nachgefragt: 1 und 2

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Im 25. Jahr des Bestehens der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) haben wir bei Medienschaffenden, Politikern sowie Pädagogen nachgefragt, wie sie den medialen Wandel einschätzen und welche Aufgabenschwerpunkte sie zukünftig für die Medienregulierung in Deutschland sehen.

Im Folgenden geht es um die Fragen:

1) Was ist derzeit die größte Herausforderung für den Jugendmedienschutz?
2) Welche Rolle spielt die Bewertung von Inhalten unter Jugendschutzgesichtspunkten heute noch?

Weitere Fragen und Antworten können unter Webklusiv abgerufen werden.

Printausgabe tv diskurs: 23. Jg., 2/2019 (Ausgabe 88), S. 28-28

Vollständiger Beitrag als:


1) Was ist derzeit die größte Herausforderung für den Jugendmedienschutz?

 

Die Herausforderung besteht in unterschiedlichen Alterskennzeichen für scheinbar inhaltsgleichen Content auf verschiedenen Plattformen. […]“

Birgit Guth, Leiterin der Medienforschung bei SUPER RTL

 

[…] Interaktionsrisiken. Diese Risikodimension ist regulatorisch überhaupt nicht erfasst, ist aber heute mindestens so relevant wie der klassische inhaltsbezogene Kinder- und Jugendmedienschutz. […] Außerdem müssen wir für eine konsequente Durchsetzung unseres Rechts sorgen, dort, wo es relevant ist – d.h. bei den Medien, die Kinder und Jugendliche heute tatsächlich nutzen. Die überwiegende Anzahl dieser Angebote ist aktuell ohne jede Regulierung, weil die Anbieter nicht in Deutschland sitzen. Recht, das nicht durchgesetzt wird, ist fataler als überhaupt kein Recht, weil dadurch das Grundvertrauen in die Wirkmacht des Staates, in unsere Gesetze und Institutionen beschädigt wird.“

Stefan Haddick, Referent im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

 

[…] Die größte Herausforderung ist derzeit, wirksame Schutzmechanismen zu entwickeln, die einer konvergenten Medienwelt und dem Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen hinreichend Rechnung tragen. […] Darüber hinaus gilt es, den Rechtsrahmen so fortzuentwickeln, dass zukünftig eine regulatorische Gleichbehandlung aller Verbreitungswege sichergestellt ist, ohne dass das Niveau des Jugendmedienschutzes dadurch abgesenkt wird.“

Dr. Wolfgang Kreißig, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden- Württemberg (LFK) und Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

 

Die existenzielle Herausforderung für den Jugendmedienschutz in Deutschland ist, die Daseinsberechtigung in den kommenden zehn Jahren nicht ganz zu verlieren. Dies gelingt wahrscheinlich nur über eine vollständige Auflösung jugendschutzrechtlicher und institutioneller Unterscheidungen nach Mediensparten. Der Schubladenjugendschutz nach Trägermedien, Rundfunk, Telemedien in acht Gefährdungsstufen ist […] anachronistisch […].“

Dr. Marc Liesching, Professor für Medienrecht und Medientheorie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig

 

2) Welche Rolle spielt die Bewertung von Inhalten unter Jugendschutzgesichtspunkten heute noch?

 

Solange es Filme und Serien gibt, egal, ob im Kino, auf Trägermedien, im Fernsehen oder im Netz verfügbar, wird auch ihre Bewertung weiterhin auf der Agenda stehen. Jedoch befreit vom Sex- und Gewaltalarmismus der 1980er- und 1990er-Jahre. Die Kommunikationsund Interaktionsrisiken im Netz haben die Rezeptionsrisiken also nicht etwa abgelöst. Sie sind hinzugetreten. […] Jenseits der großen Streamingportale für Filme und Serien fluten auch Darstellungen von Leid, Gewalt und Tod die Bildlabore des Web 2.0, ohne mit den wirksamen Möglichkeiten der Kontextualisierung und Kommentierung für eine moralische Grundierung zu sorgen. Wir werden also in Zukunft sehr sorgfältig auch auf die Alarmsignale aus der Herzkammer der Menschenwürde zu achten haben!“

Prof. Dr. Murad Erdemir, Stellvertretender Direktor und Justiziar der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR)

 

Die Inhaltebewertung spielt tatsächlich noch eine ganz große Rolle und die klassischen Themen „Sex“ und „Gewalt“ sind nach wie vor hochrelevant für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Ich würde nicht sagen, dass die neuen Interaktionsrisiken diese Themen verdrängen, sondern sie kommen in einem neuen Gewand daher. […]“

Martina Hannak, Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)

 

Für Eltern stehen oft andere Themen wie etwa Kostenfallen im Vordergrund, die Bewertung von Inhalten ist aber nach wie vor von Relevanz. Wir wissen, dass es z. T. sehr problematische Inhalte gibt, gerade im Internet. Dass die Eltern diese z. T. nicht wahrnehmen, hängt damit zusammen, dass viel über das Kindern inzwischen stets verfügbare Handy konsumiert wird und Eltern da aus irgendeinem Grund ein bisschen wegschauen. Und Kinder berichten von verstörenden inhaltlichen Erfahrungen oft nicht, weil sie Angst haben, dass sie irgendetwas nicht mehr nutzen dürfen.“

Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)