Die Landesmedienanstalten legen Public-Value-Liste vor

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Im Fernsehen läuft vieles, was bestenfalls unterhaltend ist – aber es gibt auch Angebote, die über Politik, Wissenschaft, künstlerische Ereignisse oder die Bewältigung schwieriger Lebensumstände berichten. Sie besitzen über die reine Unterhaltung hinaus einen Mehrwert für die Nutzer*innen und die Gesellschaft. So jedenfalls sieht es der am 7. November 2020 in Kraft getretene Medienstaatsvertrag und bestimmt, dass solche Angebote in den Mediatheken öffentlich-rechtlicher und privater Sender leichter aufzufinden sein sollen, um sie sichtbarer und nutzbarer zu machen. Welche Angebote sind das und welche Kriterien sollen angelegt werden?

Online seit 07.10.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/die-landesmedienanstalten-legen-public-value-liste-vor-beitrag-1122/

 

 

„Für die öffentlich-rechtlichen Sender hat der Gesetzgeber pauschal beantwortet, welche ihrer Inhalte Public Value haben: alle. So einfach ist es bei privaten Angeboten nicht. Hier sollen die Landesmedienanstalten als staatsferne Institutionen festlegen, welche Rundfunkprogramme und Onlineangebote in die Rubrik ‚Public Value‘ fallen, beispielsweise weil sie Nachrichten anbieten, über das Zeitgeschehen berichten oder über Lokales und Regionales informieren. Auch eigenproduzierte, in Europa hergestellte oder barrierefreie Inhalte werden privilegiert.“ (Zimmer 2020)

Ob nun alles, was das öffentlich-rechtliche Fernsehen ausstrahlt, dem gesellschaftlichen Gemeinwohl dient, kann sicher bezweifelt werden. Aber was genau als nützlich für das Gemeinwohl anzusehen ist, kann objektiv kaum festgestellt werden. Die Idee einer „Stiftung Medientest“, die Programme mit Gütesiegeln versieht in der Hoffnung, dass sie dann mehr genutzt werden, ist nicht neu (vgl. Krotz 2010). Medienqualität ist oft auch Geschmackssache. Schon beim Sport kann man sich darüber streiten, ob zum Beispiel Fußball über die Lust am Wettkampf hinaus einen gesellschaftlichen Mehrwert hat. Fußballfans sehen das sicherlich so.

Hier zeigt sich, dass über die inhaltliche Komponente hinaus die unterhaltende Komponente eine Rolle spielt: Programme, die den Zuschauer:innen ein paar schöne Stunden vor dem Fernseher bescheren, leisten eben auch etwas für das Gemeinwohl. „Besonders wichtig ist, die Nutzerinnen und Nutzer einzubeziehen. Was sie für wertvoll und relevant halten, muss ein zentraler Faktor unserer Interpretation von Public Value sein. Denn Public Value hat zwei Seiten: Den Wert des Angebots an sich und dessen tatsächliche Nutzung. Nur Angebote, die beim Publikum ankommen, die tatsächlich genutzt werden, können Medienvielfalt auch faktisch sichern.“ (Zimmer 2020) Die hohe Qualität eines Programms nützt also nichts, wenn es die Zuschauer*innen überfordert und deshalb faktisch nicht wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite: Die quantitative gewinnbringende Nutzung eines Programms allein heißt offenbar noch lange nicht, dass es dem Gemeinwohl dient – denn sonst könnte beispielsweise allein die Quote als Kriterium dafür dienen.

Der Gesetzgeber hat wohl noch etwas anderes als die reine Akzeptanz im Sinn: „Die gesetzlichen Vorgaben legen den Fokus zudem auf Berichterstattung durch professionelle, gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten. Denn Public Value ist kein abstraktes Konzept. Verlässliche Informationen sind für die demokratische Debatte von zentraler Bedeutung.“ (Ebd.)

Am 29. September 2022 verkündeten die Medienanstalten nun in einer Pressemitteilung, dass sie das Prüfverfahren abgeschlossen hätten: „Die Bestimmung von Public-Value-Angeboten erfolgte auf Grundlage der Kriterien des Medienstaatsvertrags, welche die Medienanstalten in einer Satzung konkretisiert hatten. In Abstimmung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde die gemeinsame Listung öffentlich-rechtlicher und privater Angebote festgelegt. Mit der Veröffentlichung ist das von der Landesanstalt für Medien NRW federführend geleitete Bestimmungsverfahren gemäß § 84 Abs. 5 Satz 1 MStV abgeschlossen.“ (die medienanstalten 2022)

Wie die bessere Auffindbarkeit der 250 auf die Liste aufgenommenen Programme tatsächlich gewährleistet wird und ob dies bei den Nutzer*innen tatsächlich ankommt, bleibt abzuwarten. Viele sehen das Verfahren als wenig hilfreich: „Bei nüchterner Betrachtung besitzt die üppige Übersicht über so viel sog. ‚Public Value‘ fürs Publikum wenig bis gar keinen Wert. Was genau das Ganze soll, ist schwer zu erklären. Die Medienanstalten schreiben von ‚325 Anträgen‘ auf Public-Value-Anerkennung, die bei ihnen eingingen, und die offenkundig vor allem deswegen gestellt worden waren, damit die Antragsteller keine Nachteile erleiden, wenn irgendwann demnächst ‚smarte‘ Startseiten umkonfiguriert werden. Irre wählerisch waren die Medienanstalten nicht. Schließlich messen sie auch Privatradios wie, nur zum Beispiel, Star FM und Sunshine Live öffentlichen Wert zu, ebenso sämtlichen privaten Fernsehsender zwischen RTL 2 und Servus TV der Red Bull Media House GmbH. (Für Springer-Gegner: Selbstverständlich findet ‚Bild TV‘, das ja wirklich viele Reporter in die Welt schickt, sich auch in der Liste. Der ‚Empfehlung zur Listung der beitragsfinanzierten und privaten Bewegtbildangebote‘ zufolge gehört es auf den Fernbedienungs-Platz 14 zwischen BBC und ZDF-Neo).“ (Bartels 2022)
 

Quellen:

Bartels, C.: Alles hat ja seinen Value. In: Altpapier, mdr Medien 360G, 04.10.2022. Abrufbar unter: www.mdr.de

die medienanstalten: Qualitätsprädikat Public-Value. Medienanstalten veröffentlichen Listen der Angebote, die zukünftig auf Smart TVs und Benutzeroberflächen leicht auffindbar sein müssen. Pressemitteilung. In: die medienanstalten, 29.09.2022. Abrufbar unter: www.die-medienanstalten.de

Krotz, F.: Zivilgesellschaft und Stiftung Medientest. In: C. Schicha/C. Brosda: Handbuch Medienethik. Wiesbaden 2010, S. 244 – 254

Zimmer, A.: STANDPUNKT - Public Value to the People. In: Der Tagesspiegel, 29.10.2020. Abrufbar unter: background.tagesspiegel.de