Zwischen APPetizer und APPlenkung

Digitalisierung in der medienpädagogischen Praxis

Bernward Hoffmann

Dr. Bernward Hoffmann ist Professor für Medienpädagogik an der FH Münster im Fachbereich „Sozialwesen“.

Im Alltag sind Apps oft Appetizer, die von Freunden empfohlen wurden, nicht viel kosten dürfen, kurz ausprobiert werden und vielleicht Lust auf mehr machen. Wir Menschen bleiben bei dem hängen, was uns „schmeckt“, was uns nützlich erscheint oder was uns Ablenkung verschafft. Risiken liegen in der „Applenkung“, wenn wir nicht bewusst registrieren (wollen oder können), was die App mit und für uns macht und was im Hintergrund noch alles abläuft. Dazwischen sollten (und können) Lernprozesse kritisches Bewusstsein einstreuen.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 2/2020 (Ausgabe 92), S. 18-21

Vollständiger Beitrag als:

„You press the button, we do the rest.“ Mit diesem Werbespruch warb 1888 George Eastman in den Gründerjahren der analogen Fotografie für seine Kodak-Fotoprodukte. Heute gibt es für alles eine App, die erledigt, was wir nicht können oder was uns zu mühevoll erscheint. An der Schnittstelle von Können (in Verbindung mit Wissen) und Wollen zeigt sich medienkompetentes Verhalten, auf das Medienpädagogik abzielt: Was und wer motiviert uns zur Nutzung welcher Apps? Welche Mühen, welches Know-how kann uns eine App, können uns digitale Technik und Algorithmen bedenkenlos abnehmen? Im Gegenzug: Wo verdeckt die scheinbare Mühelosigkeit des Machens Lernchancen und Verstehen, die für eine kritische Medienkompetenz notwendig wären?
 

Digitalisierung und medienpädagogische Praxis

Digitalisierung und veränderte Mediatisierung beeinflussen – schnell, zunehmend, teils unbemerkt – unsere Art zu leben. Mit dem Smartphone als All-in-one-Medium halten wir die digitale Welt gebündelt in unserer Hand, aber das Medium klebt auch an uns. Will der Mensch konstruktiv, selbstbewusst und sozial verantwortlich damit umgehen, muss er (Medien‑)Kompetenzen erwerben. Diese Kompetenzen werden teils funktional durch die Nutzung der Medien selbst und in Abhängigkeit von ihren Möglichkeiten erworben, teils bedarf es intentional gelenkter, d.h. anregender und gut begleiteter Bildungsprozesse mit und gegenüber Medien. Medienkompetenz ist wichtig auch im präventiven Jugendschutz (vgl. Brüggen u.a. 2019). Dabei wird praktische Medienarbeit seit Jahrzehnten als Königsweg der Förderung von Medienkompetenz bezeichnet (vgl. Baacke u.a. 1999), bleibt aber notwendig mit Medienkritik verbunden (vgl. Niesyto/Moser 2018), verstanden als Kompetenz zu einer kritisch-reflexiven Haltung gegenüber Medien, ihrer Gestaltung und ihrer kommunikativen Wirkung sowie zu einer konstruktiven Anwendung der Medien im Hinblick auf das eigene Handeln.
 


Mit dem Smartphone als All-in-one-Medium halten wir die digitale Welt gebündelt in unserer Hand, aber das Medium klebt auch an uns. 



Grundlegende Lernszenarien verändern sich durch digitale Technik und Apps. In allen Bereichen der praktischen Medienpädagogik sind Veränderungen wahrnehmbar, die jedoch wenig reflektiert und empirisch erforscht sind und werden. Dieser Beitrag greift auf Empirie im Sinne von Erfahrung zurück, da ich bereits in den 1970er-Jahren mit praktischer Medienarbeit begonnen habe und diese bis heute praktiziere.
 

Veränderungen medienpädagogischer Praxis durch digitale Medien

Ende der 1990er‑Jahre wurden digitale Camcorder und Videokarten für den Computer markttauglich, aber erst nach und nach technisch verlässlich in der Anwendung. Digitales Video (DV) ermöglichte nonlinearen und nondestruktiven Videoschnitt, verlustfreies Kopieren, einfachere und präzisere Editiermöglichkeiten und höhere Bildqualität. Und mit der Videobearbeitung am Computer öffnete sich auch die Wundertüte der Effekte: Trickblenden, Slow Motion, Beschleunigung, Bildmontagen, Farbverfremdungen, digitale Special Effects u.v.m. Die technischen Möglichkeiten veränderten das mediale Produzieren, die Mediengestaltung und die Erwartungen an mediale Produkte.

Mit dem ersten iPhone 2008 (iPad ab 2010) begann der Siegeszug des Smartphones. Mit den jeweils neuen Modellen diverser Hersteller verbesserten sich die eingebauten Kameras und Mikrofone. Und auch die entsprechenden Apps entwickelten sich so rasant, dass Überblick und sinnvolle Auswahl inzwischen schwierig sind.

Die Möglichkeiten digitaler Medientechnik haben generell Auswirkungen auf:

  • Medienberufe und die Vorstellung davon sowie die Anforderungen an die Akteure,
  • den Zugang zu „glokalen“ Öffentlichkeiten jenseits der Medieninstitutionen,
  • Gestaltungsformen und Formate (Beispiel YouTuber, Videotutorials, Streaming …),
  • Stereotype der Wahrnehmung und Gestaltung,
  • die Tradierung etablierter Kulturtechniken (z.B. Hör- und Sehfähigkeit, Schrift, Lese- und Ausdrucksfähigkeit …).

Für Foto, Audio und Video soll im Folgenden exemplarisch verdeutlicht werden, wie man zwischen Appetizern und Applenkung medienpädagogische Praxis mit kritischem Anspruch verorten kann.
 

Fotografie

Trotz vieler Automatisierungen und Vereinfachungen galt während des Jahrhunderts der analogen Fotografie: Wer bessere Fotos machen wollte, brauchte eine manuell bedienbare Spiegelreflexkamera und entsprechende Kompetenz zur Bedienung; Können und Geduld waren gefragt, wenn man im eigenen Labor Abzüge erstellen wollte. In der Regel stand aus Kostengründen nur beschränktes Filmmaterial zur Verfügung; man überlegte länger, bevor der Auslöser gedrückt oder ein Abzug bestellt wurde, der dann Tage auf sich warten ließ. Nur mit angewandtem Wissen zur Fotogestaltung und bei entsprechenden (Licht‑)Bedingungen konnte man auch mit einfachen Kameras gute Fotos machen.

Das ist eine Weile her, da ab Mitte der 1990er‑Jahre die Digitalfotografie auch im Amateurbereich die analoge Welt abzulösen begann. Seitdem fotografieren wir „WYSIWYG“: „What you see is what you get“ – und wissen kaum mehr, wohin mit den vielen Bildern. Digitalkameras boomten bis etwa 2008, dann ließ das Smartphone mit ständig verbesserten Kameraleistungen die Verkaufszahlen in den Keller sinken. Das Fachinteresse an Fototechnik ist bei Menschen in Deutschland in den letzten Jahren leicht gesunken und mit gerade einmal 20 % überraschend gering (vgl. Tenzer 2019); am Fotografieren sind gut 10 % der Menschen besonders interessiert.
 


„What you see is what you get“



Trotz eines nur teilweise vorhandenen Fachinteresses gehört Fotografieren in Verbindung mit Social Media zu den beliebtesten und meistgenutzten Smartphone-Aktionen. Das Bedürfnis nach Fotonutzung und Bild-Publicity scheint vorhanden, aber weniger Interesse und Bereitschaft, sich mit dem Medium genauer auseinanderzusetzen. Da kommen die Apps (vgl. Computer Bild) mit ihren einfachen automatisierten Bearbeitungen der Fotos gerade passend.

Mit dem Smartphone in der Hand und entsprechenden Apps bieten sich viele methodische Möglichkeiten – von einer simplen Veranschaulichung über kritische Bilddokumentation und Memory, Puzzle etc. bis hin zu Selbsterfahrungen durch Porträtfotografie mit Experimenten und Verfremdungen sowie der Analyse der Selfieaktionen. Pädagogische Medienarbeit kann mit nur einem Gerät und dem Prinzip „Bring your own device“ realisiert werden. Umfangreiche und teure Ausstattung sowie aufwendige technische Einführungen entfallen. In relativ kurzer Zeit sind vorzeigbare Ergebnisse möglich und können beliebig gespeichert, kopiert, weiterverarbeitet und weitergegeben werden.

Mit der Menge der Möglichkeiten scheint die Bereitschaft zu sinken, sich genauer und verstehend auf das Medium und seine Gestaltungsgesetze einzulassen; man kennt das doch schon alles irgendwie durch die eigene Mediennutzung und traut sich das Können bei Bedarf auch zu – natürlich (nur) mit der richtigen App. Das Ziel praktischer Medienarbeit, kritische Medienkompetenz, wird durch multiplizierte Anwendungen nicht automatisch erreicht. Die Gestaltungsmittel sind anders: So ist beispielsweise bei der Digitalfotografie mit Smartphone und einfachen Kameras ein Kern der Fotografie, die Gestaltung mit Tiefenschärfe und Schärfenverlagerung, kaum möglich, es sei denn, man greift zu einer teuren und komplizierteren Vollformat-DSLR oder einer entsprechenden Nachbearbeitungsapp. Um entsprechendes Wissen einzuholen, gibt es natürlich auch spezielle Apps, z.B. Simple DoF Calculator (iOS) bzw. DOF Calculator (Android), die bei der Bestimmung der Tiefenschärfe helfen. Das Ergebnisfoto ist beliebt, aber der Wissensdurst zum Fotografieren ist bei vielen Menschen eher geringer.
 

Audioarbeit

Auch im Bereich der Hörmedien hat sich vieles verändert. Der Umsatz von CD-Alben ist durch die YouTube- und Streamingkonkurrenz in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte gesunken, ebenso sinken die Umsätze von CD-/DVD-Rohlingen zum Brennen eigener Ton- und Bildträger kontinuierlich. Beides ist nicht gleichbedeutend mit Nutzerschwund, sondern dahinter steht ein verändertes Nutzerverhalten: Man braucht nicht mehr die eigene auf Trägermedien gespeicherte Sammlung, sondern die Musik steht in Masse und zur flexiblen Nutzung online oder in der Cloud zur Verfügung.

In der Medienpädagogik spielte die Audioproduktion insgesamt eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings ist das Nutzerinteresse z.B. an Audiopodcasts in den letzten fünf Jahren steigend (vgl. Rabe 2019). Daran könnte Motivationsarbeit anknüpfen, denn ein Audiopodcast ist relativ einfach und kostengünstig zu produzieren. Können ist bei der Audioaufnahme mit digitalen Tools nach wie vor erforderlich. Wie die Begrenztheit eines Smartphone-Weitwinkel-Objektivs, so ist auch das Mikrofon des Handys oder Tablets für eine qualifizierte Audioarbeit nur begrenzt tauglich. Man braucht also doch wieder ergänzende oder spezielle Technik, etwa einen portablen Audiorekorder nebst Peripherie.

Diese Geräte finden Interesse vor allem im Bereich der Musik(‑produktion), einem weiteren medienpädagogisch relevanten Audiobereich (vgl. Hoffmann 2019). Man muss kein analoges Instrument mehr erlernen, um Musik machen zu können. In der Musikpädagogik sind Programme wie Garageband (Apple, iOS) und Magix Music Maker verbreitete Tools zur Musikproduktion. Aus potenziell unendlichen Soundfile-Bibliotheken sampelt der User eigene Musik zusammen. Ein erheblicher Teil heutiger Popmusik und gerade auch der Werbe- und Filmmusik wird aus Kostengründen mithilfe solcher Samples produziert. Das kann praktische Medienarbeit mit ähnlichen Mitteln nachahmen und daran Medienkritik anschaulich verdeutlichen. Und man kann über diesen produktiven Weg viel über Musik lernen, wenn das bewusst gemacht wird.

Automatisierung bedeutet auch im Audiobereich Vereinfachung: Für Aussteuerung, Limiter, Komprimierung und Effekte stehen gute digitale Tools zur Verfügung. Man kann sie anwenden, ohne zu verstehen, was diese früher oftmals externen Geräte als Plug‑in tun, wie sie funktionieren und welche (Neben‑)Wirkungen sie haben. Hier müsste (Medien‑)Pädagogik Motivationsarbeit leisten bzw. sensibel reagieren, wenn über das schnelle Tun hinaus Nutzer Interesse an weitergehendem Verständnis zeigen. Das alte Prinzip von Elementarisierung (Vereinfachung) verbunden mit gestuften Angeboten zu weitergehendem Lernen sollte neu und variiert Beachtung finden.
 

Die YouTube-Videos auf dieser Seite sind im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet, d.h., Daten werden erst dann an Dritte übertragen, wenn das Video abgespielt wird (siehe auch Datenschutzerklärung).



Videoproduktion

„Teile deine Lieblingsclips mit nur einem Klick“, wirbt Apple für sein kostenloses Videoschnittprogramm iMovie; wie Garageband im Audio- bzw. Musikbereich ist auch dieses Programm für einfache Verwendung auf Tablet oder Laptop bestens geeignet. Nicht zufällig ist derzeit Apples iPad das bevorzugte Gerät bei der digitalen Schulausstattung.

Spannend ist bei iMovie die sogenannte Trailer-Funktion. Um einen Trailer in einer vorgegebenen Länge zwischen 48 Sekunden (Thema „Sport“) bis zu 1 Minute 53 Sekunden (Thema „Erzählung“) zu produzieren, wählt man eine von derzeit etwa 30 Vorlagen. In einem Drehbuch werden dem User für die Videoaufnahmen Einstellungsgrößen, Perspektiven und Längen vorgegeben. Man kann aufgenommenes Material importieren oder gleich mit dem iPad aus der App heraus filmen. Ein thematisch passender Filmsound wird mitgeliefert. Diese App wird in der Praxis gern genutzt, weil in einer vergleichsweise kurzen Zeit gut anschaubare Kurzproduktionen entstehen, die vielleicht Lust auf mehr machen – und dieser Motivationsfaktor ist pädagogisch nutzbar. Man kann die Trailer-Funktion auch inhaltlich abgewandelt nutzen, etwa kleine Clips zu Themenvorgaben wie „Mein Smartphone und ich“, „Mobbing“ oder „Umweltschutz“ produzieren und damit einen methodisch produktiven Weg für thematische Arbeit gehen. Diesen Ansatz bezeichne ich als „Lernen durch Gestalten“: In einfachen Produktionsprozessen mit digitalen Medien lassen sich zwei Prozesse parallel realisieren: Die Akteure lernen etwas über Mediengestaltung und setzen sich zugleich mit Inhalten auseinander. Auch wenn die App viel vorgibt und automatisiert, wird man quasi nebenbei, aber ganz konkret angeleitet, sich mit Filmsequenzen und Einstellungsgrößen auseinanderzusetzen. Außerdem kann man lernen, in wenigen Sekunden per Kameraeinstellung und Bildsprache eine Aussage zu transportieren. Die Grundelemente der Filmsprache sind in dieser App ziemlich genial verpackt. In ähnlicher Weise kann man übrigens auf dem iPad, einem Android-Tablet oder auch im Browser eines Computers die App Adobe Spark Video nutzen, bei der es weniger Vorgaben, aber viel Gestaltungsspielraum mit Anregungen gibt.

Auch der Programmanbieter Magix bedient für den Consumer-Markt wie für pädagogische Nutzung schon lange das gesamte Segment der digitalen Programme (von Fotobearbeitung, Weblayout bis Musikmachen, Audioarbeit und Videoschnitt). Mit dem Programm Fastcut wird die wachsende Faszination für Actioncams aufgegriffen; die Aufnahmen werden weitgehend automatisiert bearbeitet, indem z.B. Szenen automatisch auf die Beats einer Musik „geschnitten“ werden. Die Werbung erinnert an den anfangs zitierten Kodak-Spruch: „So einfach geht’s: Aufnahmen auswählen, Vorlage anwenden – Fastcut macht den Rest.“
 


Ein Segment, in dem Tablets mit entsprechender App (z.B. Stop Motion Studio oder iStopMotion) hervorragend funktionieren, ist der Bereich des Animationsfilms. Das hat eine medienpädagogische Tradition. 1986 entwickelte der schwedische Produzent und Grafiker Erling Ericsson die Trickboxx, die unter diesem Namen später über den KiKA in Deutschland populär wurde und Kindern aktive Trickfilmproduktion ermöglichte und verständlich machte, ohne sie zu überfordern; das ist eine bis heute viel genutzte Methode zur Anregung von Medienkompetenz, die durch Apps sehr vereinfacht wird. Gleiches gilt auch für Apps zur Blue- bzw. Greenscreen-Technik.
 

Fazit

Die Ausführungen sollten exemplarisch verdeutlichen, wie medienpädagogische Praxis mit Apps produktiv und kritisch agieren kann. Zu diskutieren sind Ziel- und Lernaspekte der Medienpraxis:

  • Der Zielaspekt beschreibt Kompetenzen, die ein Mensch im Umgang mit digitaler Medientechnik und deren Gestaltungsmaximen haben müsste, um im Alltag für sich erfolgreich und sozial verantwortlich Medien-Content zu produzieren.
  • Der Lernaspekt beschreibt die Dinge, die ein Mensch durch eigene Gestaltung und Produktion von Medien lernen kann. Dazu gehört nicht nur ein anwendungsorientiertes Können, sondern auch ein kritisch-verstehendes Wissen mit selbstreflexivem Bezug auf den Menschen (Medienbildung).

Bei beidem können Apps helfen. Sie können notwendige Arbeitsprozesse vereinfachen und verbessern, Routinen abnehmen. Sie können dabei helfen, Medienproduktion in ihrem Entstehungsprozess zu durchschauen sowie Gesetzmäßigkeiten und potenzielle Wirkungen zu verstehen. Aber sie können davon auch ablenken. Tablet und Smartphone ermöglichen die methodische Nutzung in begrenzten Lernsettings, in denen es nicht um eine längerfristig strukturierte Anregung zur Entwicklung von Medienkompetenz geht; das knüpft an das alltäglich spielerische und an Output orientierte Nutzungsverhalten an. Wenn nach dem Prinzip „Lernen durch Gestalten“ einfache Medienproduktionen in thematischen Kontexten viel stärker als Methode genutzt würden und bei der Weiterentwicklung der Apps auf Medien-Lerneffekte geachtet würde, könnte das der Querschnittsaufgabe „Förderung von Medienkompetenz“ sehr dienlich sein. Es muss dabei jedoch Zeit und Aufmerksamkeit bleiben, die mediale Gestaltung kritisch bewusst zu machen; sonst bleibt es eine „Ex-und-hopp-Produktion“ ohne nachhaltiges Lernen und Begreifen. Kritisches Bewusstsein als Teil von Medienkompetenz kann der Mensch nur angemessen entwickeln, wenn er mediale Produkte in ihrer Wechselwirkung zwischen Entstehungsprozess, innerer Struktur, Funktionalität und kommunikativer Wirkung versteht; das knüpft an den Ansatz der struktur-funktionalen Medienanalyse (vgl. Mikos 2003) an und überträgt ihn auf produktives Selbsttun.

Ohne kritische Kompetenz müsste man aus ethischer Sicht und aus der Sicht des Jugendschutzes künftig fragen, ob Algorithmen bzw. deren Designer und Programmierer auch Verantwortung für Gestaltungen und deren Wirkungen übernehmen. Wenn man nur noch den Auslöser drücken muss und den Rest zum fertigen Medienprodukt erledigt die (digitale) Technik, dann stellt sich auch die Frage des Urhebers neu. Die Debatte gab es schon einmal: Ein Affe drückt den Auslöser der Kamera, wer hat das Recht am Bild?
 

Literatur:

Baacke, D. u.a. (Hrsg.): Handbuch Medien: Medienkompetenz. Modelle und Projekte. Bonn 1999

Brüggen, N. u.a.: Gefährdungsatlas. Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln. Bonn 2019

Computer Bild: 90 Apps für Fotografie & Bildbearbeitung. Abrufbar unter: https://www.computerbild.de (letzter Zugriff: 02.03.2020)

Hoffmann, B.: Musikproduktion, Auflegen und App-Musik. In: T. Hartogh/H. H. Wickel (Hrsg.): Handbuch Musik in der Sozialen Arbeit. Weinheim 2019, S. 263 – 279

Mikos, L.: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz 2003

Niesyto, H./Moser, H. (Hrsg.): Medienkritik im digitalen Zeitalter. München 2018

Rabe, L.: Statistiken zum Thema Podcasts. In: Statista, 09.10.2019. Abrufbar unter: https://de.statista.com (letzter Zugriff: 02.03.2020)

Tenzer, F.: Statistiken zu Digitalkameras. In: Statista, 19.09.2019. Abrufbar unter: https://de.statista.com (letzter Zugriff: 02.03.2020)