Indizierungsantrag zum Höcke-Buch abgelehnt
Das Buch Nie zweimal in denselben Fluss erschien bereits 2018 und beinhaltet ein Interview des AfD-Politikers Björn Höcke mit dem Publizisten Sebastian Hennig. Es sollte ein Buch „jenseits von Farben und Verleumdungen der Mainstreampresse“ (Thorwarth 2022) sein, so der Verlag damals. Nun stellte der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker, gleichzeitig Staatssekretär im hessischen Europaministerium, bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) in Bonn den Antrag, das Buch auf die Liste der jugendgefährdenden Schriften zu setzen (Indizierung):
Dieses Buch ist aus meiner Sicht eindeutig jugendgefährdend und gehört daher nicht in junge Hände.“ (Becker in Thorwalrth 2022)
Es stelle eine „Ansammlung von Verschwörungstheorien, Antisemitismus und rechtsextremistischem Gedankengut“ dar (ebd.). Hinzu komme ein rückwärtsgewandtes Geschlechterbild, Männer seien zur „Wehrhaftigkeit, Weisheit und Führung“ geeignet, während die Frau „Intuition, Sanftmut und Hingabe“ verkörpere, kritisiert Becker (ebd.). Höckes Buch sei geprägt vom Ungeist des Neofaschismus und trage zur Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas bei. „Es gehört auf keinen Fall in die Regale von Jugendzimmern“, meint der hessische Antisemitismusbeauftragte (ebd.).
Die bei der Bundeszentrale angesiedelte Prüfstelle entschied sich jedoch gegen eine Indizierung des Buches. Es könne zwar eine „sozialethische Desorientierung“ bei jungen Menschen bewirken und eine „eigenverantwortliche“ und „gemeinschaftsfähige“ Persönlichkeitsentwicklung gefährden (vgl. Türk 2022), was im Jugendschutzgesetz als Kriterium für eine Indizierung vorausgesetzt wird. Das Buch erfülle damit durchaus eine wesentliche Voraussetzung für die Indizierung. Nach § 18 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) können Medien indiziert werden, „die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden“ (Bundesministerium der Justiz [2]). Zu einer „gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ zählt auch die Integration in die Werteordnung unserer Gesellschaft, die unser Grundgesetz vorgibt. Dazu gehören vor allem die Menschenwürde, aber auch die Toleranz und das Demokratieprinzip. Mediale Inhalte, die diese Werte infrage stellen, könnten zu einer „sozialethischen Desorientierung“ junger Menschen führen und stellen einen Indizierungsgrund dar. Das würde auf das Buch durchaus zutreffen.
Dem stehe allerdings der Grundsatz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz entgegen. Die Prüfstelle schätzte die Grundrechte Höckes in dem konkreten Einzelfall höher ein als das Risiko einer Jugendgefährdung. Als Vertreter einer Partei trage er mit seinem Buch zur politischen Willensbildung bei. Die BzKJ bezog sich dabei ausdrücklich auf Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ (Bundesministerium der Justiz [1]) Die Indizierung von politischen Aussagen ist grundsätzlich ein Problem, nach § 18 Abs. 3 Ziff. 1 darf ein Medium nicht „allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts“ (Bundesministerium der Justiz [2]) indiziert werden.
Quellen:
Bundesministerium der Justiz (1): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art 21. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/
Bundesministerium der Justiz (2): Jugendschutzgesetz (JuSchG) § 18 Liste jugendgefährdender Medien. Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/
Thorwarth, K.: Jugendgefährdend: Antisemitismusbeauftragter will Höcke-Buch auf dem Index. In: Frankfurter Rundschau, 01.09.2022. Abrufbar unter: https://www.fr.de/
Türk, W.: Hessens Antisemitismusbeauftragter gescheitert. Buch von AfD-Politiker Höcke kommt nicht auf Index. In: Hessenschau, 09.09.2022. Abrufbar unter: https://www.hessenschau.de