Freizeit-Monitor: Die Deutschen sind passiver geworden

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Am 20. September wurde der Freizeit-Monitor 2022 veröffentlicht. Internet- und Fernsehnutzung stehen in Deutschland an der Spitze der Freizeitaktivitäten.

Online seit 30.09.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/freizeit-monitor-die-deutschen-sind-passiver-geworden-beitrag-1122/

 

 

Seit 40 Jahren untersucht die Stiftung für Zukunftsfragen das Freizeitverhalten der Deutschen. Für den am 20. September veröffentlichten aktuellen Freizeit-Monitor wurden im August 2022 über 3000 Personen im Alter zwischen 18 und 74 Jahren befragt.

Das zentrale Ergebnis: Freizeitaktivitäten haben sich stark in die eigenen vier Wände verschoben. Bei 97 % der Befragten steht die Internetnutzung an der Spitze der Aktivitäten, immerhin noch 86 % schauen regelmäßig fern. Vor zehn Jahren nutzten mit 53 % etwa halb so viele Menschen das Internet (vgl. Stiftung für Zukunftsfragen 2022).

Gründe für dieses eher passive Freizeitverhalten sieht der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Dr. Ulrich Reinhardt, zum einen in der Coronapandemie, die dazu geführt habe, dass sich die Außenaktivitäten wegen Ansteckungsängsten oder auch aufgrund der gesetzlichen Kontaktbeschränkungen deutlich reduziert hätten. Zum anderen befürchteten viele Menschen aber auch, sich aufgrund der hohen Inflation teure Freizeitvergnügen nicht mehr leisten zu können. Insgesamt, meint Reinhardt, seien die Deutschen in der Freizeit etwas bequemer geworden (vgl. rbb 24).

Entsprechend geht die aktive Freizeitgestaltung zurück, die Menschen wollen sich lieber passiv von den Medien unterhalten und informieren lassen.

Aktivitäten sind eher das Highlight der Woche, wenn nicht gar des Monats. Also kaum ein Deutscher geht jetzt wöchentlich ins Kino oder wöchentlich ins Theater“, so Reinhardt (ebd.).

Mit den Freunden trifft man sich eher am Wochenende. Soziale Netzwerke wie Instagram und TikTok sind dagegen zum ersten Mal in die Top Ten der Freizeitbeschäftigungen gerückt. Vor allem jüngere Nutzer*innen möchten auf diesem Weg Menschen kennenlernen und Bestätigung bekommen, wenn sie etwas Positives oder Interessantes posten. Der Vorteil: Man kann sich in sozialen Netzwerken anders präsentieren, als man tatsächlich ist. Damit wird das eigene Wohlergehen zum entscheidenden Kriterium.

Reinhardt definiert Freizeit als Zeit, in der man etwas tut, ohne es tun zu müssen: Die Freiwilligkeit ist entscheidend. Aber viele Deutsche sind eher Getriebene, sie sind bestrebt, den Erwartungen anderer zu entsprechen. Das wird vor allem von den Jüngeren als Stress in der Freizeit empfunden. Hinzu kommt, dass sie in ihrem Medienkonsum von Highlight zu Highlight springen und die Angst, angesichts der Angebotsfülle etwas zu verpassen, groß ist.

Die Menschen empfinden Stress, was die eigene Lebensplanung in Bezug auf Karriere, Familie oder Selbstverwirklichung betrifft. Sie wollen ihren Freunden gerecht werden und fühlen sich mehr von ihren medialen Idealen angetrieben, als ihnen lieb ist. Sie fühlen sich oft auch gestresst durch den Medienkonsum der anderen.

Es gebe auch geschlechtsspezifische Unterschiede, so Reinhardt. Während Männer zu Hause eher die Medien nutzten, beschäftigten sich Frauen – immer noch – deutlich mehr mit dem Haushalt. Frauen seien gestresster in ihrer Freizeit als Männer, weil sie stärker den Spagat zwischen Selbstverwirklichung und Familie hinzukriegen versuchten als Männer (vgl. ebd.).

Als die Studie vor 40 Jahren begonnen wurde, gab es noch viel weniger Fernsehangebote und vor allem noch kein Internet – Zeitunglesen war eine der häufigsten Freizeitbeschäftigungen. Heute greifen nicht einmal mehr die Hälfte der Menschen zu einer Zeitung. Wenn man dagegen nach den liebsten Freizeitbeschäftigungen fragt, wird keine einzige mediale Tätigkeit genannt. Dann stehen soziale Aktivitäten wie das Treffen mit Freunden, Unternehmungen mit der Familie oder auch der Besuch kultureller Veranstaltungen im Vordergrund (vgl. Freizeit-Monitor). Es stellt sich also die Frage, ob die Menschen mit ihrem passiven Freizeitverhalten tatsächlich zufrieden sind.
 

Quellen:

Freizeit-Monitor: Freizeit findet zu Hause statt. In: Freizeit-Monitor. Abrufbar unter: www.freizeitmonitor.de

rbb 24 : Reinhardt: „Freizeit findet in den eigenen vier Wänden statt“. Interview. In: rbb24 Inforadio, 20.09.2022. Abrufbar unter: www.inforadio.de

Stiftung für Zukunftsfragen: Freizeit-Monitor 2022: Die beliebtesten Freizeitaktivitäten der Deutschen. In: Stiftung für Zukunftsfragen, 20.09.2022. Abrufbar unter: www.stiftungfuerzukunftsfragen.de