Entschädigung für die Verbreitung von Verschwörungsmythen

Alex Jones muss 49 Millionen US-Dollar Entschädigung zahlen

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Als Radiomoderator hat Alex Jones alle möglichen Verschwörungstheorien verbreitet. Auf seiner Website infowars.com hat er die Apokalypse in Form der Machtübernahme durch fremde Feinde angekündigt und Millionen damit verdient, indem er über seine Plattform Mittel verkaufte, die angeblich gegenüber den neuen Machthabern Immunität aufbauten. Nun muss er an die Opfer einer seiner verbreiteten Verschwörungstheorien eine hohe Entschädigung zahlen.

Online seit 02.09.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/entschaedigung-fuer-die-verbreitung-von-verschwoerungsmythen-beitrag-1122/

 

 

Die Karriere des Alex Jones begann als Moderator beim texanischen Talksender KJFK. Sein Lieblingsthema: eine Verschwörung von Eliten will eine autoritäre, supranationale Weltregierung errichten. Außerdem rief er die Zuhörer*innen auf, eine dubiose religiöse Sekte finanziell zu unterstützen. Nachdem sich viele Werbepartner aus der Show zurückgezogen hatten, verließ er 1999 den Sender.

Den Verschwörungsmythen blieb er allerdings treu. Jones gründete eine Website unter dem Namen InfoWars, worüber zunächst Filme mit Verschwörungserzählungen publiziert wurden, später kam ein Fake-News-Portal hinzu. Daneben produzierte Jones wieder eine Radioshow, die von rund 100 Stationen in den USA übertragen wurde. In der Show verbreitete er die wildesten Geschichten: das World Trade Center sei am 11. September 2001 nicht durch die von arabischen Terroristen entführten Flugzeuge zerstört worden, sondern im Auftrag der US-Regierung selbst. Diese „alternative Sichtweise“ wurde später auch von anderen Verschwörungstheoretiker*innen vertreten. Die Alex Jones Show wurde immer populärer, im Jahr 2010 schalteten jede Woche rund 2 Mio. Hörer*innen ein, 2016 sollen es sogar 5 Mio. gewesen sein. Auch in sozialen Netzwerken ist Jones aktiv.

2016 verbreitete er die sogenannte Pizzagate-Verschwörung, nach der Hillary Clinton mit prominenten Demokraten angeblich einen Kinderpornoring in einer Pizzeria in Washington betreiben würde. Darüber hinaus warf Jones der Regierung vor, mit Chemikalien im Trinkwasser dafür zu sorgen, dass es in den USA immer mehr Homosexuelle gebe.

Den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump unterstützte er immer wieder mit erfundenen Geschichten. Eine seiner Lügen wurde ihm nun zum Verhängnis: Jones behauptete, das Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule in Newton im Jahre 2012 habe gar nicht stattgefunden – was in den Medien zu sehen war, sei alles im Filmstudio mit Schauspieler*innen gedreht worden. Es sollte in der Öffentlichkeit Stimmung für strengere Waffengesetze gemacht werden, so Jones.

Gegen diese Version der Geschichte richteten sich mehrere Verleumdungsklagen betroffener Familien, deren Kinder bei dem Massaker ums Leben gekommen waren. Jones hatte Ende März diesen Jahres angeboten, jedem der 13 Kläger*innen 120.000 US-Dollar zu zahlen, um den Rechtsstreit beizulegen. Die betroffenen Familien lehnten dieses Angebot jedoch ab. Einer der Kläger, Neal Heslin, verwies zur Begründung auf das erlittene Martyrium: „Seit zehn Jahren durchlitten sie ein Trauma, das zunächst durch den Tod ihres Sohnes ausgelöst worden sei, und dann durch das, was folgte: Schüsse auf sein Haus, Drohungen im Internet und am Telefon, Belästigungen durch Fremde auf der Straße. Jones und Infowars hätten ihnen mit ihren Falschbehauptungen das Leben zur Hölle gemacht.“ (Tagesschau 2022)

Am 6. August 2022 wurde Jones nun zu einer hohen Entschädigungszahlung in Höhe von 49 Mio. US-Dollar verurteilt. Jesse Lewis war sechs Jahre alt, als er bei dem Massaker zusammen mit 19 weiteren Erstklässler*innen und sechs Angestellten der Schule ums Leben kam.

Jones Begeisterung für Verschwörungen geht angeblich darauf zurück, dass er im Bücherregal seines Vaters ein Buch von Garry Allen und Larry Abraham mit dem Titel None Dare Call It Conspiracy fand, in dem behauptet wurde, Politiker*innen hätten in den USA nichts mehr zu sagen, die Entscheidungen gingen von den internationalen Banken aus.

Im Laufe seiner Karriere merkte Jones, dass man mit der Verbreitung von erfundenen Verschwörungen viel Geld verdienen kann. Die Werbeeinblendungen in seinen Shows liefen gut, den meisten Umsatz machte er allerdings mit seiner Website infowars.com. Darüber verkauft Jones erfolgreich Produkte, die als Wundermittel für den vermeintlichen Tag X angepriesen werden, an dem die Apokalypse und die neue Weltordnung etabliert wird: Die Wundermittel sollen die Menschen mit einem Schutzschild und einem starken Immunsystem gegen die neuen Mächte wappnen. Insgesamt soll Jones mit seinen Fantasieprodukten zwischen 2015 und 2018 etwa 156 Mio. US-Dollar verdient haben, dies ging zumindest aus den Gerichtsunterlagen zu dem Sandy-Hook-Prozess hervor: Die Anwälte des Verschwörungsfanatikers haben den gesamten Inhalt seines Smartphones an die Anwälte der Kläger verschickt – angeblich versehentlich.

Es ist zu hoffen, dass solche und ähnliche Urteile zu etwas mehr Skepsis gegenüber Verschwörungserzählungen beitragen. Ob bzw. wann Jones die Entschädigungszahlung tatsächlich leisten muss, ist angesichts des Konkursverfahrens noch unklar. Die Website ist jedenfalls weiterhin online, sogar in Deutschland in deutscher Sprache.

Quellen:

Deutschlandfunk Kultur: InfoWars von Alex Jones stellt Insolvenzantrag. In: Deutschlandfunk Kultur, 18.04.2022. Abrufbar unter: www.deutschlandfunkkultur.de

Greim, T.: Rechter Verschwörungsideologe Alex Jones erhält weitere Millionenstrafe. In: tagesschau, 06.08.2022. Abrufbar unter: www.tagesschau.de

Schwarzer, M.: Aufstieg und Fall des Alex Jones – Wie man mit Verschwörungsmythen Geld macht – und es wieder verliert. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland, 06.08.2022. Abrufbar unter: www.rnd.de

Tagesschau: Schulmassaker-Lügen – US-Verschwörungstheoretiker muss Millionen zahlen. In: tagesschau, 05.08.2022. Abrufbar unter: www.tagesschau.de