Glück als Konsumgut?
Massenmedien und die Werbung als Produzenten von Glücksvorstellungen
Glück und Glas – wie leicht bricht das
Jeder glaubt zu wissen, was Glück ist. Wesentliche Ursprünge dieses Glückswissens finden sich in der griechischen Mythologie. Ohne hier wiederholen zu wollen, was bereits andernorts von kompetenteren Autoren geschrieben wurde (z. B. Bellebaum 2002), möchte ich dennoch kurz auf drei Besonderheiten der antiken Formen der Glückserlangung aufmerksam machen. Dies deshalb, weil sie als Kontrastfolie besonders gut geeignet sind, die Neuerungen der in der heutigen Zeit massenmedial verbreiteten Glücksvorstellungen gut sichtbar zu machen.
Geht man nicht zu sehr ins Detail, dann lässt sich das Deutungsmuster „Glück“ der europäischen Antike in etwa so beschreiben: Das Glück wurde dem Menschen von launischen Göttinnen zugemessen (von Tyche bzw. Fortuna). Sie hatten die Macht, über das Schicksal der Menschen nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. Manchen gaben sie viel Glück und das immer wieder, anderen nahmen sie nicht nur das Glück, sondern auch das Notwendigste. Ihr Tun war völlig unberechenbar: Weder mit Gebet noch Versprechen noch Opfergaben konnte man sie „zwingen“, einem selbst oder anderen Glück zuzuweisen.
Kurz: Das Glück war besonders launenhaft und eigensinnig.“
Wesentlich bei dieser Deutung von Glück ist nun, dass der Mensch nicht aktiv an seinem Glück arbeiten konnte, sondern einem „blinden“, Verdienste und Opfer ignorierenden „Schicksal“ unterworfen war, das schnell und viel geben, aber genauso schnell viel nehmen konnte: wie gewonnen, so zerronnen. Aber ganz bedeutungslos war der Mensch in der Welt der Antike dann doch nicht bei der Gestaltung seiner Glückskarriere: Er konnte nämlich zumindest versuchen, den Entzug des Glücks zu beeinflussen. Denn Menschen, die das Glück mit den unterschiedlichen Gaben aus dem Füllhorn überschüttet hatte, taten gut daran, einen Teil der Gaben den Göttern als Opfer wiederzugeben und auch die ärmeren Mitbürger an dem Wohlstand teilhaben zu lassen – natürlich in Maßen. Und was der glückliche Mensch auf gar keinen Fall tun durfte, war die öffentliche Zurschaustellung des Glücks oder gar die Behauptung, das Glück verdanke sich eigener Leistung. Ein solcher Übermut (Hybris) löste fast zwangsläufig erst den Neid und dann die Rache der Götter aus – was in der Regel eine massive und sichtbare Erniedrigung des Übermütigen zur Folge hatte.
Die Lehre aus diesem Deutungsmuster ist leicht zu erkennen: Wenn dir Glück gegeben wird, posaune es nicht laut hinaus und behaupte nie, das Glück allein eigener Leistung zu verdanken. Zudem scheint das Fassenwollen, das Fixieren des Glücks – egal, auf welche Weise auch immer – dem Glück abträglich zu sein. Glück ist wie dünnes, funkelndes Glas – verlockend, aber sehr zerbrechlich.
Die Medien und die Suche nach Glück
Die Bedeutung der Medien bei der Verbreitung und Auratisierung (also nicht: Erschaffung) bestimmter Formen des Glücks bzw. bestimmter Praktiken zur Glückserreichung wird oft überschätzt, obwohl es töricht wäre, ihnen jede Bedeutung bei der Ermittlung, Ausformung und Verbreitung des Begehrenswerten abzusprechen.
Jede Gesellschaft hat die Medien ihrer Zeit dazu genutzt, Darstellungen des großen wie des kleinen Glücks in unterschiedlicher Form zu fixieren und über Raum und Zeit weiterzugeben. Medien speicherten und verbreiteten Formen des Glücks ebenso wie Praktiken der Glückserlangung realer oder fiktiver Figuren (meist in stark idealisierter Form), und Medien informierten über die Arten und Zeichen des Glücksausdrucks, also darüber, was Glück jeweils dem Einzelnen und seiner Gruppe bedeutete.
Glückliche haben sich ihrerseits bei der In-Szene-Setzung ihres Glücks stets (auch) der Medien bedient – und das auf zweifache Weise: Zum einen wurden Medien genutzt, um die Darstellung des Ausdrucks von Glück zu fixieren und für sich und andere glaubhaft zu machen (Ring, Brief, Foto, Video), zum anderen wurden medial angebotene Glücksdarstellungen anderer als Lernhilfen für die korrekte und angemessene Darstellung von Glück genutzt. Zwischen der Darstellung von Glück konkreter Menschen und der medialen Überhöhung und Stilisierung bestimmter Glücksdarstellungen (also der Ikonografie des Glücks) fanden deshalb stets vielfältige und vielschichtige Austauschprozesse statt. Menschen haben Medien immer auch dazu genutzt, sich mit ihrer Hilfe neu zu entwerfen und zu gestalten – auch ihre Vorstellungen vom Glück.
Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Medien verändert – und dies gilt vor allem in Bezug auf die wichtigsten, vom Massenverkauf lebenden Medien wie Zeitung, Radio und das Fernsehen2. Diese Medien sind angesichts nationaler wie internationaler Konkurrenz sehr viel aktiver geworden: Sie berichten nicht mehr nur darüber, was anderen an Glück widerfahren ist, sondern sie bestätigen sich zunehmend selbst als Glücksüberbringer und Glücksschaffer (vgl. Reichertz 2000, S. 109 – 130; auch Reichertz 2010, S. 99 ff.). Kurz: Die Medien bringen oft großes wie kleines Glück – Glück soll auf diese Weise Kundschaft bringen oder halten.
Allerdings sind die Medien als Glückszuteiler manchmal ähnlich launisch und unberechenbar wie ehemals die antiken Glücksgöttinnen. Wer gestern noch ein viel umjubelter Star z. B. aus Deutschland sucht den Superstar war, um den sich alle Medien rissen, kann heute leicht von denselben Medien zum Depp der Nation geschrieben werden, dessen Platten niemand hören und dessen Filme niemand sehen will.
Die Medien, die ihr eigenes Überleben nur dem Massengebrauch gegen Geld verdanken – allen voran das Fernsehen –, sind also zu modernen Lieferanten des Glücks geworden– und das auf vielfältige Weise:
– So beraten sie in zahllosen Ratgebersendungen oder entsprechenden Seiten ausführlich darüber, was wahres Glück ist und wie es erlangt werden kann.
– Auch stellen sie in Reportagen, (Scripted-) Reality-Formaten und Talkshows gerne und großzügig Bühnen zur Darstellung und Ausstellung individuellen Glücks zur Verfügung.
– Sie helfen in einer Fülle von Formaten ganz normalen Menschen dabei, ihr Glück zu finden – sei es, dass Reporter oder Moderatoren Streit schlichten, Liebesbotschaften überbringen, Beziehungen (z. B. zu Bauern und Bachelors) stiften, Trauungen organisieren, baufällige Häuser renovieren.
– Und sie schaffen oft Gelegenheiten, bei denen medienöffentlich das Glück den Einzelnen treffen kann – entweder bei Lotterien, Quizshows, Überraschungssendungen, Schönheitswettbewerben und einer der zahlreichen Musik-Castingshows.
Der Rahmen „Werbung“
Was für die Medien im Allgemeinen gilt, gilt natürlich auch für eine bestimmte, ebenfalls oft überschätzte mediale Praxis: die Werbung. Kommerzielle Werbung lässt sich leicht (und zutreffend) als eine spezielle, historisch erarbeitete (und mittlerweile arbeitsteilig und wirtschaftlich organisierte) kulturelle Technik mit eigenen Sinnwelten, Relevanzen und Handlungsanschlüssen, kurz: als eine Sinnwelt mit einem eigenen Rahmen beschreiben. Dieser Rahmen ist förderlich und hinderlich zugleich. Hinderlich, weil etwas – einmal als Werbung erkannt – oft den Beigeschmack des unwahren Marktgeschreis erhält und die Kaufbereitschaft mindert; förderlich, weil der beworbene Artikel sich ohne diesen Werberahmen in der vielfältigen Warenwelt leicht verliert.
Deshalb braucht die Werbung ihren Rahmen; und wenn sie versucht, ihn moderner und etwas unaufdringlicher zu gestalten, dann führt das nicht zum Verschwinden der Werbung, sondern nur zu einem neuen Stil.“
Werbung ist immer und unaufhebbar eine Einladung zu einem sehr heiklen Doppelspiel: Einerseits weiß der Rezipient, sobald er aufgrund seiner Erfahrung mit Werbung etwas als Werbung enttarnt hat, dass er die dargebotenen Informationen nicht für bare Münze nehmen kann; andererseits stellt sich ihm (wider alle Vernunft und Erfahrung) die Frage, welche Teile der Werbebotschaft vielleicht dennoch stimmen und ihm von Vorteil sein könnten. Die Güte einer Werbung hängt davon ab, wie intelligent sie das Doppelspiel auf die jeweiligen Mitspieler abstimmen kann.
Werbung ist entgegen einem verbreiteten, gleichwohl unzutreffenden Bild nicht ein Spiegel der Gesellschaft: Weder bildet Werbung die Gesellschaft als ganze ab, noch verdoppelt sie das Vorgefundene bloß. Werbung wählt stattdessen aus, was sie zeigen will, unterschlägt vieles und überzeichnet anderes. Werbung zeigt meist das Wünschens- und Begehrenswerte, manchmal auch (als Kontrastfolie) das Unerwünschte und das Unglück, sie erzählt von den Wegen zum Glück und auch von der Vermeidung des Unglücks.
Aber: Werbung vermag es keinesfalls, Werte zu setzen, Werte zu schaffen oder gar Werte zu „heiligen“. Werbung (und natürlich auch nicht die Medien) sind also nicht die Quellen der gesellschaftlichen Glücksvorstellungen. Glücksvorstellungen entwickeln sich im Dickicht des Lebensalltags. Die Vielfältigkeit, die Gefahren und Hoffnungen alltäglichen Lebens, zu dem in modernen Gesellschaften gewiss auch die Werbung und die Medien zählen, schaffen den Boden für Glücksvorstellungen.
Bei der Anpreisung der Glücksvorstellungen bedient sich die Werbung in der Regel bereits vorhandener Werte, von denen sie glaubt, dass sie von einem breiten Konsens getragen sind, dass viele bereit sind, in Verfolgung dieser Werte Ressourcen hinzugeben.“
Glück, Schönheit, Wohlstand, Gesundheit, Attraktivität waren schon lange vor der ersten Werbung zentrale Werte westlicher Gesellschaften. Jugendwahn, Altersangst und der Drang zur effektiven Selbstoptimierung sind weder von der Werbung erfunden, noch von ihr positiv bzw. negativ aufgeladen worden, sondern beides findet sich in modernen Gesellschaften in großem Ausmaß. Werbung greift vor allem die Werte einer Gesellschaft auf, bevorzugt ohne Zweifel auch solche, die zu dem Medium passen und dem Auftraggeber genehm sind, zeigt dann allerdings nur Wege und Formen auf, wie diese Werte (mithilfe des Ankaufs von Produkten und Dienstleistungen) verwirklicht und erreicht werden können.
Geschaffen werden Werte in der Lebenspraxis und von der Kultur einer Interaktionsgemeinschaft. Gewiss ist auch die Werbung Teil dieser Kultur, aber nur ein kleiner und unbedeutender – Letzteres vor allem, weil alle Werbung unhintergehbar und (für jedes Gesellschaftsmitglied) erkennbar strategische Kommunikation zum Zwecke der Verkaufsförderung ist. Weder die Werbung noch die Werber können Werte selbstständig schaffen.
Was in einer Gesellschaft wünschenswert ist, wird andernorts erarbeitet. Getragen und verbürgt werden das Wünschens- wie das Begehrenswerte von jeweils unterschiedlichen, gleichwohl relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen. Es ist nicht erkennbar, dass die Werbung von vergleichbaren Gruppen getragen und verbürgt wäre. Deshalb können Werber allenfalls bereits etablierte und geteilte Werte in Umlauf bringen, kreieren können sie diese jedoch nicht. Werbung, die versuchen würde, Steuerehrlichkeit in Deutschland als handlungsrelevanten Leitwert einzuführen, würde bei noch so hoher Marktpenetration und noch so großem Werbedruck kläglich scheitern.
Don’t worry, be happy and show it!
Die Kinder der Moderne scheinen fast alle den Glauben zu teilen, der in alle Medien- und Werbebotschaften eingelassen ist: Glück ist von jedem machbar. Wer nicht an seinem Glück arbeitet, so die Botschaft, ist selber schuld, wenn er keins hat. Glück rückt damit als Gut immer mehr in die Nähe eines Arbeitsplatzes: Glück wie Arbeitsplatz sind verdient!
Wer arbeitslos oder unglücklich ist, hat einfach zu wenig getan. Mit mehr Einsatz – wer weiß?“
Immer weniger zählen die glücklichen Umstände, immer mehr der persönliche Einsatz. Deshalb zeigt das Glück, dass der Glückliche viel getan hat. Das Glück adelt das Leben – macht es in den Augen der Gesellschaft erfolgreich. Deshalb ist der Erfolgreiche (in den Medien) glücklich. Die Erlangung des Glücks fordert dem Einzelnen allerdings nicht mehr so viel ab wie ehemals: Aufwendige Askesepraktiken und gefahrvolle Fahrten sind überflüssig geworden. Glück liegt nämlich nicht nur im Trend, sondern ist (glaubt man den Medien und natürlich auch der Werbung) recht einfach zu erlangen: Ein paar Tipps genügen – und mit wenig Geld und ein paar Tricks ist das Glück schnell überlistet und erlangt.
Und – auch das eine Botschaft der Medien und der Werbung – Glück kann man nicht nur mit ein paar Tricks erlangen, sondern notfalls auch kaufen. Dass Glück durchaus käuflich ist, finden (wen wundert es) dann auch Werbefachleute und natürlich auch die Experten in Sachen Marketing: Boten sie früher in ihren bunten Botschaften Waren und Dienstleistungen an, so offerieren sie heute bessere Gesundheit, erfüllte Liebe, hohes Ansehen, viel Erfolg und vor allem viel Glück. Glück ist zum allgemeinen Serviceversprechen der Werbung geworden. Dies ist wahrscheinlich die frohe Botschaft, die jeder Werbung eingeschrieben ist, nämlich dass auch das Unmögliche durch den Menschen machbar ist, sofern er bereit ist, Engagement zu zeigen und (natürlich) Geld auszugeben. Dieser „konsumistische Machbarkeitsmythos“, also das Versprechen, etwas Unangenehmes wie z. B. das Alter mittels Kauf von Produkten und Dienstleistungen parieren zu können, bildet die Grundmelodie, die heute in vielen medialen Botschaften zu hören ist.
Medienglück
Sich und der Gesellschaft zeigen zu wollen oder zu sollen, dass man glücklich, also auch erfolgreich ist, bringt immer die Notwendigkeit mit sich, dieses Glück auch darzustellen, es in Szene zu setzen – es zu inszenieren. Der Begriff der Inszenierung meint hier weder plumpe noch feinsinnige Lügen zwecks Vortäuschung falscher Tatsachen und Umstände, sondern Inszenierungen sind unhintergehbare, weil unverzichtbare Formen des menschlichen Ausdrucks.
Von der Inszenierung kann man mit guten Gründen die Theatralisierung unterscheiden. Diese ist ein Unterfall der Inszenierung. Gemeint ist damit nicht der Gebrauch von theaterspezifischen Texten, Rollen und Requisiten, sondern vor allem der Umstand, dass die Inszenierung von Kultur oft auch zu einer „Kultur der Inszenierung“ (Soeffner 1992, S. 157 ff.) gerät. Theatrale Handlungen zielen nicht mehr allein darauf, ihr angestrebtes, instrumentelles Ziel zu erreichen (z. B. den anderen davon in Kenntnis zu setzen, dass man glücklich ist), sondern sie wenden sich immer auch an ein (medial) anwesendes Publikum.
Mediales Glück ist deshalb das Glück, das am Äußeren erkennbar ist bzw. sichtbar gemacht wird. Für das innere Glücklichsein haben die Medien kein Organ – außer den Glücklichen gelingt es, das Innere am Äußeren abzubilden: Die Medien ziehen das laute Glück vor Publikum dem stillen zu zweit deutlich vor.“
Medienglück ist also zum Glück für die Medien theatrales Glück. Aber die Logik der Medien verändert die Glückskultur der Gesellschaft noch weiter: Glück wird durch sie stets intensiver – und zwar in Quantität und Taktung. Medien verbrauchen nämlich (angeheizt durch die Konkurrenz) alte Darstellungen von Glück. Das große Glück von gestern ist, angesichts der Gewinne in Wer wird Millionär?, das kleine von heute. Wer glücklich sein oder von anderen glücklich genannt werden will, muss heute mehr tun als gestern und morgen mehr als heute – was in den Medien dazu führt, dass die Glückssuche verbissener und unbarmherziger wird. Bigger is better! Und da alle Medien immer wieder (neues und großes) Glück zeigen wollen (weil sie glauben, es zu müssen), verändert sich auch die Taktung von Glück. Einmal glücklich sein, ist nicht mehr genug, besser ist schon: immer wieder glücklich sein. Glück gerät unter Zeitdruck (vgl. auch Rosa 2013). Wer seine Zeit besser nutzt, also immer und überall am Glück arbeitet, liegt vorne. „Mobilität“ ist dann der Versuch, die technische Verfügbarkeit von Zeit und Raum zu Erlangung von Glück zu optimieren, und „Eile“ die Lebensweise, die versucht, eine gegebene Zeitspanne mit immer mehr Versuchen der Glückserlangung zu füllen.
Medienglück (wie hier beschrieben) ist also ein recht eigenwilliges, von den Medien und deren Produzenten bevorzugtes, weil zeigbares Glück. Betrachtet man das Medienglück in seiner Gesamtheit, dann lässt sich trotz aller Unterschiede ein Muster ausmachen, das sich deutlich von früheren Glücksvorstellungen abhebt. Kennzeichnen lässt sich dieses Medienglück im Wesentlichen durch sieben Entwicklungstendenzen, die da sind:
– Von der Gabe zum Zwang: Glück wird in den Medien nicht von außen zugeteilt, sondern kann von Akteuren durch bestimmte Praktiken und Opfergaben (z. B. Geld) herbeigezwungen werden.
– Von der Hoffnung zur Arbeit: Glück wird in den Medien selten passiv erwartet, sondern meist aktiv und systematisch erarbeitet.
– Von dem langsamen Erwerb zur „instant gratification“: Glück wird in den Medien immer weniger langsam und Schritt für Schritt erworben, sondern soll sich schnell, möglichst sofort einstellen.
– Von innen nach außen: Glück stellt sich in den Medien weniger durch die Zuwendung zum eigenen Inneren, sondern häufiger durch die Orientierung auf Äußeres her.
– Vom Verbergen zum Zeigen: Glück wird in den Medien selten verschwiegen, sondern meist theatral für Zuschauer sichtbar gemacht.
– Vom Kleinen zum Großen: Glück ist in den Medien immer weniger das kleine Glück, sondern immer mehr das große und das noch größere.
– Von der Ausnahme zur Regel: Glück ist in den Medien das, was man nicht nur einmal erlangen will, sondern immer wieder und immer öfter.
Die Medien und die Werbung produzieren also recht spezifische und in dieser Form auch tendenziell neue Formen der Glückserlangung und bringen diese in Umlauf. Wichtig dabei ist, dass die Medien nicht die einzigen Institutionen sind, die Glücksvorstellungen produzieren und anbieten. Auch andere sind in diesem Geschäft tätig wie z. B. Religion, Pädagogik, Sekten, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft etc. – teilweise mit ähnlichen, teilweise mit konträren Vorstellungen. Was sich schlussendlich wie auf dem Markt des Glücks durchsetzen wird, bestimmen nicht die Medien (auch wenn dies manchen Kulturkritikern und Medienmachern gefallen würde), sondern hängt zum Glück von sehr vielen Faktoren ab – also auch von denen, die Medien nutzen und bezahlen und vor allem eines sein wollen: glücklich.
Anmerkungen:
1 Die hier vorgestellten Gedanken gehen auf Überlegungen aus Reichertz 2010, S. 99 – 116 zurück.
2 Das Internet spielt in dieser neuen Glückskultur eine eigene Rolle: Es wird vor allem genutzt (z. B. in YouTube), um das eigene Glück (bzw. dessen Darstellung) möglichst vielen möglichst schnell zugänglich zu machen.
Quellen:
Bellebaum, A. (Hrsg.): Glücksforschung. Eine Bestandsaufnahme. Konstanz 2002
Reichertz, J.: Die Frohe Botschaft des Fernsehens. Kultursoziologische Untersuchung medialer Diesseitsreligion. Konstanz 2000
Reichertz, J.: Die Macht der Worte und der Medien. Wiesbaden 2010, 3. Aufl.
Rosa, H.: Beschleunigung und Entfremdung. Frankfurt am Main 2013
Soeffner, H.-G.: Die Ordnung der Rituale. Frankfurt am Main 1992