In eigener Sache

Claudia Mikat ist seit dem 1. Januar 2019 die neue Geschäftsführerin der FSF

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur von tv diskurs.

Anlässlich der Übergabe der Geschäftsführung an Claudia Mikat resümiert Chefredakteur Joachim von Gottberg die Veränderungen im Jugendmedienschutz seit Gründung der FSF vor 25 Jahren.

Printausgabe tv diskurs: 23. Jg., 1/2019 (Ausgabe 87), S. 1-1

Vollständiger Beitrag als:

Als die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vor 25 Jahren ihre Arbeit begann, war sowohl die Welt der Medien als auch die des Jugendschutzes eine völlig andere. Was man damals als „neue Medien“ bezeichnete, ist inzwischen in die Jahre gekommen und muss sich gegen eine Vielzahl neuer Konkurrenten durchsetzen. Während das Thema „Gewalt im Fernsehen“ manchem Politiker die öffentliche Aufmerksamkeit garantierte und Kriminologen sowie selbst ernannte Hirnforscher bei jedem Verbrechen oder Amoklauf, an dem Jugendliche beteiligt waren, reflexartig in Killerspielen die Ursachen dafür sahen und als Folge der medialen Gewalt eine Zunahme von Gewaltverbrechen prognostizierten, diskutieren wir heute über Fake News, Datenschutz oder Hassattacken in sozialen Netzwerken. Während damals jede Novelle von Jugendschutzgesetzen eine für die Anbieter unangenehme Verschärfung mit sich brachte, diskutiert heute die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), offenbar mit Zustimmung der Obersten Landesjugendbehörden, über die allmähliche Abschaffung von Ausschussprüfungen, die in Zukunft durch die Anbieter selbst unter Zuhilfenahme algorithmusbasierter Programme organisiert werden könnten. Pluralistisch und sachverständig besetzte Prüfgremien, lange Zeit ein unumstößliches Prinzip im Jugendschutz, fallen Sparmaßnahmen, der Technik und einem mangelnden öffentlichen Interesse an diesen Fragen zum Opfer.

Claudia Mikat war neben dem Geschäftsführer die erste Mitarbeiterin der FSF. Sie übernimmt die Verantwortung in einer Zeit, in der die Digitalisierung die Gesellschaft in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit verändert und einerseits ganz neue Chancen, andererseits aber auch ein großes Risikopotenzial vor allem für Heranwachsende eröffnet. Die zunehmende Dominanz des Smartphones in der Freizeitgestaltung Jugendlicher wird von manchen Eltern und Pädagogen als Suchtverhalten diagnostiziert. Portale wie Netflix, Amazon Prime Video oder maxdome bieten nicht mehr ein Bouquet von unterschiedlichen Themen und Programmelementen an, sondern schaffen die Möglichkeit, ausschließlich und zu jeder Zeit das jeweilige Lieblingsgenre zu konsumieren. Trotz der ungeheuren Programmvielfalt kann sich der Nutzer so z.B. ausschließlich auf Gewaltdarstellungen fixieren, wenn er das will.

Gleichzeitig stößt das klassische Modell des Jugendschutzes, Risiken zu identifizieren und durch regulatorische Maßnahmen von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten, immer mehr an seine Grenzen. Anbieter haben ihren Sitz im Ausland und entziehen sich damit der nationalen Regulierung. Netflix ist 2018 immerhin Mitglied in der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) geworden und hat Jugendschutzmaßnahmen eingeleitet, die Erfolg versprechend klingen. Apple hingegen hat bisher in dieser Richtung wenig Engagement gezeigt. YouTube bietet einerseits ein unschätzbares kostenloses und ausgesprochen breit gefächertes Angebot, das von Unterhaltung bis zur Wissenschaftsvermittlung reicht, was aber gleichzeitig zum Problem werden kann, weil eben auch Inhalte angeboten werden, die man aus gutem Grund von Kindern und Jugendlichen fernhalten möchte.

Jugendschutz, so viel steht fest, muss neu gedacht werden. Er wird in Zukunft weniger regulatorisch umgesetzt werden können und muss stattdessen mehr auf Informationen und Empfehlungen setzen. Hier muss sowohl in Bezug auf die Anbieter als auch auf die Medienpolitik noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um Jugendschutz nicht zu einer antiquierten und mehr oder weniger wirkungslosen Einrichtung werden zu lassen.

Claudia Mikat ist für diese Aufgabe die Richtige. Mit ihrem Engagement als Medienpädagogin und ihrer Expertise in Fragen der regulierten Selbstregulierung wird sie das notwendige Gleichgewicht zwischen Information und gesetzlicher Zugangsbeschränkung finden. Dafür gebührt ihr unsere Unterstützung und alle guten Wünsche für den Erfolg ihrer Arbeit.

Ihr Joachim von Gottberg