Brandenburger Dorfpolizist spielt den Sheriff
Die deutsche Krimikomödie „Boom Boom Bruno“
Bruno, Dorfpolizist irgendwo im Umland von Berlin, spielt den Sheriff. Mit Cowboyhut, Lederweste und markigen Sprüchen fährt er Streife, seit Neuestem mit dem jungen und schüchternen Kollegen Mark. „Boom Boom Bruno“ wird er genannt, weil er unflätig flucht und manchmal zuhaut, halt ein „echter Mann“ ist – oder was er dafür hält. Bier und Schnaps zu jeder Gelegenheit und in den Stripclub sind sein Standardprogramm. „Schwuchteln“ und „Tunten“ sind das Letzte, Bruno spart nicht an Wortschöpfungen („Titten-Philipp“, „Bums-Tamara“), um sie zu beleidigen. Frauen betrachtet er am liebsten im Stripclub. Er leidet an Prostatakrebs, aber „Pimmel-Krebs“ ist was für „Weicheier“, also wird die Krankheit ignoriert. Dass Bruno eigentlich ein gutes Herz hat, ahnen wir, vor allem, wo er doch so väterlich den Neuen unter seine dicken Fittiche nimmt.
Trailer Boom Boom Bruno (Warner TV Deutschland, 08.11.2023)
Die deutsche Krimi-/Komödienserie versucht sich an einer zotig unkorrekten ambivalenten Hauptfigur, durchaus überzeugend gespielt von Ben Becker. Klischees sollen lustvoll veralbert werden, das gerät aber mitunter zur Karikatur, insbesondere in den Nebenfiguren. Marks Mutter etwa, die ehemalige Dorfschönheit, stets auf der hoffnungslosen Suche nach einem Mann, stets betrunken. Die Prostituierten im Klub haben allesamt ein goldenes Herz, die Dragqueens sind bitchig, Brunos alte Polizei-Kollegen bestellen Thai-Bräute aus dem Katalog, und die neue Vorgesetzte im Polizeirevier ist eine hart durchgreifende Lesbe. Das ländliche Brandenburg wirkt bei aller Realitätsnähe märchenhaft; ein Diner mit Kaffee ausschenkender alter Lady als Bedienung, ein schillernder Dragqueen-Club mit knutschenden Lederschwulen, eine Pool-Dance-Bar – Anklänge an amerikanische Filmklischees werden ganz offensichtlich bewusst gesetzt. Bruno als dauerpolternder letzter „echter“ Mann haut insbesondere im Staffelauftakt verbal ordentlich über die Stränge. Sein junger Partner Mark findet das zwar furchtbar – so steht es in seinem Gesicht geschrieben, und nach dem ersten Arbeitstag muss er sich übergeben –, aber sagen oder machen tut er nichts dagegen. Mark hat sich noch nicht geoutet, träumt davon, eine Dragqueen zu sein, und der Staffelfall spielt in eben diesem Milieu.
Freigegeben ab …
Überzeichnung, Ironie, Zuspitzung, Satire – ob das dramaturgische Konzept hier aufgeht, sei dahingestellt. Die sprachlichen Entgleisungen des Protagonisten bedurften jedoch einer genauen Betrachtung unter Jugendschutzaspekten. Die Frage stellte sich, ob die massierte Reproduzierung von herabwürdigenden Beleidigungen und die diskriminierende Sprache Übertragungsgefahren bergen. Dagegen steht die Tatsache, dass Bruno keine jugendaffine Identifikationsfigur ist. Hinter seinem Gepolter verbergen sich Einsamkeit und Scheitern im Leben, das verstehen auch schon junge Zusehende. Bruno ist alles andere als ein Gewinner-Typ, erzeugt mit seinen Sprüchen vielmehr Abwehr und Abscheu oder allenfalls Mitleid. Mark ist zunächst auch keine Identifikationsfigur, da er sich passiv verhält. Insofern bietet die Serie wenig Einstiegsmöglichkeiten für jüngere Zusehende. Positive Nebenfiguren wie Marks Love Interest, Sunnyboy und Footballspieler Mikky, der offen zu seiner Homosexualität steht, und die Pole-Tänzerin und alleinerziehende Mutter Alice, in die sich Poltergeist Bruno verliebt, liefern da schon eher Anknüpfungspunkte. Diese Nebenfiguren liefern positive Orientierung in ihrer Haltung.
Im Gesamtblick lässt die überzeichnete Inszenierung zwischen Persiflage und Klamauk kaum Übertragungsgefahren vermuten. Brunos sozialabträgliches Verhalten voll toxischer Männlichkeitsbilder ist an keiner Stelle von Erfolg gekrönt, führt abermals zu seinem Scheitern, im persönlichen wie im beruflichen Bereich. Auch der unmäßige Alkoholkonsum offenbart Versagen im Leben und ist an keiner Stelle positiv konnotiert. Im Verlauf der sechs Folgen entwickeln sich sowohl Bruno als auch Mark weiter. Bruno lässt das Fluchen und Beleidigen, kann Gefühle zugeben und entwickelt tatsächlich so etwas wie Toleranz. Mark lernt, zu dem zu stehen, was er will und wer er ist. Wer dem Erzählbogen der 1. Staffel bis zum Ende folgt, wird so mit vielen positiven Botschaften entlassen.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
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> Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
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> Jugendschutz bei Streamingdiensten