Who Wants to Live Forever

„The Walking Dead: The Ones Who Live“

Matthias Struch

Matthias Struch studierte Kunstgeschichte und Neuere Geschichte. Er ist Hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. und Sammlungsleiter im Deutschen Historischen Museum.

Programm The Walking Dead: The Ones Who Live
 Horror, USA 2024
SenderMagentaTV, ab 26.02.2024

Online seit 03.04.2024: https://mediendiskurs.online/beitrag/who-wants-to-live-forever-beitrag-1124/

 

 

Nachdem Anfang 2023 mit Tales of the Walking Dead ein Spin-off von The Walking Dead auf deutschen Bildschirmen lief, das eher motivisch an der Mutterserie angedockt war und erzähltechnisch Experimente wagte, und es im Dezember 2023 Daryl in The Walking Dead: Daryl Dixon ins dystopische Frankreich verschlug, widmet sich The Walking Dead: The Ones Who Live nun endlich dem längst erwarteten, irgendwie notwendigen und damit auch vertraut anmutenden Erzählstrang um Rick und Michonne und versucht dabei sogar, so etwas wie ein Ende der Geschichte zu finden. Denn natürlich war die Liebesgeschichte zwischen ihnen nie zu Ende gewesen. Jahrelang suchten sie einander und finden sich schließlich, auch wenn sich vieles verändert und vieles sie verändert hat.

Rick hatte nach dem Deal mit Anne/Jadis zur Rettung der Gemeinschaft viele Jahre in der Civic Republic überdauert, immer mit der Sehnsucht nach Michonne und seiner Tochter. Er war zur Tötung von Walkern an den Außengrenzen eingesetzt, hatte auf verschiedenen Wegen zu fliehen versucht, um wieder nach Alexandria zu gelangen, hatte sich dabei die Hand abgeschnitten, war Mitglied der CRM geworden und sogar für eine Führungsrolle vorgesehen, hatte dabei aber irgendwie resigniert. Und traf wie durch ein Wunder auf Michonne.

Diese wiederum hatte sich irgendwann auf die Suche nach Rick begeben, Menschenleben gerettet, neue Freund:innen gefunden und wieder verloren, unzählige Walker getötet und den grausamen Krieg der CRM gegen andere Überlebende überlebt. Als sie die Möglichkeit zur Rache bekommt, trifft sie wie durch ein Wunder Rick in der Uniform der CRM.
 

Trailer The Walking Dead: The Ones Who Live (MagentaTV, 11.01.2024)



Fortan gilt es, viele Fragen zu beantworten, womit sich die Serie auf ganz ureigenem „dialoglastigen“ Terrain bewegt. Denn auch für diesen Teil des TWD-Kosmos gilt der Satz aus vielen FSF-Gutachten:
 

Die Episode aus der klar im Genre verorteten Zombie-Dystopie bietet genretypische Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Untoten bzw. Menschen und serientypische Diskurse über Moral, Gerechtigkeit und andere zwischenmenschliche Themen.“


Doch einiges scheint sich – erstaunlicherweise – geändert zu haben. Denn eine grundlegende neue Erfahrung von The Walking Dead: The Ones Who Live ist: Reden hilft doch. Womit die Serie einen Quantensprung macht, denn neben einem Bodycount, der den Vergleich zu allen Der Herr der Ringe-Filmen – in Extended Version – nicht zu scheuen brauchte, war in der Mutterserie gefühlt nur die Zahl der gesprochenen Worte und die Diskursdichte höher, sehr häufig verbunden mit einem manifesten Gefühl von Vergeblichkeit und Redundanz und der Hoffnung auf Schweigen. Eine weitere, sicherlich nicht neue Erkenntnis, aber bisher ohne diese Deutlichkeit: Michonne ist die Klügere. Es mag banal sein, kann aber trotzdem ausgesprochen werden: Rick allein – also Männer – sind keine Lösung.

Vor allem aber scheint den Macher:innen die Dystopie abhanden gekommen zu sein. So viel Hoffnung, wie man mitunter zu spüren vermag, war nie. Sollte The Walking Dead endgültig gestorben bzw. richtig tot sein?

Unter Jugendschutzaspekten gibt es jedoch kaum Überraschendes. Noch immer gilt: Menschen töten andere Menschen auf grausame Weise, Walker machen aus Menschen auf grausame Weise Walker, und Menschen töten grausam Walker. Diskussionswürdig erweisen sich diesbezüglich effizient anmutende und besonders perfide technologische Neuerungen und nur bedingt mit der permanenten existenziellen Ausnahmesituation zu erklärende Übertötungen.   

Also trotz Hoffnung: Es bleibt beim Spätabendprogramm.
 


Freigegeben ab …
 

Wie in der Mutterserie sind es auch in The Walking Dead: The Ones Who Live die Gewaltdarstellungen, die hinsichtlich ihrer Wirkung auf Jugendliche zu beurteilen sind. Der deutlich fiktionale Charakter der Zombie-Dystopie rahmt die teils grenzwertigen Gewalthandlungen hinreichend und lässt für ab 16-Jährige keine Übertragung auf reale Situationen und Einstellungen vermuten. Die Gewalt ist in eine Handlung eingebettet, die moralische Fragen bzw. Fragen des menschlichen Miteinanders aufwirft – sie erfüllt eine dramaturgische Funktion und steht nicht selbstzweckhaft für sich allein. Der deutlich artifizielle Charakter der Bilder relativiert ihre Wirkung. Ältere Jugendliche sind aufgrund ihrer Medienerfahrung und Entwicklungsreife in der Lage, die Gewalt in diesem (Genre‑)Kontext angemessen zu verorten und Distanz zum Gesehenen aufzubauen.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Weiterlesen:
Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:
Jugendschutz bei Streamingdiensten