Was darf wer über wen öffentlich sagen?

Streit um Veröffentlichungen aus dem Privatleben von Prominenten

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Chefredakteur der Fachzeitschrift MEDIENDISKURS.

Für die Bürger*innen in Deutschland gilt das Recht am eigenen Bild. Der Schutz ihrer Privatsphäre leitet sich aus dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz) ab. Für Prominente, die die Öffentlichkeit suchen und mit ihrer Bekanntheit wirtschaftlich erfolgreich sind, besteht dieser Schutz nur eingeschränkt. Der Fall Luke Mockridge zeigt die Schwierigkeit, hier zu sicheren Kriterien zu gelangen.

Online seit 26.09.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/was-darf-wer-ueber-wen-oeffentlich-sagen-beitrag-1122/

 

 

Das Liebesleben des Comedians Luke Mockridge (Sat.1) hat in der Vergangenheit immer wieder zu Schlagzeilen geführt. Konkret ließ im Jahr 2018 ein YouTube-Video vermuten, dass Mockridge und die Podcasterin Ines Anioli eine Liebesbeziehung hatten. Indiz waren Urlaubsbilder, die beide zur gleichen Zeit am gleichen Ort zeigten – allerdings nicht zusammen. Inzwischen ist Anioli seine Ex-Freundin, damals war die Beziehung zwischen den beiden noch nicht öffentlich. Mockridge fühlte durch die Spekulationen über die Beziehung den Schutz seiner Privatsphäre verletzt und klagte dagegen. Vom Landgericht Berlin bekam er zunächst recht, das Kammergericht bestätigte das Urteil: „Das Video habe Mockridge nämlich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, da er sich selbst nicht öffentlich über die Beziehung geäußert habe. Eine solche ‚Selbstöffnung‘ ergebe sich auch nicht aus den Instagramfotos.“ (ast/LTO-Redaktion 2022)

Nun hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) abschließend mit dieser Rechtsfrage beschäftigt und kam zu einem anderen Ergebnis: Zwar habe grundsätzlich jede private Person das Recht am eigenen Bild und es gebe einen Persönlichkeitsschutz; für Prominente, die an der öffentlichen Wahrnehmung und Kommentierung ihres Privatlebens ein Interesse hätten, gelte das jedoch nur eingeschränkt – und zwar nur dann, wenn sie offensichtlich ihr Privatleben in einem bestimmten Bereich nicht vor der Öffentlichkeit ausbreiten wollten. Ob eine solche Absicht, zum Beispiel das Familienleben vor der Öffentlichkeit fernzuhalten, vorliege, müsse im Einzelfall geprüft werden. Entscheidend sei, ob in dem konkreten Fall das Schutzinteresse der Person oder das Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang habe.

„Mockridge hat aus Sicht des BGH ausreichend Anlass dafür gegeben, dass sich die Öffentlichkeit mit seinem Privatleben auch in Hinblick auf sein Liebesleben befasst. So habe er nämlich zum einen entsprechende Interviews gegeben, zum anderen habe er auch die besagten Urlaubsfotos auf seinem Instagram-Account gepostet. Dass eine Übereinstimmung der auf den Orten abgebildeten Bildern von ihm und seiner damaligen Freundin auffallen würde, lag laut BGH nicht fern.“ (ebd.) Außerdem sah das Gericht in der Spekulation über das Verhältnis des Klägers zu Ines Anioli keinen schwerwiegenden Eingriff in dessen Privatsphäre. Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und entschied selbst in der Sache.

Wie weit das Recht auf Privatheit auch für Prominente gilt, ist immer wieder umstritten. Der BGH entscheidet sich im Zweifelsfall meist für das öffentliche Interesse: „Rechtsanwalt Martin W. Huff, u. a. spezialisiert auf das Presse-, Äußerungs- und Medienrecht, ist der Auffassung, dass der BGH seine medienfreundliche Rechtsprechung damit beibehält: ‚Der BGH hat völlig zu Recht Prominenten, die sich selber in die Öffentlichkeit begeben und intensiv vermarkten, Andeutungen machen und etwa Fotos in den sozialen Medien posten, einen geringeren Schutz ihrer Privatsphäre zugestanden als jemandem, der seine Privatsphäre regelmäßig besonders schützt. Ich halte dies für richtig: Wer mit der Öffentlichkeit 'spielt', muss auch damit rechnen, dass sein Verhalten besonders aufmerksam beobachtet wird.‘“ (ebd.)

Allerdings ist diese Haltung des BGH umstritten: „Medienrechtler und LTO-Chefredakteur Felix W. Zimmermann sieht das anders. LG und KG hätten richtig entschieden, dass eine willentliche Selbstöffnung nicht vorliege, wenn allein durch ‚Detektivarbeit von Followern‘ eine mögliche gemeinsame Reise herauszufinden sei. Auch dürfe aus einer gemeinsamen Reise nicht zugleich auf eine Liebesbeziehung geschlossen werden. Jedenfalls seien die Entscheidungen der Vorinstanzen vertretbar gewesen. Der BGH schwinge sich im Persönlichkeitsrecht in Revisionssachen zu häufig zum Tatrichter auf, so Zimmermann.“ (ebd.)

Mockridge hat die Öffentlichkeit und die Gerichte in letzter Zeit in verschiedener Hinsicht bemüht. 2021 gab es eine Anzeige eben dieser Ex-Freundin Ines Anioli, die Mockridge vorwarf, in ihrer Beziehung gewalttätig geworden zu sein und von ihr Sex verlangt zu haben, obwohl sie das in dem Augenblick nicht wollte. Daraufhin gaben zehn weitere Frauen an, ebenfalls von Mockridge bedrängt worden zu sein. „Lukes Ex-Freundin zeigte den Comedian an, wie er auf Instagram verrät: ‚Umso überraschender war es für mich dann, als ich eine Anzeige bei mir im Briefkasten hatte von ihren Anwälten und von ihr, in der es darum ging, dass es eine Nacht innerhalb unserer Beziehung gegeben haben soll, wo ich Sex wollte, aber sie nicht, wo es dann auch nicht zum Sex kam, aber es sich für sie rückwirkend nach all diesen Monaten so angefühlt haben soll wie eine gefühlte Vergewaltigung.‘ Ein Riesen-Schock für den 32‑Jährigen, denn die Aussagen deckten sich nicht mit dem, ‚was wir zu dieser Zeit erlebt haben‘. Auch wenn die Beziehung der beiden toxisch gewesen sein soll, sei sie trotzdem ‚weit weg von dem, was sie beschreibt.‘“ (RTL-News 2021)

Ein Artikel des „Spiegel“ in der Sache führte zu einer weiteren Kontroverse. „Es war eine der am härtesten geführten Social-Media-Debatten des Jahres: Rund um Ines Anioli und Luke Mockridge hatten sich im Netz Teams gebildet, die sich gegenseitig mit schlimmen Vorwürfen überhäuften, ohne überhaupt zu wissen, um was es konkret ging. Wir recherchierten also, um herauszufinden, was dahintersteckte, lasen die Ermittlungsakten, fanden eine Ex-Freundin von Mockridge, die eidesstattlich versicherte, sie habe eine ähnlich toxische Beziehung erlebt wie Anioli. Und wir sprachen mit mehr als zehn Frauen, die sagten, Mockridge sei bei ihnen übergriffig gewesen.“ (Müller 2021)

Die Rezeption des Artikels war ebenfalls sehr gegensätzlich: Auf dem Deutschen Comedypreis trugen verschiedene Teilnehmer*innen, unter anderem der Moderator Klaas Heufer-Umlauf, T-Shirts mit dem Aufdruck: „Konsequenzen für Comedian XY“. Andere wie Oliver Pocher und Tom Gerhardt hingegen stellten sich auf die Seite von Mockridge. Der „Spiegel“ bekam Hassnachrichten, ihm wurde Verdachtsberichterstattung vorgeworfen. Mockridge klagte gegen den Artikel des „Spiegel“ und hatte damit teilweise Erfolg, einige Behauptungen mussten zurückgenommen werden. „Das Gericht beurteilt den Spiegel-Report als unzulässige Verdachtsberichterstattung,“ schreibt Laura Hertreiter in der „Süddeutschen Zeitung“ (2021). Auch wenn das öffentliche Interesse an dem Fall groß sei, habe der Bericht gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung verstoßen, die Persönlichkeitsrechte von Luke Mockridge seien verletzt worden, zitiert die „SZ“ aus der Urteilsbegründung (vgl. Hertreiter 2021). Die Autorin der „Spiegel“-Artikel, Ann-Katrin Müller, will mit allen Mitteln gegen das Urteil vorgehen (vgl. Müller 2021).

Damit waren die Rechtsstreitereien um Mockridge noch nicht zu Ende. Der Comedian Thomas Spitzer positionierte sich in einem Tweet vom 26. Mai diesen Jahres auf Twitter gegen Mockridge: „Die Frage nach der Trennung zwischen Werk und Künstler stellt sich nicht, wenn beides scheiße ist.“ (Dietrich/Zimmermann 2022)

Dagegen klagte Mockridge vor dem Landgericht Hamburg und verlor: „Nachdem das LG sowohl weder eine unzulässige Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung angenommen hat, nimmt es […] eine kurze Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Mockridge und der Meinungsfreiheit von Spitzer vor. Für die höhere Gewichtung der Meinungsfreiheit Spitzers spreche, dass die Äußerung im Rahmen einer ernsthaften Auseinandersetzung gefallen sei. Das Persönlichkeitsrecht von Mockridge sei demgegenüber nur geringfügig beeinträchtigt, weil sich die Äußerung auf den Künstler Mockridge beziehe und eben nicht auf dessen Person.“ (ebd.)

Das Verfahren wegen sexueller Gewalt gegen Mockridge ist mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt worden, inzwischen arbeitet er auch wieder bei Sat.1.
 

Quellen:

ast/LTO-Redaktion: Comedian scheitert vor dem BGH. Liebesgerüchte wegen Urlaubsbildern zulässig. In: Legal Tribune Online (LTO), 12.09.2022. Abrufbar unter: www.lto.de/

Deutsch Online: Luke Mockridge: Liebt er Sex-Bloggerin Ines Anioli? In: Deutsch Online, 15.01.2018. Abrufbar unter: www.youtube.com

Dietrich P./Zimmermann F. W.: LG Hamburg zum Äußerungsrecht. Thomas Spitzer durfte Luke Mockridge „scheiße“ nennen. In: Legal Tribune Online (LTO), 12.07.2022. Abrufbar unter: www.lto.de/

Hertreiter, L.: „Spiegel“-Recherchen zu Luke Mockridge. Gericht beanstandet „Spiegel“-Bericht. In:Süddeutsche Zeitung, 09.12.2021. Abrufbar unter: www.sueddeutsche.de

Müller, A.-K./Backes, L.:#metoo. Die Akte Mockridge. In: SPIEGEL online, 26.12.2021. Abrufbar unter: www.spiegel.de

Müller, A.-K.: Wie wir für unsere Geschichte kämpfen. Das Mockridge-Beben und seine Folgen. In: SPIEGEL online, 30.12.2021. Abrufbar unter: www.spiegel.de

RTL-News: Emotionales Statement. Luke Mockridge sagte alle Auftritte ab: Ex-Freundin erhob Vergewaltigungsvorwürfe. In: RTL.de, 24.08.2021. Abrufbar unter: www.rtl.de/