OVG Münster bestätigt Verbot pornografischer Internetangebote aus Zypern

Konsequenzen des Urteils sind jedoch ungewiss

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Im Dezember 2021 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf das Internetangebot dreier zypriotischer Pornoanbieter als in Deutschland unzulässig erklärt. Zwei der Anbieter klagten dagegen, die Klagen wurden vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster abgewiesen.

Online seit 13.09.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/ovg-muenster-bestaetigt-verbot-pornografischer-internetangebote-aus-zypern-beitrag-1122/

 

 

Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien (LfM) in Düsseldorf, hatte bereits im Frühjahr 2020 verschiedene Anbieter pornografischer Inhalte im Internet, die ihren Sitz in Zypern haben, aufgefordert, ihr Angebot in Deutschland nur nach Vorschaltung eines Jugendschutzprogrammes, das den Kriterien der KJM entspricht, zugänglich zu machen. Als die Anbieter nicht reagierten, klagte die Landesmedienanstalt mit Erfolg beim Verwaltungsgericht (VG) in Düsseldorf. Zwei der Anbieter legten dagegen Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster ein. Das Urteil vom 7. September 2022 bestätigt nun das Verbot des VG Düsseldorf (mehr dazu Gottberg, v. 2022).

Die Argumentation der Kläger, ein Verbot würde gegen das Grundgesetz (GG), unter anderem gegen die Garantie der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG verstoßen, wies das Gericht zurück: „Es unterliegt bei vorläufiger Einschätzung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass bei der Aufsicht über Telemedien-Angebote die inhaltliche Entscheidung über deren Vereinbarkeit mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag allein der von den Ländern gemeinsam errichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugewiesen ist. Ihre Einbindung in den Entscheidungsprozess verstößt weder gegen das Bundesstaats- noch das Demokratieprinzip. Trotz ihrer Aufgabe einer länderübergreifenden einheitlichen Spruchpraxis im Jugendmedienschutz dient die KJM – ein sachverständiges Gremium, dessen Mitglieder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an Weisungen gebunden sind – formal als ein Organ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt. Die ihr in der Sache zugewiesenen weitreichenden Entscheidungsbefugnisse sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Telemedienaufsicht gerechtfertigt, um staatlichen Einfluss zu begrenzen. Die Reglementierung jugendgefährdender Inhalte erfordert wertende Entscheidungen, die eine gewisse Gefahr einer politischen Instrumentalisierung zur Einflussnahme auf die freie Kommunikation bergen. Es dürfte daher jedenfalls zulässig sein, den für die Rundfunkaufsicht entwickelten Grundsatz der Staatsferne auch auf den Bereich der Telemedien zu erstrecken.“ (Pressemeldung des OVG Köln 2022)

Auch die Berufung auf das Herkunftslandprinzip, demzufolge ein Inhalt, der in einem Land der EU zulässig ist, in allen anderen Ländern ohne weitere Prüfung erlaubt sein muss, ließ das Gericht nicht gelten: „Der Untersagung können die Anbieter auch nicht das sogenannte Herkunftslandprinzip entgegenhalten, wonach für Internetanbieter aus einem EU-Mitgliedstaat grundsätzlich nur die dortigen Regeln gelten.“ (ebd.) Vor allem vertrat das Gericht die Meinung, die Anbieter würden dem Vorwurf, dass von den Angeboten eine erhebliche Jugendgefährdung ausgehe, nichts entgegensetzen: „Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, Kindern und Jugendlichen drohten ernste und schwerwiegende Gefahren durch freien Zugang zu pornografischen Internetseiten. Dem setzen die Anbieter mit ihren Beschwerden nichts Durchgreifendes entgegen. Nachdem die Landesmedienanstalt den EU-Mitgliedstaat Zypern hinreichend in die Maßnahmen eingebunden hatte, musste sie auch nicht die (ungewisse) Umsetzung einheitlicher Jugendschutzvorschriften in Zypern abwarten. Wenn ein Mitgliedstaat sich für andere Schutzmodalitäten als ein anderer Mitgliedstaat entscheidet, kann das keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen nationalen Bestimmungen haben. Vielmehr müssen die Beeinträchtigungen der zypriotischen Anbieter in ihrer unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf den hohen Stellenwert des Jugendschutzes zurücktreten.“ (ebd.)

Schmid begrüßte das Urteil des OVG: „Das Gericht bestärkt unsere Einschätzung der Rechtslage. Auch online darf Pornografie Kindern und Jugendlichen nicht frei zugänglich gemacht werden, die Anbieter der Pornoplattformen tragen die Verantwortung dafür. Wir erwarten, dass die betroffenen Anbieter diese gerichtliche Entscheidung nun umgehend umsetzen. Darüber hinaus geht von der Entscheidung auch eine Signalwirkung an weitere vergleichbare Angebote aus, die in nicht allzu ferner Zukunft auch von uns hören dürften. Insgesamt kein schlechter Tag für einen effektiven Kinder- und Jugendschutz im Netz.“ (Schmid, in: Pressemeldung der KJM (2) 2022)

Es bleibt nun abzuwarten, ob und wie dieses Verbot durchgesetzt werden kann. Einer der beim VG Düsseldorf beklagten Anbieter, xHamster, hat zwar auf die Berufung verzichtet, jedoch das Verbot bislang weitgehend ignoriert. Es ist bisher unklar, ob deutsche Gerichtsurteile gegen in Zypern ansässige Anbieter durchsetzbar sind. Die LfM hat verschiedene Internetanbieter aufgefordert, die gerichtlich verbotenen Angebote zu sperren: „Daher müssen nun als erstes die fünf größten deutschen Internetanbieterinnen den Abruf der Seite ‚de.xhamster.com‘ blockieren. Die Landesmedienanstalten, die gemäß des Sitzes der Anbieterinnen zuständig sind – die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), die Landesanstalt für Medien NRW (LFM NRW), die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) sowie die Medienanstalt Rheinland-Pfalz – haben entsprechende Bescheide zugestellt“, heißt es in der Pressemeldung der KJM vom 3. März 2022 (Pressemeldung der KJM (1) 2022).

Das ist allerdings rechtlich umstritten, denn die Urteile richteten sich gegen die Inhalteanbieter und nicht gegen die Internetanbieter. Die Internetanbieter sind sich unschlüssig, ob sie zu einer Sperrung gezwungen werden können. Außerdem: Im Fall xHamster bezieht sich die Sperrverfügung nur auf das ausdrücklich für Deutschland bestimmte Angebot mit der Webadresse de.xhamster.com. Der Anbieter hat die von einigen Internetanbietern durchgeführte Sperre dadurch umgangen, dass das Angebot in deu.xhamster.com umbenannt wurde. Gibt man die Adresse in alter Form bei Google ein, wird man direkt an die neue Adresse weitergeleitet. Die Originaladresse xhamster.com scheint ohnehin von der Sperrverfügung nicht betroffen zu sein.

Selbst wenn die Internetanbieter die Sperrung durchsetzen würden, wäre diese mit etwas Geschick zu umgehen. Damit rechnet auch die KJM und argumentiert, dass Minderjährige zumindest nicht zufällig auf die Seiten geraten, sondern dazu immerhin einiges unternehmen müssten.

Quellen:

Gottberg, J. v.: KJM fordert Sperrung von illegalen Pornoportalen. In: mediendiskurs-online vom 22.03.2022, abrufbar unter: https://mediendiskurs.online

Pressemeldung der KJM (1): KJM beschließt Sperrung von xHamster. Landesmedienanstalten verpflichten Internetanbieterinnen zur Blockierung des Porno-Portals. In: KJM – Kommission für Jugendmedienschutz vom 03.03.2022, abrufbar unter: https://www.kjm-online.de

Pressemeldung der KJM (2): Jugendmedienschutz: Gericht weist Beschwerden von Porno-Anbieter*innen zurück. Schutzmaßnahmen müssen umgehend umgesetzt werden. In: KJM – Kommission für Jugendmedienschutz vom 08.09.2022, abrufbar unter: www.kjm-online.de  

Pressemeldung des OVG Köln: Oberverwaltungsgericht bestätigt Untersagung von pornografischen Internetangeboten aus Zypern. In: justiz-online.de vom 08.09.2022, abrufbar unter: https://www.ovg.nrw.de