OLG Frankfurt zur Kennzeichnungspflicht für Werbung im Netz

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Influencer*innen müssen Inhalt als Werbung kennzeichnen, wenn sie gegen Bezahlung bestimmte Produkte vorstellen oder diese positiv und werbewirksam erwähnen. Aber müssen sie eine solche Kennzeichnung auch dann vornehmen, wenn ihnen das Produkt zwar kostenlos zur Verfügung gestellt wird, für die Nennung aber keine Honorierung erfolgt? Und konkret: Wie ist die Rechtslage, wenn es sich bei dem Produkt um Bücher handelt, die sie kostenfrei als Rezensionsexemplare bekommen und deren Nennung nicht vergütet wird?

Online seit 21.06.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/olg-frankfurt-zur-kennzeichnungspflicht-fuer-werbung-im-netz-beitrag-1122/

 

 

Eine Influencerin, die auf Instagram einen Account mit über einer halben Million Follower*innen betreibt, stellt dort verschiedene Produkte oder Leistungen gegen Vergütung vor. Daneben verlinkt sie Produkte ohne finanzielle Gegenleistung mit sogenannten Tap Tags: unsichtbare Markierungen auf Bildern, die durch Antippen sichtbar werden und die Namen der Hersteller des getaggten Produktes einblenden. Klicken die Nutzenden einen Tap Tag an, werden sie direkt zum Instagram-Account des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet. Allerdings werden der Influencerin die betreffenden Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt.

Im Herbst 2019 verlinkte sie mittels Tap Tags auf ein Paket von E-Books, die sich mit veganer Ernährung beschäftigen, und wies dabei ausdrücklich auf eine aktuelle Rabattaktion hin. Da die Nennung nicht honoriert wurde, machte sie diese nicht als Werbung kenntlich. Dagegen klagte eine Verlegerin, die ebenfalls einen Instagram-Account unterhält, auf dem sie gegen Bezahlung verschiedene Produkte anpreist und dies auch als Werbung kennzeichnet. Sie war der Meinung, auch die Beklagte müsse ihr Angebot entsprechend kennzeichnen, da sie die E-Books im Wert von immerhin 1.300 € kostenfrei zur Verfügung gestellt bekommen hat.

Wie die Rechtsanwältin der Klägerin, die Hamburger Medienrechtlerin Dr. Patricia Cronemeyer, mitteilte, bestätigte das Landgericht Frankfurt1 die Auffassung der Klägerin und verpflichtete die Beklagte, ihr Angebot entsprechend zu kennzeichnen. Die Beklagte legte dagegen Berufung beim Oberlandesgericht in Frankfurt ein. Die Berufung war jedoch erfolglos. Da sowohl die Klägerin als auch die Beklagte einen Instagram-Account betrieben, durch den sie Werbeeinnahmen generierten, stünden sie in Konkurrenz zueinander und deshalb sei eine Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zulässig, so das Gericht. Beide Anbieterinnen betrieben ihre Accounts in der Absicht, damit Werbeeinnahmen zu generieren, indem sie gegen Entgelt bestimmte Produkte bewerben. Das sei in beiden Fällen eine geschäftliche Handlung, die darauf ausgerichtet ist, den Absatz eines dritten Unternehmens zu fördern. Scheinbar private Posts seien besonders effektiv, da sie als glaubwürdiger und weniger auf ein wirtschaftliches Interesse ausgerichtet wahrgenommen würden als offensichtlich kommerzielle Werbung. Faktisch könnte die positive Nennung den Absatz der E-Books erhöhen. Eine eigene Auseinandersetzung mit den Inhalten der E-Books habe in dem Post nicht stattgefunden, sie wurden lediglich angepriesen, dabei wurde ausdrücklich auf den relativ hohen Rabatt hingewiesen.

Das Gericht sah es mit Blick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb als einen Verstoß an, dass die kostenfrei zur Verfügung gestellten E-Books nicht dazu geführt haben, das Angebot als Werbung zu kennzeichnen.2

Der Fall zeigt, dass die Regelungen des Gesetzes noch sehr unscharf sind.3 Wie wäre es beispielsweise zu bewerten, wenn man ein Produkt oder ein Restaurant, das man besucht hat, persönlich sehr gut findet und das in einem Post zum Ausdruck bringt? Wenn das zu einem erhöhten Restaurantbesuch führen würde, wäre das ein Streitfall. Dazu heißt es in § 5a Absatz 4 im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb:

„Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.“4

Das könnte also durchaus als Werbung verstanden werden und müsste entsprechend gekennzeichnet sein. Im Zweifelsfall müssten die Urheber*innen glaubhaft machen, dass sie für die Nennung des Restaurants kein Geld und dort auch nie ein kostenloses Essen erhalten haben.

Und wie ist es zu bewerten, wenn jemand auf seinem Instagram-Account Büchertipps gibt und diese Bücher als Rezensionsexemplare von den Verlagen kostenlos erhält? Kommt es dann darauf an, ob Bücher nicht nur positiv, sondern kritisch und somit manchmal auch negativ bewertet werden? Vieles muss noch gerichtlich geklärt werden. Wie aber das Gesetz angesichts der unglaublichen Menge von mehr oder weniger gewerblichen Posts und den vielen Unklarheiten in der Praxis durchgesetzt werden soll, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers.
 

Anmerkungen:

1) Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.03.2021, Az. 2/6 O 271/20

2) Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 19.05.2022 (Nr. 42/2022)

3) Weitere Infos dazu finden Sie auf der Website der Rechtsanwältin Marion Janke: https://www.medienrecht-urheberrecht.de/medienrecht/885-richtige-kennzeichnung-von-influencer-werbung.html

4) Siehe https://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/__5a.html