Generation Postapokalypse
Die Animeserie „Tengoku-Daimakyo“ mischt Dystopie mit jugendlichen Entwicklungsthemen
Die japanische Animeserie Tengoku-Daimakyo zeigt eine postapokalyptische Welt in naher Zukunft. Die Jugendlichen können sich nicht mehr an die Zeit vor der großen Katastrophe erinnern und nehmen die neuen Herausforderungen an. Von den Erwachsenen werden sie deshalb auch die „Gesetzlosen“ genannt. Aber wie so oft täuschen sich die Älteren. Es sind ganz normale Jugendliche, die lieben, zweifeln, Ängste haben. Die Dystopie der Zerstörung der Erde knüpft an realistisch vorstellbare Szenarien an. Die Serie richtet sich in ihrem anspruchsvollen und an realistische Settings angelehnten Zeichenstil an ältere Kinder und Jugendliche.
Tengoku-Daimakyo | Official Trailer (Disney+ Singapore, 28.03.2023)
Rätselhafte Identitäten
Auf zwei Handlungssträngen werden konträre Welten entworfen. In einer Schule leben Jugendliche sicher in einer Art Kunstwelt, während sich jenseits der riesigen Mauern die echte, zerstörte Außenwelt befindet. Die Menschheit ist ihrer Lebensgrundlagen beraubt, Banden beherrschen die Straßen, vor allem aber verbreiten menschenfressende Monster Angst und Schrecken. Im Zentrum der Serie steht die wehrhafte 18-jährige Kiruko, die von ihrer sterbenden Mutter den Auftrag erhielt, den 15-jährigen Maru zu beschützen und dessen Doppelgänger an einem Ort namens „Himmel“ zu suchen. Es stellt sich bald heraus, auch Kiruko muss das Rätsel ihrer Identität in der Außenwelt lösen, denn sie ist ein Zwitterwesen. Nach einer Operation lebt in ihr der von einem Monster getötete Bruder weiter. Kiruko denkt und fühlt wie ein Junge, steckt aber in dem voll entwickelten Körper einer jungen Frau.
Aktualitätsbezug und Coming-of-Age-Themen
Neben den aktuell gesellschaftlich brisanten Themen Umweltzerstörung und Zukunftsängste, berührt die Serie viele Themen Heranwachsender: erste Liebe, Verliebtheit, Freundschaft und Loyalität und verflicht diese fantastisch überhöht mit Transgender und sexueller Identität.
Freigegeben ab …
Im Zentrum steht mit Kiruko eine starke Protagonistin, die als Identifikationsfolie für junge Zusehende durch die Handlung führt. Die von den jugendlichen Hauptfiguren in nur wenigen Szenen angewandte Gewalt ist stets reaktiv zum Selbstschutz und für ihr Überleben in einer feindlichen Welt notwendig. Die Waffen sind dabei fantastisch, wie eine selbst gebastelte Armbrust oder eine Fake-Schusswaffe. Nur in einer der drei geprüften Folgen kommt es zu einem heftigen Gewaltausbruch der Nebenfigur Robin. Hier erreicht die Darstellung ein realistisch anmutendes Niveau in einem alltagsnahen Setting. Doch Robin ist keine Identifikationsfigur und die Szene illustriert vielmehr eine verrohte Außenwelt mit eigenen Gesetzen.
Eine nachhaltig ängstigende Wirkung muss auch nicht befürchtet werden. Zwar verbreiten die menschenfressenden Monster eine unheilvolle und gefährliche Atmosphäre, teils werden hier auch zerteilte Körper der Opfer gezeigt. Gleichzeitig sind diese Momente aber fantastisch stark überhöht und in die Fantasylogik von Gestaltwandlern eingebettet, denn die Verschlungenen leben offenbar weiter. Ab 12-Jährige sind bei aller Realitätsnähe genreerfahren genug, um mit der hier entworfenen dystopischen Szenerie angemessen umgehen zu können.
Im Verlauf kommt es zu einigen wenigen und sehr unvermittelten Darstellungen von Nacktheit. In einer Szene entkleidet sich Kiruko im Badezimmer und küsst nackt ihr Spiegelbild, dabei sind im Anschnitt ihre voll entwickelten Brüste zu sehen. Diese Szene ist innerhalb des Serienkosmos dramaturgisch eingebettet, spiegelt sie doch Kirukos Verwunderung im Körper einer Frau zu leben. Wichtig im Sinne von sexualisiert konnotierten Posen ist weiterhin der Umstand, dass es sich hierbei um eine junge Erwachsene handelt, von einer sexualisierten Darstellung kindlicher Charaktere also nicht gesprochen werden muss. In einer anderen Folge ist kurz das Bild einer nackten Frau zu sehen, welches aber ebenso abstrakt und genretypisch überhöht wirkt. Diese Momente wirken nicht voyeuristisch oder spekulativ, sie spiegeln vor allem die nach Identität suchenden Gefühlswelten der jugendlichen Figuren wider.
Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.
Weiterlesen:
> Sendezeiten und Altersfreigaben
Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.
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> Jugendschutz bei Streamingdiensten