Konfliktträchtige Idylle

Die Miniserie „The Dreamer - Becoming Karen Blixen“

Uwe Breitenborn

Dr. Uwe Breitenborn ist hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Dozent, Autor und Bildungsreferent bei der Medienwerkstatt Potsdam.

Programm The Dreamer – Becoming Karen Blixen
 Drama, DK 2022
SenderMagentaTV, ab 06.03.2023

Online seit 06.03.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/konflikttraechtige-idylle-beitrag-1124/

 

 

Am 6. März 2023 startete bei MagentaTV die dänische Miniserie The Dreamer – Becoming Karen Blixen (orig. Drømmeren – Karen Blixen bliver til, 2022). Die von Zentropa und Viaplay produzierte sechsteilige Serie erzählt Blixens Geschichte in den 1930er-Jahren, als sie nach ihrer langen Zeit in Kenia nach Dänemark zurückkam: mittellos, geschieden, krank und mit zerstörten Kaffeeplantagen-Träumen. Diese Krisensituation ist der Ausgangspunkt der exzellent besetzten Serie, bei der Connie Nielsen (Gladiator, Wonder Woman, Justice League) in der Hauptrolle zu sehen ist, an ihrer Seite eine ganze Riege dänischer Stars, wie beispielsweise Lars Mikkelsen (Borgen, Sherlock, House of Cards) oder Solbjørg Højfeldt (The Kingdom).
 

Elegische Eleganz

Karen Blixen ist eine schillernde Figur und spätestens seit den Achtzigern, als Sydney Pollacks Film Jenseits von Afrika alle renommierten Filmpreise abräumte, so etwas wie ein international gefeiertes dänisches Kulturgut. Von der prämierten Idylle, zu der damals Meryl Streep, Klaus Maria Brandauer und Robert Redford maßgeblich beitrugen, ist in der Serie nur wenig zu sehen. Im Mittelpunkt steht hier der melancholische Selbstreflexionsprozess von Karen Blixen, die nach der Rückkehr in ihren großbürgerlichen Lebensraum in Rungstedlund von Erwartungshaltungen umzingelt ist, denen sie zunächst nur schwer entsprechen kann. Auf diesem Terrain brechen alten Wunden und neue Konflikte auf. Ihre wohlhabende Familie ist aber auch eine potente Brückenbauerin und letztlich oft erstaunlich tolerant. So sind im Verlauf der Geschichte immer wieder Veränderungen und Neupositionierungen der Charaktere sichtbar, die manchmal wirklich überraschend sind.
 

Trailer The Dreamer – Becoming Karen Blixen (STAGE FIVE FILMS, 18.11.2022)



Starke Frauenfiguren

Blixen wird als sehr souveräne Protagonistin inszeniert, die sich zuweilen auch rücksichtslos gegen Widerstände durchsetzt und recht klar ihre Interessen im Blick hat. Starke Frauen prägen diese Serie. Neben Karen Blixen sind hier beispielsweise ihre Mutter Ingeborg und Tante Bess zu nennen, die neben ihrer Güte immer auch Würde und Selbstachtung auf eine ganz eigene, elegante Weise ausstrahlen. Die Haltung der Serie kann in diesem Sinne auch als feministisch gelesen werden. Frauen bilden in dieser alten Welt erstaunlich effiziente Allianzen. Die Männer hingegen treiben oft in ihren Fahrwassern, doch die Inszenierung diskreditiert deren Verhalten nicht, sondern schickt es in einen melancholischen Mahlstrom, der auch ihren Unsicherheiten Raum lässt.

Watch Connie Nielsen tour the Karen Blixen museum (Vogue Scandinavia, 10.02.2023)



In traumartigen, kunstvollen Inserts nehmen Blixens literarische Figuren und Selbstbilder Gestalt an. Diese Projektionen sind gleichsam auch eine Inbesitznahme durch die Protagonistin, die damit all den widerstreitenden Gefühlen Herr zu werden versucht. Connie Nielsen als Karen Blixen ist ein Glücksfall. Sie verkörpert eine entrückte, aristokratische, aber gleichzeitig auch sehr moderne, liberale Figur mit einer intensiven bildungsbürgerlichen Tönung. Zudem ist es heutzutage fast eine Seltenheit, eine Familiengeschichte zu sehen, die sich nicht an extremen Streitszenarien entlanghangelt, sondern bei allem Unverständnis eher diskursiv versucht, Zerwürfnisse zu überwinden. So wirkt die Serie zuweilen wie aus der Zeit gefallen.
 


Freigegeben ab …
 

Die dänische Serie wird von einer leisen und poetischen Erzählweise dominiert, die auf drastische Bilder oder intensive Spannungsbögen verzichtet. Die Geschichte ist klar historisch verortet. Aspekte des Kolonialismus sind, wenn überhaupt, nur am Rande präsent. Im Mittelpunkt stehen das Leben und die Familienbeziehungen der erwachsenen Karen Blixen, die nach ihrer Rückkehr aus Kenia darum kämpft, als Autorin verlegt und respektiert zu werden.

Erwachsenenthemen wie Status, Beziehungen, Arbeits- und Geschäftsleben prägen die Serie. Die Protagonistin ist eine ältere, zuweilen distanzierte Frau aus einem puritanisch anmutenden dänischen Großbürgertum, die eher wenig Projektionsfläche für Kinder bietet und für sie keine Identifikationsfigur sein wird. Insofern ist auch eine Übertragbarkeit von möglicherweise entwicklungsbeeinträchtigenden Handlungsmustern wie Zigaretten-, Alkohol- oder Drogenkonsum im Sinne einer sozialethischen Desorientierung nicht zu erwarten.

Karen Blixen wird als eine souveräne Persönlichkeit inszeniert, der Selbstzweifel nicht fremd sind und die zunehmend ihre Interessen durchsetzt. Die Inszenierung der großbürgerlichen Landidylle wird immer wieder durch traumartige, teils artifizielle Sequenzen durchbrochen, in denen Erinnerungen oder Figuren und szenische Passagen ihrer Geschichten versinnbildlicht werden. Diese Szenen sind oft düster gehalten, bleiben aber eher dezent. Das Wirkungsrisiko einer übermäßigen Angsterzeugung bei ab 12-Jährigen, aber auch bei jüngeren Kindern wurde ausgeschlossen. Da die Serie ohne drastische oder übererregende Inszenierungselemente auskommt, wurde sie für das Tagesprogramm freigegeben.
 

 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

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Sendezeiten und Altersfreigaben

 

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1§ 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

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Jugendschutz bei Streamingdiensten