Juristisches Urteil (md. 102)

Redaktion Recht

Begründungspflicht – keine „unnötige Förmelei“

ProSieben gewinnt vor dem OVG Berlin-Brandenburg gegen die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)/die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).

Printausgabe mediendiskurs: 26. Jg., 4/2022 (Ausgabe 102), S. 78-78

Vollständiger Beitrag als:

Bei dem Verfahren ging es um eine Beanstandung der Sendung Steven liebt Kino.

Der Reihe nach: ProSieben verbreitete von 2011 bis 2015 vormittags das Format Steven liebt Kino, in dem aktuelle Kinofilme vorgestellt wurden. Bei der streitgegenständlichen Folge, ausgestrahlt im April 2014, wurde vorrangig der Film The Lego Movie vorgestellt. Neben Hinweisen zu diesem Film wurden noch weitere Trailer gezeigt – u. a. zu den Filmen Devil’s Due – Teufelsbrut und Sabotage. Aufgrund von Zuschauerbeschwerden nahm sich die mabb des Falles an; aus Zuschauerkreisen war kritisiert worden, dass mit diesen Ausschnitten Filme vorgestellt worden seien, deren Inhalte sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren richten würden. Die mabb erstellte für die KJM eine entsprechende Beschlussvorlage – darin empfahl sie der KJM, eine Beanstandung nach § 20 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) auszusprechen, die Sendezeit für künftige Ausstrahlungen auf einen Zeitraum zwischen 20.00 und 6.00 Uhr festzulegen und eine Verwaltungsgebühr von 300,00 Euro zu erheben. Die Annahme der Medienanstalt: Die Ausstrahlung der Sendung verstoße gegen § 5 JMStV („Entwicklungsbeeinträchtigung“). In der Begründung führte die mabb entsprechend aus, dass Bilder gezeigt würden, „die der Horrorgrenze zuzurechnen seien“, so enthalte die Vorstellung des Films Sabotage zahlreiche Gewalt- und Actionszenen und auch die Inhalte des Films Devil’s Due – Teufelsbrut seien für die Altersgruppe der unter 12-Jährigen entwicklungsbeeinträchtigend.

Noch bevor die KJM den Fall prüfte, reichte der Sender die Folge zur nachträglichen Bewertung bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ein. Die FSF-Prüfung kam – entgegen der mabb – zu dem Ergebnis: Freigabe ab 12 Jahren in Verbindung mit der Ausstrahlung im Tagesprogramm.

Auf Basis der Beschlussvorlage stellte die KJM jedoch fest, dass ProSieben mit der Ausstrahlung der Folge am Vormittag gegen § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 und Abs. 4 JMStV verstoßen habe. Ein entsprechender Beanstandungsbescheid wurde dem Sender übermittelt.

ProSieben erhob gegen diesen Beanstandungsbescheid Klage beim VG Berlin. Und das Gericht entschied zugunsten des Senders.

Unabhängig von der Überprüfung einer möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung durch die gezeigten Bilder stellte das Gericht eine Verletzung der Begründungspflicht der KJM nach § 17 JMStV („Verfahren der KJM“) fest und gab der Klage statt.

Konkret sieht § 17 Abs. 1 S. 3 und 4 JMStV vor: „Die Beschlüsse sind zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen.“ Das Gericht betonte, dass diese Begründungspflicht vor allem die grundrechtliche Position der betroffenen Rund- oder Telemedienanbieter stütze und nicht als „unnötige Förmelei“ anzusehen sei. Es stellte fest, dass die KJM dieser Verpflichtung nicht hinreichend nachgekommen sei – so habe sich die Kommission die Beschlussvorlage der mabb leicht abgewandelt zu eigen gemacht, wobei weder die Bezugnahme ausreichend bestimmt noch die Begründung der mabb selbst frei von widersprüchlichen Annahmen gewesen sei. Es sei der Begründung nicht zu entnehmen, welche Teile der Sendung letztendlich den Ausschlag für die Maßnahme gegeben hätten. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Begründung stelle einen absoluten Verfahrensfehler dar, der sich auf die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides auswirke.

Die mabb hat versucht, gegen diese Gerichtsentscheidung Berufung bei der nächsthöheren Instanz – dem OVG Berlin-Brandenburg – einzulegen. Doch das OVG lehnte den Antrag der mabb auf Zulassung der Berufung ab (Az. OVG 11 N 64.18). Es bestätigte die Entscheidung des VG Berlin und sah gleichsam in der zu eigen gemachten Begründung einen absoluten Verfahrensfehler, der den Beanstandungsbescheid der mabb rechtswidrig werden lasse.

Das Urteil des VG Berlin wurde damit rechtskräftig.
 

Quellen:

DLA Piper: DLA Piper vertritt ProSieben erneut erfolgreich vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Jugendschutzrecht. In: dla-piper.com, 06.09.2022. Abrufbar unter: https://www.dlapiper.com (letzter Zugriff: 11.10.2022)

ku/LTO-Redaktion: ProSieben gewinnt vor dem OVG Berlin-Brandenburg. Jugendschutz braucht Begründung. In: Legal Tribune Online, 06.09.2022. Abrufbar unter: https://www.lto.de (letzter Zugriff: 11.10.2022)