Juristische Urteile/Beschlüsse (Ausg. 91)

Redaktion Recht

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„Beef“ zwischen den Rappern Bushido und Fler

Die beiden Rapper, die sich seit Jahren in sogenannten Disstracks beleidigen, verlagerten ihren Streit vor ein Gericht. Bushido klagte die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und die seiner Frau und Kinder an. Namentlich geht es um den Song Noname, insbesondere sorgen Liedzeilen für Unmut wie: „Bist alleine mit den Kindern (hehe)/Und sie sind nicht mal von dir“ und: „Diese Bitch ist nur ’ne Sucker-Ho/Werder Brem’n der ganze Kader (Werder Brem’n)/Jeder potenzieller Vater (ohh)/Letzter Wunsch von deiner Mama:/‚Trenn dich schnell von dieser An—‘“. Das Landgericht München gab Bushido diesbezüglich recht – es befand, dass die Persönlichkeitsrechte der Kinder verletzt seien, da diese mit der Auseinandersetzung nichts zu tun hätten und sich auch nicht gegen die Diffamierungen zur Wehr setzen könnten. Anders beurteilte das Gericht weitere Passagen, u.a. diese Zeilen: „Bist du wieder raffiniert/Schaffst du wieder mal dein Comeback/Dann reiß dir endlich mal den Arsch auf/Die Spielerfrau will diesen Bankscheck (komm)“. Diese müssten seine Frau und er als „beleidigende und unwahre Textpassagen“ dulden, da sich die Ehefrau via Instagram öffentlich in den Streit eingemischt habe. Hier überwiege die Kunstfreiheit des Rappers Fler in der Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten. Die untersagten Textstellen müssen abgeändert und der Song Noname aus dem Netz genommen werden, erklärt Moser, Flers Rechtsanwalt. Der Streit könnte weitergehen, die Rechtsanwältin von Bushido, Frauenschuh, prüft die Berufung gegen das Urteil.

Quelle: mgö/LTO-Redaktion: LG München I zu den Rappern Bushido und Fler: Bei Kindern hört das Dissen auf. In: Legal Tribune Online, 11.12.2019 (letzter Zugriff: 11.12.2019)
 



Frankfurter Rapper gegen den Streamingriesen Netflix

Ein weiterer Rapper sucht die gerichtliche Auseinandersetzung: Der Frankfurter Rapper mit dem Künstlernamen Cousin JMF ist Produzent und Inhaber des Musiklabels Skyline Records sowie des gleichnamigen Unternehmens. Das Begehr des Musikers: das Verbot der Verbreitung der Netflix-Serie Skyline wegen Verstoßes gegen sein Persönlichkeits- und Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Stein des Anstoßes: die seit September 2019 auf Netflix abrufbare Serie, die die Geschichte des Musiklabels Skyline und den Werdegang des Hip-Hop-Musikers Jinn erzählt. Der Rapper sieht seine Persönlichkeitsrechte dadurch verletzt, dass zahlreiche Anknüpfungspunkte der Serie an seine Biografie zu einer Verdichtung führten, die eine Unterscheidung von „Kunstbild und Urbild der Figuren“ unmöglich machten.

Dieser Ansicht trat nunmehr auch die zweite Instanz, das Oberlandesgericht Frankfurt, entgegen. Auf der Website der Kanzlei Dr. Bahr heißt es: „Die künstlerische Gestaltung der Lebensläufe der Protagonisten und der Geschäftstätigkeit der Firma seien in einer Weise verselbstständigt und in der Darstellung ausreichend künstlerisch transzendiert worden, ‚dass das Individuelle, Persönlich-Intime zu Gunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren und der Firma genügend objektiviert erscheint‘“. Entgegen der Auffassung des Künstlers liegen nach Ansicht des Gerichts gerade zu wenig konkrete Übereinstimmungen zwischen den Lebensläufen der fiktiven Persönlichkeit und der des Rappers vor.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss v. 21.11.2019, Az. 16 W56/19

Quelle:

OLG Frankfurt am Main: Netflix-Serie Skylines verstößt nicht gegen Persönlichkeitsrechte. In: Kanzlei Dr. Bahr, Rechts-News Archiv, 05.12.2019 (letzter Zugriff: 10.10.2019)
 



Hate Speech: aufsehenerregendes EuGH-Urteil

Der zugrunde liegende Streit, mittlerweile vermutlich vielen geläufig: Eine ehemalige österreichische Politikerin, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, klagt gegen Facebook, sie diffamierende Posts („miese Volksverräterin“, „korrupter Trampel“) zu löschen. Nach Durchlaufen des österreichischen Instanzenzuges legte der Oberste Gerichtshof (OGH) den Fall schließlich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Auslegung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vor. Diese E‑Commerce-Richtlinie trifft Regelungen, die das Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrecht der Informations- und Meinungsfreiheit einerseits und dem des allgemeinen Persönlichkeitsrechts andererseits in Einklang bringen. Die Richter des EuGH entschieden zugunsten der Politikerin, die das Urteil als „historischen Erfolg für den Persönlichkeitsschutz gegen Internet-Giganten“ bezeichnete. Der Entscheidung nach können nationale Gerichte Plattformen wie Facebook dazu zwingen, nach illegalen Postings zu suchen und diese weltweit zu löschen (Facebook hatte bislang nur in Österreich den Zugang zum ursprünglichen Post gesperrt). Auch können derartige Anordnungen auf wortgleiche Kommentare Dritter und gegebenenfalls auf sinngleiche Äußerungen ausgeweitet werden. Der Entscheidung ist insofern eine große Tragweite beizumessen, als sie sämtliche soziale Netzwerke betrifft, die sich in Zukunft bei Klagen nicht mehr auf ihren ausländischen Sitz, beispielsweise in Irland oder Amerika, berufen können.

EuGH, Urteil v. 03.10.2019, Az. C-18/18

Quelle:

Kamps, A.: EuGH: Wolf Theiss-Mandantin Facebook muss Beleidigungen weltweit löschen. In: juve.de, 04.10.2019 (letzter Zugriff: 09.12.2019)