicht, verantwortlich zu handeln. Aus dem Gefühl der Überforderung kann Druck entstehen, dieser wiederum erschwert eine erkenntnisoffene Reflexion. Das ist fatal in einer Welt, in der gesellschaftlicher Zusammenhalt für die Lösung globaler Probleme unabdingbar ist.
 

Klimakrise – Junger Aktivist diskutiert mit skeptischem Rentner (ZDF heute, 24.04.2020)



Medien greifen diese Themen auf und helfen insbesondere bei der Informationsvermittlung, der Sichtbarmachung des ökologischen Diskurses und der Vernetzung von Interessengruppen. Die Digitalisierung an sich ist jedoch auch ein Umweltfaktor, u. a. durch den enormen Energieverbrauch bei der Herstellung und Nutzung von digitalen Medien, durch die Ausbeutung seltener Ressourcen, den gestiegenen Materialieneinsatz und die vermehrten Transportwege.

Während jedoch medial viel über „analoge“ Umweltverschmutzung – beispielsweise im Transportwesen, im Energiesektor oder der Müllentsorgung etc. – gesprochen wird, ist der Anteil der Digitalisierung am Klimanotstand weitaus seltener Diskussionsthema. Insbesondere im medienpädagogischen Kontext wird dieser Aspekt bisher kaum behandelt.
 

Themenschwerpunkte Dossier

Um eine offene Kommunikation im schulischen und außerschulischen Bereich zu fördern, ist eine nähere Betrachtung der verwendeten Begriffe, der Framings und Perspektiven hilfreich. Wie sollen wir über das reden, was mit unserem Planeten passiert? titelte die „Washington Post“ und fragt damit nach einer angemessenen Sprache über den Klimawandel. Dieser Aufgabe stellt sich Jana Papenbroock in dem Verzeichnis Klimakompetenz stärken: Aufgeben ist keine Option!1. In kurzen Abschnitten werden gängige Klimabegriffe und Framings hinterfragt, um sie handlungsorientierten Alternativen gegenüberzustellen.

Produktwerbung mit gängigen Klimabegriffen wie „klimaneutral“ oder sogar „klimapositiv“ kann sich für Unternehmen umsatzsteigernd auswirken. Dass sich manche Konzerne wie „Wölfe im Froschpelz2 geben, verdeutlicht David Assmann und fordert ein verantwortungsvolles Handeln der Wirtschaft. Das gewährleiste nicht nur ihren guten Ruf – schließlich riskieren sie mit Täuschungsmanövern einen hohen Imageschaden –, es fördere insbesondere den notwendigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel.

Auch die Medienbranche wirbt mit klimaeffizientem und nachhaltigem Konsum bei digitalen Produkten. Inwieweit es sich dabei auch um Greenwashing handelt, wird in dem Artikel Grün ist eine profitable Farbe3 näher betrachtet.

Nicht alle Medienbranchen vermarkten jedoch das grüne Image gleichermaßen. Insbesondere die Gaming-Branche verhält sich diesbezüglich etwas zurückhaltender. Prof. Sylvius Lack erläutert in kurzen Videosequenzen die Relevanz des Klimaschutzes für digitale Spiele. In „Aus der Not eine Tugend machen4 werden aktuelle Entwicklungen auf dem Markt benannt und Inhalte von Spielen vorgestellt, die sich mit dem Thema „Klima“ auseinandersetzen. Überdies wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren für ein intensives Spielerlebnis relevant sind.

Was sagen Jugendliche zu dem Zusammenhang von Klimaschutz und Medien? In Zusammenarbeit mit DOXS RUHR entstand ein Podcast5, in dem junge Menschen gemeinsam über die Präsenz von Klimaschutz und Medien in ihrem persönlichen Leben sprechen und über ihr Gefühl, dass viele der politischen Entscheidungen die Interessen Jugendlicher nach wie vor nicht vertreten, sondern vornehmlich für Konzerne und deren Wachstum gemacht sind.
 


Das Thema „Umweltfaktor Digitalisierung“ ist komplex



Um zukunftsgerichtetes Auftreten geht es in der Playlist Medienauftritte zu Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit6. Das Internet ist zur Plattform der globalen Klimabewegung geworden – ohne Onlineaktivismus wäre organisiertes politisches Engagement heute kaum noch denkbar. Eine umfangreiche Sammlung präsentiert die Medienauftritte unterschiedlicher Akteure, Initiativen, Tools und Plattformen.

Für die Teilhabe am Onlineaktivismus sind Smartphones unverzichtbar geworden. Wie klimafreundlich das ist, demonstriert das Erklärvideo Die Klimabilanz deines Smartphones7. Im Lehrmaterial stehen Lehrkräften überdies Unterrichtseinheiten von Max Martens für die Klassenstufen 7/8, 9/10 und 11/12 mit unterschiedlicher Fächeranbindung zur Verfügung. In diesen Einheiten wird ein besseres Verständnis für den Klimanotstand gefördert, eine Reflexion verschiedener Perspektiven unterstützt, und auch mögliche Handlungsweisen werden aufgezeigt. Außerdem wird berücksichtigt, dass viele Schüler:innen gerade bei den Themen „Digitalisierung“ und „Klimaschutz“ über eine starke Expertise verfügen, die sie konstruktiv in den Unterricht einbringen können.
 

Die Klimabilanz deines Smartphones (Medienradar, 06.03.2023)



Das Thema „Umweltfaktor Digitalisierung“ ist komplex. Deshalb werden weitere Inhalte, wie z. B. eine Sammlung von (Fernseh‑)Dokumentationen und Reportagen zu den Themen „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“, im Laufe des Jahres 2023 folgen.

 

Anmerkungen:

1) Papenbroock, J.: Klimakompetenz stärken: Aufgeben ist keine Option! Ein Verzeichnis zur besseren Kommunikation des Klimanotstandes. In: Medienradar, 12/2022. Abrufbar unter: www.medienradar.de

2) Assmann, D.: Wölfe im Froschpelz. Wie Greenwashing Profite steigert und Klimaschutz verhindert. In: Medienradar, 1/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de

3) Assmann, D.: Grün ist eine profitable Farbe. Die Bedeutung der Digitalisierung für die Klimabilanz des Medienkonsums. In: Medienradar, 2/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de

4) Lack, S./Zeitlmann, B.: „Aus der Not eine Tugend machen“. Ein Interview zur Nachhaltigkeit von digitalen Spielen. In: Medienradar, 2/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de

5) DOXS RUHR/Azahrai, J./Kitter, C./Uhlig, D.: „… es geht darum, dass Alle mitreden!“. Ein Podcast mit Jugendlichen über Klimaschutz und Medien. In: Medienradar, 2/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de

6) Ávila González, E./Lütticke, E. M./Uhlig, D./Zeitlmann, B.: Medienauftritte zu Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit. Webseiten, Social-Media und Podcasts. In: Medienradar, 2/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de

7) Diehl, A. L./Kitter, C./Schneider, J. F.: Die Klimabilanz deines Smartphones. Erklärvideo. In: Medienradar, 2/2023. Abrufbar unter: www.medienradar.de