Der letzte Cowboy ist eine Frau

Die fünfte und letzte Staffel der Comedy-Serie „Better Things“ bei MagentaTV

Christiane Radeke

Christiane Radeke studierte AV-Medienwissenschaften an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg und ist hauptamtliche Prüferin bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Sie schreibt als Autorin u.a. für das Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) und arbeitet für die Deutsche Welle in der Abteilung Documentaries.

Programm Better Things
 Comedy, USA 2022
SenderMagentaTV, ab 14.07.2022

Online seit 20.07.2022: https://mediendiskurs.online/beitrag/der-letzte-cowboy-ist-eine-frau-beitrag-1124/

 

 


Die US-Comedyserie um eine arbeitslose und unkonventionelle Schauspielerin mit losem Mundwerk geht in die fünfte und letzte Staffel. In der Serie geht es um die großen und kleinen Krisen des Lebens, um Familie und Ersatzfamilien. Eine Frau mit Mitte 50 als tragende Figur einer Serie, abgesehen von taffen Ermittlerinnen in etlichen Krimiserien, ist immer noch eine Besonderheit und Ausnahme. Noch dazu, da hier ihre alltäglichen Probleme und ihre Sicht aufs Leben im Zentrum stehen.

Die Rolle des Raubeins mit großem Herz ist vor allem Männern vorbehalten, hier ist es die kernige Mittfünzigerin Sam Fox, ehemaliger Sitcom-Star und alleinerziehende Mutter von drei heranwachsenden Töchtern, die in Hollywood fernab von jeglichem Glamour ihren Alltag zwischen Teenager-Krisen, Familien-Trouble und der Jagd nach einem neuen Job meistern muss. Sam cruist dabei mit ihrem lässigen Retro-Schlitten durch Los Angeles wie der letzte Cowboy. Sie flucht und säuft, eckt immer wieder mit ihrer direkten Art an und kann doch so schlecht über ihre Gefühle reden. Aber ihr Handeln ist immer geprägt von Zuwendung und Liebe. Konflikte kann sie aushalten und stehen lassen, selbst wenn sie mal wieder im Clinch mit ihren geliebten Töchtern liegt. Letztendlich ist sie für die ganze Familie ein Fels in der Brandung, auch wenn das in ihrer chaotischen Art durchs Leben zu steuern nicht immer so sichtbar ist.

Sams älteste Tochter ist die verantwortungsbewusste Max, die bereits von zu Hause ausgezogen ist. Sie muss eine Abtreibung machen lassen, was sie der Mutter verheimlicht. Sams bester Freund, der homosexuelle Rich, ist für Max als Vaterersatz da und begleitet sie. Frankie, die Mittlere, ist in ihrem Selbstverständnis am Puls der Zeit. Sie will sich geschlechtlich nicht festlegen und hat eine bunte, diverse Freundesschar um sich. Duke, die Jüngste, rasselt in dieser Staffel mit ihren 13 Jahren in eine ausgewachsene Identitätskrise. Themen wie jugendlicher Selbsthass und Probleme mit der Selbstakzeptanz werden hier gestreift, aber nie auf eine übermäßig belastende Art.
 

Trailer Better Things (Staffel 5, MagentaTV, 2022)



Die einzelnen Episoden folgen in ihrer Erzählweise der Logik des Alltags. Der Handlung wird kein dramaturgisch stringentes Korsett aufgezwängt, episodisch reihen sich die oftmals alltäglichen und banalen Ereignisse. Die Tonlage changiert zwischen heiter und melancholisch, verliert aber nie ihren komödiantischen Blick auf das Geschehen, was durchgehend entlastend wirkt.

Im Gesamtblick wirkt weiterhin distanzierend, dass die US-Comedyserie aufgrund ihrer erwachsenenspezifischen Themen und der dialoglastigen Gestaltung wenig kindaffin ist. Sie richtet sich in ihrem Humorverständnis an die Lebenserfahrungen Älterer, gleichwohl wird mit den drei Töchtern der jungen Generation eine starke Stimme gegeben. Aktuelle Themen finden hier Eingang, wie die Transgender-Freundesgruppe um Frankie, wie Probleme von Homosexuellen selbst im gesellschaftlich fortschrittlichen Kalifornien. Die Serie weist eine tolerante Grundhaltung auf und ist letztlich ein Plädoyer für Diversität, Gerechtigkeit und eine gelassene Sicht auf das Leben.

Diese Tonalität ist in die Bewertung unter Jugendschutzaspekten eingeflossen, denn viele Themen, die hier aufgegriffen werden, bieten jungen Zusehenden vielmehr Orientierung. Etwa wenn es um den schwulen Freund von Frankie geht, der sich vor den Eltern nicht outen kann, oder um Dukes Lebenskrise.
 


Freigegeben ab …
 

Hauptfigur Sam benutzt in ihrer direkten und unverblümten Art stellenweise derb zotige Ausdrücke, aber sie tut dies nie, um andere Menschen herabzuwürdigen. Auffällig ist außerdem, dass sprachliche Entgleisungen in der Serie ausschließlich von erwachsenen Figuren geäußert werden, die für jüngere Zuschauer:innen nicht anschlussfähig sind. Insofern wirken sexualisierte Sprachbilder nicht vorbildhaft. Im Gegensatz dazu drücken sich die drei jugendlichen Töchter von Sam sehr gut aus und fluchen nie. Sie bieten allesamt positive Identifikationsfolien für junge Zusehende. Entlastend ist außerdem, dass die mitunter derb-zotige Sprache nur sehr punktuell innerhalb der vielen Dialoge auftaucht und dadurch nicht nachhaltig in problematischer Weise verfängt.

Auch der gezeigte Alkoholkonsum der Erwachsenen wirkt nicht vorbildhaft und wird eher beiläufig gezeigt. Wenn Max in einer Episode betrunken nach Hause kommt, so wirkt das auch keineswegs attraktiv. Und wenn Sam einmal über die Stränge schlägt, hat sie einen ausgewachsenen Kater am nächsten Morgen. Das neue Laster der erst 13-jährigen Duke, die in einigen Folgen exzessiv E-Zigarette raucht, wird von ihrer Umwelt immer wieder kritisiert, bis Rich in einer Episode der Sache mit Durchsetzungskraft ein Ende setzt. So wird auch dieses zwischenzeitliche Suchtverhalten der Jüngsten kritisch eingeordnet, zumal es darüber hinaus inhaltlich an ihre Lebenskrise geknüpft wird, wirkt es keinesfalls cool oder nachahmenswert. Der ganze erzählerische Komplex um die Abtreibung von Max wird ebenfalls beiläufig, subtil, nur angedeutet und sehr einfühlsam verhandelt. Eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung geht auch hiervon nicht aus.

Im Ergebnis kann für alle Folgen der 5. Staffel über den Antrag auf 12 Jahre für das Hauptabendprogramm hinaus eine weitergehende Freigabe für das Tagesprogramm ab 12 Jahren erteilt werden, da auch im Hinblick auf das Wohl Jüngerer Kinder im Tagesprogramm keine Entwicklungsbeeinträchtigung zu befürchten ist.

 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

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Sendezeiten und Altersfreigaben
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