Gegensätze ziehen sich an
Die Animationsserie „Undead Unluck“
Die Hauptfiguren der japanischen Animationsserie sind ein wahres Traumpaar: die todunglückliche Fuuko und der unsterbliche Andy. Die verwaiste Fuuko will sterben, weil über alle Menschen, die sie berührt, Unglück hereinbricht. Auch die Schuld am Unfalltod der Eltern bürdet sie sich auf und leidet unter grenzenloser Einsamkeit. Gänzlich anderes gelagert ist das Problem von „Undead Andy“. Er verabscheut seine Unsterblichkeit und wünscht sich, endlich tot bleiben zu dürfen und sich nach tödlichen Angriffen nicht umgehend zu regenerieren.
Andy, gelegentlich auch zärtlich Deady genannt, strotzt vor Kampfbereitschaft und benutzt Blutströme und seine abgeschlagenen Arme oder Beine als Waffen. Als er Pechvogel Fuuko kennenlernt, wittert er seine Chance zu sterben. Doch dann kommt alles anders. Die akute Todessehnsucht der beiden verblasst angesichts der starken Beziehung, die sie zueinander aufbauen. Bevor sie abtreten, wollen sie nun noch das Geheimnis der Welt entdecken. Zunächst unterwandern sie die Union, ein Herrschaftssystem, das keine Abweichungen duldet und alle jagt und tötet, die aus dem Rahmen fallen – so wie Fuuko und Andy. Dabei setzt die Union auch auf Verräter aus den Reihen der Abweichler. Fuuko und Andy schaffen es schließlich, sich der Union anzuschließen und am „Runden Tisch“ Platz zu nehmen. Fortan folgen sie kryptischen Weisungen und konzentrieren sich auf den Kampf gegen vielgesichtige Monster, die über fantasievolle zerstörerische Kräfte verfügen und das Geheimnis der Welt hüten.
Trailer Undead Unluck (IGN Movie Trailers, 04.10.2023)
Blutspur rund um die Welt
Die Fronten sind klar, und im Kampf fliegen die Fetzen, ohne dass die Protagonisten einander verlieren. Die Gewaltbilder folgen einer klassischen Manga-Ästhetik, auch die surrealen Szenarien und die Angstlosigkeit des coolen Andy wirken entlastend. Er will Fuukos Liebe gewinnen, ihre Pechsträhne funktionalisieren und beim Sex sterben. Deshalb beschützt er ihr Leben. Diese Romanze entbehrt nicht einer gewissen Komik, ebenso wenig wie die Kämpfe selbst und die Orte, an denen sie stattfinden. Die beiden düsenjetten zum Baikalsee und in den Wilden Westen, wo ein Zombievirus wütet; sie bewähren sich in der Erdatmosphäre und auf dem Meeresgrund. Durch die deutliche Fiktionalität und die abstrakte Bebilderung von überwältigenden Emotionen wird die gelegentlich blutig grausame Bildebene in der Wirkung abgefedert. Nebenbei wird ein auf Hierarchie und Kampf fußendes Gesellschaftsbild entworfen. Auch innerhalb der Union tobt ein Konkurrenzkampf. Es geht um Befehl und Gehorsam und um Säuberungen, die nicht hinterfragt werden und die Welt zu einem besseren Ort machen sollen.
Freigegeben ab …
Der Prüfausschuss diskutierte vor allem die Gewaltfreude und Waffenpräsenz der ersten drei vorgelegten Episoden. Die hellen, bunten Kampfszenen erinnern mit monströsen Gegnern und der irrwitzigen Regenerationsfähigkeit von Undead Andy an Superhelden- und Kinderfilme. Mit der Rettungsgewissheit wird waghalsig jongliert, aber sie wird nicht gebrochen. Weit entfernt von Kinderprogrammen sind hingegen die Todessehnsucht, die Selbstverletzungen und der gesamte Weltentwurf. Zudem weckt das Genre Animationsfilm eine andere Erwartungshaltung, daher kann die Brutalität ein junges Publikum unerwartet überfallen. Auch die Entschlüsselung der Komik setzt eine gewisse Medien- und Lebenserfahrung voraus. Bemerkenswert sind die Rollenklischees, weil überwiegend schutzbedürftige weibliche Charaktere auf nassforsche, größenwahnsinnige Männerfiguren treffen.
Bei allem Säbelrasseln und Suizidgeplänkel geht es bei Undead Unluck im Kern aber um Gefühlschaos und Identitätsfindung. Insgesamt knüpft die Geschichte, die episodenübergreifend erzählt wird, an entwicklungstypische Ängste der Adoleszenz an und richtet sich an ältere Jugendliche, die über diese Ängste schon wieder lachen können. Dem Prüfausschuss erschien die antragsgemäße Freigabe für das Spätabendprogramm (ab 22:00 Uhr) in Verbindung mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren daher angemessen. Für Jüngere, vor allem für unter 14-Jährige, ist das Setting insgesamt noch zu düster und ausweglos und trotz aller Abstraktion eventuell geeignet, Ängste zu verstärken.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Weiterlesen:
> Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
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> Jugendschutz bei Streamingdiensten