Zurück in die Zukunft

Ein Physiker hält viele der technischen Wunder aus der „Star Trek“-Saga für prinzipiell realisierbar

Tilmann P. Gangloff

Tilmann P. Gangloff ist freiberuflicher Medienfachjournalist.

Als eines der Erfolgsgeheimnisse von Star Trek gilt die technische Seite der verschiedenen Serien. Der Dortmunder Physikprofessor Dr. Metin Tolan hat sich eingehend mit der physikalischen Seite des Enterprise-Universums befasst und festgestellt, dass sich die Autoren an die wichtigsten Grundregeln von Isaac Newton und Albert Einstein gehalten haben. Er hält auch den Warp-Antrieb für „prinzipiell physikalisch realisierbar“. Allerdings ist der Physiker auch über ein paar Ungereimtheiten gestolpert.

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Als der amerikanische TV-Sender NBC im September 1966 mit der Ausstrahlung von Star Trek begann, konnte niemand ahnen, dass dies der Beginn einer großartigen Erfolgsgeschichte sein würde. Die Serie, in Deutschland vom ZDF drei Jahre später unter dem Titel Raumschiff Enterprise ausgestrahlt, war zwar eine der ersten Farbfernsehproduktionen, aber dennoch alles andere als ein Publikumsrenner. Zweimal konnte die technikbegeisterte Fangemeinde das Ende verhindern; 1969 war dann trotzdem Schluss. Die Marke überlebte dennoch: 1987 folgte Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert (Star Trek: The Next Generation) sowie drei weitere Serien. Insgesamt kommt die Star Trek-Saga auf weit über 700 Folgen, außerdem sind 13 Kinofilme produziert worden. Als einer der wichtigsten Gründe für die Langlebigkeit und die große Hingabe der Fans („Trekkies“) wird immer wieder der technische Realismus der Serie genannt. Anfangs mag auch die Sehnsucht nach einer positiven Utopie eine Rolle gespielt haben, schließlich ist die Ursprungsserie im Kalten Krieg entstanden. In Raumschiff Enterprise gibt es keine Kriege oder sozialen Spannungen mehr; die Erde ist Teil der „Vereinten Föderation der Planeten“, an Bord tummeln sich unter dem Kommando von James T. Kirk (William Shatner) u.a. auch ein Russe, ein Japaner und der Vulkanier Spock (Leonard Nimoy). Kommunikationsoffizierin Uhura (Nichelle Nichols) ist nicht nur eine Frau, sondern auch Afroamerikanerin; das war 1966 in leitender Position gleich zweifach alles andere als selbstverständlich.

Natürlich war Star Trek Science-Fiction; aber eben mit Betonung des Begriffs „Science“, „Wissenschaft“. Der Physiker Metin Tolan (Technische Universität Dortmund) hat nun untersucht, ob der gute Ruf der Serie berechtigt ist. Sein Buch Die Star Trek Physik zeugt von großem Kenntnisreichtum der Serie, ist als Lektüre aber nicht nur für Enterprise-Fans gewinnbringend: Der Professor erklärt die physikalischen Feinheiten so gut, dass ihm auch jene Leser folgen können, für die Physik zu Schulzeiten stets ein Buch mit sieben Siegeln gewesen ist. Vor allem jedoch attestiert Tolan den Star Trek-Serien und -Kinofilmen eine erstaunliche physikalische Korrektheit, u.a. weil die Autoren offenbar konsequent berücksichtigt haben, dass die drei Newton’schen Bewegungsgesetze aus dem Jahr 1687 immer und überall im Kosmos gelten. Für Star Trek besonders wichtig: Ein Körper, einmal in Bewegung gesetzt, bewegt sich konstant und gradlinig weiter, solange keine Kraft (wie etwa die Schwerkraft eines Planeten) auf ihn einwirkt. Allerdings ist Tolan auch auf ein paar Irritationen gestoßen – und das bezieht sich nicht allein auf den „Communicator“, der im Vergleich zum Smartphone nur ein simples Funkgerät ist.

Die Enterprise wiegt 158 Kilo

Nimmt man die genannten Zahlen aus einer Folge der Serie beim Wort, wiegt das Raumschiff nur 158 Kilogramm; und zwar inklusive Besatzung. In der entsprechenden Geschichte steckt die Enterprise in einem mysteriösen Nebel fest und muss wie ein Schiff im Hafen von zwei Fähren abgeschleppt werden. Da erwähnt wird, mit welchem Kraftaufwand (25 Newton) die Fähren arbeiten, brauchte Tolan diese Zahl nur durch die ebenfalls genannte Beschleunigung dividieren. Das verblüffende Ergebnis lässt sich allein durch den Einsatz nicht näher erläuterter „Trägheitsdämpfer“ erklären.

Trägheitsdämpfer

Im fünften Kinofilm (Star Trek V: Am Rande des Universums [1989]) fällt James T. Kirk bei einer Kletteraktion im kalifornischen Yosemite-Nationalpark in die Tiefe. Sein Erster Offizier, der Vulkanier Spock, kann ihn retten, weil er dank seiner Raketenstiefel im letzten Moment ein Bein des Captains zu fassen bekommt. Tolan hat mehrere Einwände gegen die Szene: Wenn Kirk mit einem Tempo von 150 km/h stürzt, würde bei Spocks beherztem Zugriff eine Kraft von 40 Newton (gleich vier Tonnen) auf sein Bein wirken. Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Folgen dies für das Bein (oder Spocks Arm) hätte. Offenbar hat der Vulkanier rechtzeitig den Trägheitsdämpfer eingeschaltet, dessen Funktion sich jedoch mit den heutigen Physikgesetzen nicht erschließen lässt. Ungeklärt bleibt auch der Antrieb der Raketenstiefel: Wenn sie mit herkömmlichem Treibstoff funktionieren, bräuchte Spock allein für die kurze Flugeinlage 20 Liter.

Der Warp-Antrieb

Um die gewaltigen Entfernungen im Weltraum in fernsehtauglicher Zeit zurückzulegen, bedient sich die Enterprise des Warp-Antriebs. Auf diese Weise kann das Raumschiff eine kurzfristige Höchstgeschwindigkeit von 50 Lichtjahren pro Tag erreichen. Warp basiert auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, die u.a. besagt, dass der Raum durch Masse gekrümmt werden kann; wie eine Gummihaut, auf die eine Kugel fällt („to warp“: verzerren, verbiegen). Auf diese Weise krümmt sich der zweidimensionale Raum in eine dritte Dimension. Das entzieht sich zwar der menschlichen Vorstellungskraft, lässt sich aber mathematisch berechnen. Allerdings krümmt selbst die Sonne mit ihrer gewaltigen Masse den Raum in ihrer unmittelbaren Nähe nur so wenig, dass ein Lichtstrahl um ein halbes Tausendstel Grad aus seiner Bahn abgelenkt wird. In der Fiktion wäre also eine unvorstellbare Energiemenge nötig, um den Raum zwischen der Erde und Proxima Centauri so stark zu krümmen, dass die Enterprise mit angenehmem Reisetempo durch die entstehende Blase fliegen könnte. In verschiedenen Serienfolgen gibt es konkrete Hinweise auf die verschiedenen Warp-Steigerungen. Warp 1 ist die einfache Lichtgeschwindigkeit. Das Tempo wird exponentiell gesteigert: Warp 2 entspricht bereits der 13‑fachen Lichtgeschwindigkeit, Warp 5 der 200‑fachen. Höchsttempo ist Warp 9,99 (21.450‑fach). Schneller geht es nicht, denn Warp 10 wäre unendliche Geschwindigkeit. Tolan hält diese Art der Fortbewegung für „prinzipiell physikalisch realisierbar“, zumal sie sich sogar mathematisch herleiten ließe. Die Formel steht in den „Details für Besserwisser“, mit denen der Physiker jedes Kapitel beschließt. Dass die verwendete „Exotische Energie“ derzeit noch nicht vorstellbar sei, ist für ihn kein Argument, schließlich spiele die Serie im 23. Jahrhundert – und bis dahin sei noch vieles möglich.

Wurmlöcher

Noch schneller als mit dem Warp-Antrieb kann man sein Ziel erreichen, wenn man eine Abkürzung nimmt: die Wurmlöcher. Auch sie sind quasi ein Nebenprodukt der Allgemeinen Relativitätstheorie. Einstein hat sie 1935 erstmals mit seinem Kollegen Nathan Rosen beschrieben, daher hießen sie zunächst Einstein-Rosen-Brücke. Den Begriff „Wurmloch“ prägte der amerikanische Physiker John Archibald Wheeler 1957, weil er den Raum mit einem Apfel verglich, durch den sich ein Wurm frisst; ein Raumschiff würde also gewissermaßen einen Tunnel durch Raum und Zeit durchqueren, anstatt „außen herum“ zu fliegen. Theoretisch, sagt Tolan, ist das möglich. Praktisch allerdings wäre das Schiff bei einem Eintritt derartigen Gezeitenkräften ausgesetzt, dass es zerreißen würde. Gegen die Existenz der Wurmlöcher spreche zudem, dass bislang noch keine entdeckt worden seien.

Zeit ist relativ

Wäre ein Raumschiff in der Lage, sich mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen, verliefe die subjektiv erlebte Zeit laut Einsteins Relativitätstheorie langsamer. Dank der relativistischen Zeitdilatation würde die Besatzung eine objektiv vier Jahre dauernde Reise nach Proxima Centauri subjektiv als vier Tage erleben. Forscher nennen dies das Zwillingsparadoxon: Hätte Captain Kirk einen Zwillingsbruder auf der Erde, wäre der nach Kirks Rückkehr im Vergleich zu ihm selbst um acht Jahre gealtert. Jeder Trip in eine ferne Galaxis wäre also quasi eine Zeitreise in die Zukunft. Mithilfe des Warp-Antriebs lassen sich solche Zeitverzerrungen vermeiden. Für Kurzstrecken nutzt die Enterprise den wesentlich langsameren Impulsantrieb. Mit ihm erreicht das Raumschiff gut 20% der Lichtgeschwindigkeit. Er basiert vermutlich auf kontrollierter Kernfusion, die im Gegensatz zur Radioaktivität freisetzenden Kernspaltung als Energiegewinnung der Zukunft gilt.

Beamen

„Beam me up, Scotty!“. Dieser Satz hat für „Trekkies“ den gleichen Stellenwert wie „I’ll be back” für Fans von Arnold Schwarzenegger. Das Beamen ist nötig, weil ein Schiff von der gewaltigen Größe der Enterprise nach einer Landung auf einem Planeten wegen der Schwerkraft nicht mehr abheben könnte. Also lässt sich die Crew für Ortswechsel erst de- und dann rematerialisieren. Dies geschieht mithilfe eines Energie-Materie-Umwandlers: Die Person wird gescannt, ihre Atome werden in Strahlung umgewandelt, zum Zielort gelenkt und dort wieder in ihre ursprüngliche Position gebracht. Theoretisch wäre das laut Tolan denkbar, denn nach Einstein ist es möglich, Masse in Energie und wieder zurück in Masse zu wandeln. Allerdings würde bei der Dematerialisierung eines 100 Kilogramm schweren Menschen eine Energiemenge frei, die dem deutschen Jahresverbrauch entspräche. Laut Heisenberg’scher Unschärferelation sind zudem hundertprozentig exakte Kopien unmöglich, weil man nicht gleichzeitig den exakten Ort wie auch die exakte Geschwindigkeit jedes einzelnen Atoms in einem menschlichen Körper messen könnte. Diese Unschärferelation läge wie ein Vorhang über der Information zur Anordnung der Atome. Das Problem haben die Star Trek-Autoren zwar kurzerhand mittels eines „Heisenberg-Kompensators“ gelöst, aber Tolan bezweifelt, dass die Kopie noch so etwas wie eine Seele hätte. 

Zeitreisen

Im vierten Star Trek-Film, Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart (1986), sorgt eine außerirdische Sonde für verheerende Katastrophen auf der Erde. Sie sendet Signale aus, die dem Gesang der ausgestorbenen Buckelwale ähneln. Die Crew der Enterprise reist daher in die 1980er-Jahre zurück, um von dort ein paar Wale mit zurück in die Zukunft des 23. Jahrhunderts zu bringen. Solche Zeitreisen sind seit H.G. Wells’ Die Zeitmaschine (1895) ein Klassiker des Science-Fiction-Genres, aber auch das reinste Minenfeld, weil man als Autor permanent mit potenziellen Paradoxa konfrontiert wird. Möglich, sagt Tolan, sei eine Zeitreise ohnehin nur bei Selbstkonsistenzen: Veränderungen, die der Zeitreisende in der Vergangenheit vornimmt, dürfen nie ihn selbst betreffen. Theoretisch hält er so einen Trip innerhalb einer geschlossenen Zeitschleife allerdings für denkbar: Man müsste wie Kirk und Co. die Sonne möglichst schnell und dicht umrunden und würde auf diese Weise in die Vergangenheit katapultiert. Der berühmte britische Astrophysiker Stephen Hawking glaubt übrigens aus einem gänzlich unphysikalischen, aber sehr einleuchtenden Grund nicht an Zeitreisen: weil bislang noch niemand einem Zeitreisenden begegnet sei.

Außerirdische

Tolan hat eine einfache Erklärung dafür, warum es im wahren Leben noch keinen Kontakt zu intelligenten außerirdischen Lebensformen gegeben hat: Sie wissen schlicht nichts von uns. Elektromagnetische Wellen, zu denen auch Funk- und Fernsehsignale gehören, breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus. Da die Menschheit solche Signale erst seit gut 100 Jahren produziert, sind sie bislang auch erst 100 Lichtjahre weit gereist. Der nächste Planet, auf dem Leben theoretisch möglich wäre, ist jedoch 600 Lichtjahre entfernt. Außerdem nimmt die Intensität der Signale mit zunehmender Strecke ab. Trotzdem ist es ein eigentümliches Gefühl, dass die ersten Lebenszeichen, die Aliens von den Menschen bekommen, womöglich unsere Fernsehprogramme sind.

Literatur

Metin Tolan: Die Star Trek Physik. Warum die Enterprise nur 158 Kilo wiegt und andere galaktische Erkenntnisse. München 2016: Piper Verlag