Wandel der kindlichen Mediennutzung

Welche Rollen nehmen digitale Angebote im Medienalltag ein?

Birgit Guth

Birgit Guth ist Head of Insights & Analytics Kids bei SUPER RTL.

Kindliche Mediennutzung ist schon immer Trends unterworfen, doch in den letzten fünf Jahren haben sich rasante Veränderungen ergeben. Vor 25 Jahren wurde darüber diskutiert, ob Kleinkinder schon Sendungen des Kinderfernsehens sehen sollten. Heute haben Dreijährige Zugang zu Streamingdiensten und YouTube-Kanälen, auf denen sie mit viel drastischerem Content in Kontakt kommen können. SUPER RTL stellte im Mai aktuelle Daten vor. Birgit Guth, Head of Insights & Analytics Kids bei SUPER RTL, stellt in diesem Beitrag die Forschungsergebnisse vor.

Online seit 12.07.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/wandel-der-kindlichen-mediennutzung-beitrag-772/

 

 

Was treibt Kinder gerade um? Wie sieht ihre Mediennutzung aus? Und welche Herausforderungen gibt es für Eltern und Kinder? Diese grundsätzlichen Fragen versucht SUPER RTL einmal im Jahr im Rahmen der Kinderwelten-Tagung (vgl. AdAlliance 2023) zu beantworten. Obwohl die Veranstaltung sich primär an Werbekunden und Mediaagenturen richtet, ist es uns immer ein Anliegen, über den Tellerrand zu blicken und auch gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen. Diese Themen begegnen unserem sechsköpfigen Forschungsteam, das fast ausschließlich die Kinder- und Familienzielgruppen im Blick hat, regelmäßig bei einer Vielzahl an Projekten.
 

Mediennutzung von Kindern wird nur rudimentär beforscht

Eine Herausforderung besteht darin, dass die Mediennutzung von Kindern nur in wenigen Bereichen gemessen wird. Für Informationen zur Nutzung linearen Fernsehens können wir auf die Daten der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) / Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zurückgreifen. Aber wenn es um digitale Plattformen oder Social-Media-Anwendungen geht, müssen wir uns mit Befragungsdaten, Tagebüchern und anderen Methoden behelfen. Die Kindermedienforschung greift auf Zeitpunktbetrachtungen zurück, z. B. über Befragungen bei Kindern und Eltern, etwa in Form der KIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) oder des Kindermedienmonitors. Valide und anerkannte Daten, die einen Überblick verschaffen könnten, fehlen – vielleicht auch das ein Grund, warum der gesellschaftliche Diskurs darüber kaum geführt wird.

SUPER RTL beauftragt einmal im Jahr das Institut iconkids & youth mit der Erhebung von Geräteausstattung und Medienzugängen in Familien mit Kindern im Alter von drei bis 13 Jahren (vgl. Guth 2023). Durchgeführt wird die repräsentative Face-to-Face-Befragung von Interviewern, die persönlich in die Haushalte gehen. Die Daten dieses Jahres haben wir mit den Werten von 2019 verglichen, um eine Verfälschung der Ergebnisse durch Sondereffekte der Corona-Pandemie (vgl. Guth, B. 2022) auszuschließen.
 

Gerätezugang für Kinder verändert sich kaum

Interessanter Befund: Im Vergleich mit 2019 zeigt sich, dass sich bezüglich des Gerätezugangs die beobachteten Effekte durch Corona wieder nivelliert haben (es wurden den Kindern also wieder Geräte entzogen. Nach wie vor sind die Familien gut ausgestattet mit Devices und die Kinder verbringen ca. 10 Minuten mehr mit Medien). Alle Kinder der untersuchten Gruppen dürfen an den Fernseher, die anderen Geräte werden gerade bei den Kleineren noch reglementiert. Gut die Hälfte der Kinder darf einen PC/Laptop nutzen; 43 % die Spielkonsole. Das eigene Handy gibt es nach wie vor im Alter von ca. 10 Jahren, wobei inzwischen schon 30 % der 8- bis 9-Jährigen über ein Smartphone verfügen (in 2019 waren es noch 25 %).
 

Kinder nutzen heute andere Inhalte und Plattformen

Wenn man genauer in Befragungsdaten und Tagebücher schaut, sieht man den Wandel der kindlichen Mediennutzung. Kinder verbringen weniger Zeit mit dem linearen TV und deutlich mehr mit Games und Social Media. Insbesondere TikTok und YouTube sind eine echte Herausforderung für die kindliche Medienkompetenz. Zum einen verschwimmen die Grenzen der Genres, dessen was Kinder hier konsumieren. Zum anderen bedeutet Social Media meist weniger die Möglichkeit, sich aktiv in Form eigener Beiträge zu beteiligen und teilzuhaben. Vielmehr stellt es sich als ein nicht enden wollendes Förderband für Inhalte dar, denen sich Kinder nur schwer entziehen können. Auf den neuen Plattformen müssen sie nicht nach Inhalten suchen – sie finden immer etwas, der Algorithmus liefert, manchmal auch Content, der nicht für junge Zielgruppen gedacht ist.
 

Basis: n=1.222 Mütter von Kindern 3-13 Jahre, Vorjahr ähnlich
Quelle: iconkids & youth / Insights Analytics SUPER RTL / Busbefragung März 2023, Face-to-Face


 

Games übernehmen die Kommunikationsfunktion von Social Media

Da sich Kinder auf TikTok und Instagram nicht wirklich beteiligen, bevorzugen sie andere Plattformen, um sich online auszutauschen. In Multiplayer-Games sind die Kinder unter sich und die Spiele sind mittlerweile auch von den Eltern akzeptiert. 70 % aller Kinder im Alter sechs bis 13 Jahren nutzen solche elektronischen Spiele. (vgl. Guth 2023) In den Onlinegames wird von den Chatfunktionen Gebrauch gemacht, um sich mit anderen nicht nur über das Spiel, sondern auch über Hobbys oder die Schule zu unterhalten. Teilweise kombiniert man das Game mit WhatsApp-Gruppenchats oder Discord-Communities.
 

Basis: n=1.2222 Mütter von Kindern 3-13 Jahre
Quelle: iconkids & youth / Insights Analytics SUPER RTL / Busbefragung März 2023, Face-to-Face


 

Die kindliche Mediennutzung ist heute stark geprägt von Inhalten und Plattformen, die eigentlich für Erwachsene gedacht sind. Die Daten der Forschung legen den Schluss nahe, dass wir als Gesellschaft derzeit nicht den Anspruch haben, Medienkindheit aktiv zu gestalten. Eine bewusste Gestaltung könnte etwa bedeuten, jungen Zielgruppen primär Zugang zu Inhalten und Produkten zu gewährleisten, die für sie kuratiert und kreiert wurden.

 

Quellen:

AdAlliance (o.A.): Kinderwelten Fachtagung 2023. In www.ad-alliance.de, 31.05.2023. Abrufbar unter: www.ad-alliance.de

Guth, B.: Zahlen, bitte! Aktuelle Daten zur Mediennutzung von Kindern. In www.ad-alliance.de, 30.05.2022. Abrufbar unter: www.ad-alliance.de

Guth, B.: Der Wandel der Kindheit. Wie die Mediennutzung das Aufwachsen von Kindern verändert. In: www.ad-alliance.de. Abrufbar unter: www.ad-alliance.de