Ist die rechtliche Beschränkung im Jugendmedienschutz noch sinnvoll?
Wie sang Wolf Biermann schon 1965? ‚Was verboten ist, das macht uns gerade scharf …‘ Der verantwortungsvolle Umgang mit Medieninhalten wird immer wichtiger.
Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW)
Man muss Schutz neu definieren. Es geht im Jugendschutz nicht mehr nur um Abschirmen und Vorenthalten, sondern auch um Teilhabe durch Befähigung. Schutz ermöglicht überhaupt erst eine unbeschwerte Teilhabe. Die Bewertung von Inhalten hat insofern eine Art Leitplankenfunktion, weil sie die Werte spiegelt, die im Grundgesetz ihr Fundament haben und über die in der Gesellschaft Konsens herrscht. Man sollte hier auch noch stärker den öffentlichen Diskurs suchen, um immer wieder Aushandlungsprozesse anzustoßen, was denn die Werte sind, die wir vermitteln wollen – gerade auch im Hinblick auf die Interaktions- und Kommunikationsrisiken.
Martina Hannak, Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)
Wir brauchen ein neues Verständnis von Jugendschutz. Kinder und Jugendliche vor bestimmten Inhalten zu schützen, hat funktioniert, solange man den Zugang verhindern oder zumindest einschränken konnte. Heute werden auch von Jugendlichen selbst Inhalte produziert und verbreitet, Jugendliche sind in Kontakt mit anderen und tauschen sich mittels digitaler Dienste mit Texten, Bildern und Videos aus, das birgt auch neue Risiken. Vielleicht ist der Ansatz der Altersbegrenzung für Inhalte heute einfach nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen ein differenzierteres Modell der Klassifizierung von Angeboten, das über den reinen Inhalt hinaus Möglichkeiten der Bewertung eröffnet und auch Risiken der Interaktion und Kommunikation berücksichtigt.
Jutta Croll, Vorsitzende der Stiftung Digitale Chancen
Wer Freiheit schützen will, muss darauf achten, dass die Regeln, die die Freiheit garantieren, eingehalten werden. Sehen Sie sich die Entwicklung und die Aggressivität in der Kommunikationsplattform Netz an. Wenn wir da nicht sukzessiv wieder Boden unter den Füßen bekommen, dann ist das keine demokratische Plattform, sondern eine Fläche, in der die Lautesten und die Stärksten den Rest unterdrücken. Der Claim unseres Hauses lautet: „Der Meinungsfreiheit verpflichtet“. Aber Meinungsfreiheit zu schützen, heißt auch, Recht durchzusetzen, weil Meinungsfreiheit bedeutet, dass auch Schwächere eine Meinung haben dürfen und dass Meinungen, populäre wie unpopuläre, nebeneinander bestehen müssen. Insofern würde ich sagen: Ja, natürlich brauchen wir Regeln. Jedenfalls wenn wir weiterhin an eine funktionierende demokratische Medienordnung glauben und nicht einfach nur an darwinistische Anarchie.
Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW