Produktionsnetzwerke in Krisenzeiten

Aushandlungen einer herausgeforderten Branche beim „Berlinale Series Market“ 2023

Florian Krauß

Dr. habil. Florian Krauß ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Medienwissenschaftlichen Seminar der Universität Siegen und derzeit Gastwissenschaftler an der Universität Utrecht. Im Herbst 2023 erscheint seine Habilitationsschrift „Qualitätsserien aus Deutschland: Produktionspraktiken, Erzählweisen und Transformationen des Fernsehens“.

Die erstmalige Vergabe eines Serienpreises bei der Berlinale markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung, die seit knapp einem Jahrzehnt zu beobachten ist: Sogenannte A-Filmfestivals haben sich für Serien geöffnet. Neben der Sektion­­ „Berlinale Series“ fand auch dieses Jahr der „Berlinale Series Market“ statt, eine dem Fachpublikum vorbehaltene Konferenz mit Panels und Pitch-Veranstaltungen.

Online seit 24.03.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/produktionsnetzwerke-in-krisenzeiten-beitrag-772/

 

 

Der große ‚Serienhype‘ und eine ‚Goldgräberstimmung‘, die vor wenigen Jahren noch dieses Branchentreffen und die deutsche Produktionslandschaft prägten, scheinen nun allerdings passé. Aus vielen Präsentationen und Werkstattgesprächen war die Erkenntnis herauszuhören, dass die Zeiten härter und komplizierter geworden sind. Georg Tschurtschenthaler, Produzent der auf Dokumentarfilme und -serien spezialisierten gebrueder beetz filmproduktion, sprach exemplarisch von einem „hangover moment“. So wie Tschurtschenthaler aber weiterhin an ein Publikumsinteresse für komplexe Dokuserien glaubt, mischten sich unter den Krisenbefund immer wieder hoffnungsvolle Töne, die freilich auch vor dem Hintergrund von Eigeninteressen und Selbstmarketing zu verstehen sind (vgl. Caldwell 2008, S. 14). Die Medienproduzierenden wollen sich bei Branchenpanels grundsätzlich in ein positives Licht rücken. Dieser Beitrag legt auf Grundlage von Beobachtungen beim Berlinale Series Market 2023 dar, wie Praktiker*innen in den aktuellen Krisenzeiten Produktionsweisen und -netzwerke verhandeln.
 

Neue Marktrealitäten

Zu Beginn der Branchenveranstaltung lieferte Guy Bisson vom Mediendatendienst Ampere Analysis einen Überblick über die eingetrübte ‚neue Marktrealität‘. Gerade die Streaminganbieter beauftragen ihm zufolge mittlerweile weniger und vorsichtiger fiktionale Produktionen. Es sei weniger Geld im Umlauf, sichtbar beispielsweise daran, dass die hochbudgetierte, deutsche Netflix-Produktion 1899 (2022) keine Fortsetzung fand. Dabei hatte es diese Mystery-Thrillerserie des Dark-Duos Jantje Friese und Baran bo Odar nach den Daten von Ampere Analysis im Dezember 2022 noch unter die Top 3 der global erfolgreichsten Streamingserien geschafft. Eine größere Zurückhaltung deutete sich ebenso im Panel mit Vertreter*innen von Amazon Prime Video an: Im Vergleich zu herkömmlichen Fernsehsendern gäbe es bei den Streamern einen geringeren Druck, rasch Sendeplätze zu füllen, argumentierte Karin Lindström, Leiterin der skandinavischen Amazon-Originals. Dies klang nicht nach Interesse an mehr Content und kontrastierte ein Stück weit den Befund aus jüngeren Medienindustrie- und Drehbuchforschungen, dass gerade Streamingunternehmen auf schnelle Entwicklungen drängten – weil sie glaubten, mit ihren Zuschauer*innendaten vor allem Prognosen für die nahe Zukunft treffen zu können (vgl. Rasmussen 2020).
Entscheidend für die zögernde Haltung der großen Subscription-Video-on-Demand-Services ist laut Bisson wohl auch, dass diese in Westeuropa und Nordamerika inzwischen kaum noch ein Wachstum erreichen und sich daher verstärkt auf asiatische Länder ausrichten. Allerdings ist der transnational operierende Markführer Netflix in China weiterhin nicht zugelassen.

Ein weiterer Aspekt der veränderten Marktbedingungen, den Bisson akzentuierte, besteht darin, dass mehr und mehr Streaminganbieter sich nicht länger allein aus den Abogebühren, sondern zudem aus Werbeeinnahmen finanzieren. Mit dem Einzug von Werbefenstern bei Netflix und Co. werden die Grenzen zwischen Streaming und Fernsehen in puncto Geschäftsmodelle und Zielgruppen fließender. Die etablierten Fernsehsender geraten durch die zusätzlichen Konkurrenten auf dem Werbemarkt unter weiteren Druck, erweisen sich aber als beständiger als noch vor einigen Jahren angenommen, so Bisson. Vielleicht werden die historisch gewachsenen Fernsehinstitutionen auch wieder relevanter, da sie Produzent*innen, zumindest in Deutschland, oft als verlässlicher und planbarer gelten. Schließlich haben die Produktionsfirmen und ihr Personal über das unsichere Gebaren der Streamingunternehmen hinaus aktuell mit einigen Unwägbarkeiten zu kämpfen: insbesondere mit der hohen Inflation, die Budgets in die Höhe treibt und dem Fachkräftemangel (vgl. Gangloff 2022). Auch die Diskussionen beim transnationalen European Series Market drehten sich oft um diese Herausforderungen. Die dort referierenden Branchenvertreter*innen forderten in diesem Kontext eine höhere Flexibilität bei Netzwerkbildungen ein.
 

Netzwerkbildungen

Durch Organisations- und Medienökonomieforschungen ist gut belegt, dass die Produktion von Fernsehserien meist in Projektnetzwerken vonstatten geht: temporären, auf einzelne Projekte bezogenen Geschäftsbeziehungen und -interaktionen (vgl. z. B. Windeler und Sydow 2004). Auch die Fernsehschaffenden in Berlin verhandelten fortwährend das Netzwerken (zu dem eine Veranstaltung wie der Berlinale Series Market maßgeblich dient) und schilderten die eigene Branche als stark netzwerkgetrieben. Während die Praktiker*innen einerseits dafür plädierten, sich an die neuen Marktrealitäten anzupassen und dort hinzugehen, wo die Geldgeber säßen, empfahlen sie andererseits, auf bestehende Netzwerke aufzubauen. Dass der hohe Stellenwert von Praktiken und Beziehungen aus vorhergehenden Projekten es Neuen oft sehr schwer macht, einen Fuß in die Fernsehindustrie zu setzen, blieb bei diesem Rat unerwähnt. Grundsätzlich wird bei offiziellen Branchenevents wie dem Berlinale Series Market einiges ausgespart, beschönigt oder nur angerissen, insbesondere die prekären Bedingungen, unter denen viele Akteur*innen in der Fernsehserienproduktion arbeiten.

In den letzten Jahren ist zumindest eine ‚Diversität‘ verstärkt in den Fokus gerückt (vgl. z. B. Seelmann-Eggebert 2023), hinsichtlich Repräsentationen in Fernsehserien, aber auch Produzierenden und ihren Netzwerkbildungen. Bennett McGhee von der britischen Produktionsfirma Home Team (u. a. verantwortlich für die Channel 4-Netflix-Kooperation The End of the F***ing World, 2017–19) kritisierte indes, dass infolge der Diversitätsorientierung oft Personen, die noch nicht ausreichend erfahren seien, in Führungspositionen landeten. Der Dokumentarfilmregisseur und -produzent Jono Bergmann (u. a. Wirecard – Die Milliarden-Lüge, 2021) wollte diese Einschätzung nicht teilen und verwies auf etliche weibliche Talente in der Branche.
 

Trailer Wirecard- Die Milliarden-Lüge (Sky, 21.05.2021)



Beide diskutierten in einer Runde mit Adi Hasak, dem Creator von The Box (seit 2021) und André Zoch, dem Produzenten der für 2023 angekündigten Amazon-Fantasyserie Der Greif. Gemeinsam erkundeten sie in dem rein männlich besetzten (und insofern von Diversitätsgedanken recht unberührten) Panel Entrepreneurial Showrunners ebendiese als die ‚Zukunft der Kreativen‘ und als zentrale Lenker der Netzwerkbildungen. Der schon seit Jahren ausgetragene Diskurs zum Showrunner als sowohl geschäftlich wie auch kreativ verantwortliche Führungsperson und dem von ihr geleiteten Writers’ Room (vgl. Krauß 2018) setzte sich beim Berlinale Series Market also fort – implizit, in dem sich Autor*innen oder Produzent*innen veranstaltungsübergreifend als Showrunner titulierten und explizit in dem besagten Panel. Die Gründung einer eigenen Produktionsfirma durch die zentralen Kreativen galt den Diskutanten hier als nächster logischer Schritt. Zugleich konstatierten sie, dass die meisten Autor*innen nicht einschlägig ökonomisch bewandert seien und in der europäischen Serienproduktion nach wie vor kein zentraler Showrunner sämtliche Produktionsphasen überwache. Und doch gäbe es auch hier mittlerweile Autor*innen, die mehr Verantwortung übernähmen.

Die Vorstellung, dass allein Kreative mit ihrer Produktionsfirma eine Serie finanzieren können (wie es z. B. noch 2015 bei Cape Town, einem deutsch-südafrikanische Krimi ohne direkte Senderbeteiligung, erprobt wurde), scheint inzwischen aber obsolet. Robert Franke, der Bereichsleiter Drama bei der kommerziellen ZDF-Tochter ZDF Studios, unterstrich, dass vor dem Greenlighting (das heißt der finalen Beauftragung) ein Sender bzw. eine Plattform im Boot sein müsse. Diese Auffassung korrespondiert mit früheren Befunden zu der wichtigen Rolle der Auftraggeber*innen in den Projektnetzwerken der Serienproduktion (vgl. Windeler und Sydow 2004, S. 8).

Das Thema der Netzwerkbildungen wurde nicht nur als Zusammenarbeit von Sendern bzw. Streamern, Produktionsfirmen und Kreativen diskutiert. Auch die Frage nach Verknüpfungen zu Zuschauer*innen thematisierten die Praktiker*innen unter diesem Stichwort. Bei der Verkündung der recherchegetriebenen Jugend-Mysteryserie Feelings (2023) von ZDF und Funk deutete sich ein „ethnographic turn“ an, wie ihn Jakob Freudendal (2022) im skandinavischen Kontext ausgemacht hat: Heranwachsende werden ein zentrales Objekt der Recherche, die in die Stoffentwicklung einfließt, und geben infolge der Verbreitung auf sozialen Medien Feedback zu den Inhalten.

Philip Pratt, Leiter der deutschsprachigen Originals von Amazon Prime Video, thematisierte die medienübergreifende Distribution und Publikumsadressierung vor allem in der Plattformumgebung des Amazon-Konzerns. Dass eine Serie hier auch auf Zusatzdiensten wie Amazon Music präsent sein könne, mache sein Unternehmen für Kreative und Produktionsfirmen attraktiv. Zugleich strich er die transnationale Distribution heraus, die sich im Amazon-Kontext eröffne. Für Produzierende kann es freilich auch ein problematisches Szenario darstellen, wenn ihr Content in die alleinigen Hände eines Konzerns gerät und ad hoc in verschiedenen Territorien veröffentlicht wird. Bereits beim Berlinale Series Market 2020 hatten Branchenvertreter*innen beklagt, dass speziell Netflix nur lokale Preise zahle und so Zusatzeinnahmen durch Lizenzverkäufe entfielen (vgl. Krauß 2020, S. 5). Grundsätzlich kamen die Serienschaffenden auch 2023 in Berlin wieder auf transnationale Dimensionen der Serienproduktion zu sprechen, indem sie Netzwerkbildungen unter erschwerten Marktbedingungen ergründeten.
 

Transnationalisierung und (Re-)Lokalisierung

Transnationale Vernetzungen wurden zunächst anhand von Koproduktionen verhandelt, wobei sich Schnittstellen zum Co-Production Market zeigten, einer weiteren Branchenkonferenz bei der Berlinale. Insbesondere Estland, Lettland und Litauen, die diesjährigen Schwerpunktländer des European Film Market, präsentierten sich als minoritäre Kofinanzierer sowie als Drehorte mit Steuererleichterungen und vergleichsweise geringen Lohnkosten. Die baltischen Expert*innen betonten zudem mehrfach den Wissenstransfer, der sich durch die Anwesenheit ausländischer Teams und das Entstehen transnationaler Netzwerke ergebe, auch infolge von Medienförderungen und Steuererleichterungen. Ihre Argumentationen ließen dabei oft an die „neo-liberal ideology“ zu mobilen Arbeitskräften, internationalem Wettkampf und „de-provincialising“ der lokalen Filmkultur denken, wie sie Petr Szczepanik (2018, S. 168) an Koproduktionen unter osteuropäischer Beteiligung beobachtet hat.

Speziell in Zentral- und Osteuropa wurde zuletzt sichtbar, wie Entwicklungen im US-Markt und der ‚streaming war‘ unter erschwerten Bedingungen auf lokale Kontexte abfärben, denn 2022 verkündete HBO überraschend den Rückzug bei Eigenproduktionen aus Zentral- und Osteuropa – ein weiteres Anzeichen der Eintrübung. Fernsehschaffende aus Osteuropa schienen auch infolge des Russischen Überfalls auf die Ukraine darum bemüht, Verbindungen zu den USA und Westeuropa aufrechtzuerhalten bzw. zu intensivieren. Robert Franke von ZDF Studios schrieb Koproduktionen in der aktuellen politischen Situation das Potenzial zu, Brücken zu bauen und lud die eigenen Serienaktivitäten so politisch auf.

In Hinblick auf Koproduktionen und Formatadaptionen (die ein weiterer Weg sind, auf dem Serien transnational zirkulieren) hoben die Praktiker*innen einmal mehr die Relevanz von Netzwerken hervor. Diese können sich aus persönlichen Kontakten ergeben oder innerhalb eines Konzerns entfalten, wie im Fall von LOL: Last One Laughing (seit 2021). Die Amazon-Comedyshow, auf Grundlage der japanischen Vorlage Hitoshi Matsumoto Presents Documental (seit 2016),wurde mittlerweile in verschiedenen Amazon-Territorien adaptiert. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass Globalisierungsprozesse meist mit Lokalisierungen einhergehen, wie unter dem Begriff „Glokalisierung“ theoretisiert und in etlichen Fernsehforschungen dargelegt worden ist (vgl. z. B. Hansen 2020).
 

Die offizielle Preview Last One Laughing (Amazon Prime Video Deutschland, 05.04.2021)



Zumindest in größeren und wirtschaftlich interessanten Märkten wie Deutschland orientieren sich die großen Streamer US-amerikanischen Ursprungs verstärkt an nationalen Märkten und Publika. Philip Pratt von Amazon Studios Deutschland betonte beispielsweise einen sehr lokalen, kund*innenorientierten Zugang. Guy Bisson merkte an, dass lokale Spezifika insbesondere für Werbekund*innen relevant seien, auf die sich die SVoD-Anbieter nun, angesichts ihrer Werbefenster, verstärkt ausrichteten. Einige Branchenstatements klangen so, als müssten Serien sich zunächst wieder im heimischen Kerngebiet bewähren, wie es früher obligatorisch war, bevor es darum gehen kann, eine transnationale Distribution bereits in der Entwicklung und Produktion zu planen – ein Szenario, das seit einigen Jahren denkbar erscheint. Wangi Mba-Uzoukwu, Leiterin der nigerianischen Amazon-Serien, fasste den lokalen Markt als zentralen Orientierungspunkt immerhin weiter, indem sie darunter auch die nigerianische Diaspora subsummierte.

Kleinere Länder, so deutete sich mehrfach an, haben es mittlerweile wieder schwerer, die großen US-Streamer zu lokalen Produktionen in weniger verbreiteten Sprachen zu gewinnen. Der Produzent Rodolphe Bluet hielt dem Eindruck einer voranschreitenden Transnationalisierung mit vielen lokalen Serienproduktionen außerhalb Hollywoods (vgl. Meir 2019, S. 214 f.) auch entgegen, dass im französischen Netflix-Angebot zu 80 Prozent englischsprachige Inhalte konsumiert werden und wetterte gegen das „US brainwashing“. Wie schon beim Berlinale Series Market 2020 waren antiamerikanische Töne speziell von französischer Seite zu vernehmen.

Die Diagnose einer voranschreitenden US-Hegemonie oder gar eines „US brainwashing“ greift allerdings zu kurz. Zwar stoßen US-Produktionsfirmen angesichts der geringeren Auftragsvergabe im heimischen Markt verstärkt nach Europa vor, wie mehrere Praktiker*innen konstatierten. Dabei werden allerdings auch lokale Expertisen eingeholt und Netzwerke mit lokalen Partner*innen gebildet.

Das Bild von der US-amerikanischen Vorherrschaft relativierte sich beim Berlinale Series Market außerdem mit Blick auf Israel. Trotz seiner vergleichsweise seltenen Sprache und seiner kompakten Größe hat dieses Land mehrere Serien hervorgebracht, die transnational erfolgreich adaptiert wurden: etwa das in einem Panel genauer beleuchtete Thrillerdrama Kvodo (2017), auf dem u. a. das deutsch-österreichische Euer Ehren (2022) oder das US-amerikanische Your Honor (2020–23) beruhen. Der Kvodo-Showrunner Ron Ninio und die Produzentin Danna Stern sahen entscheidende Gründe für die Anschlussfähigkeit dieses Serienstoffs in der verhandelten Vater-Sohn-Beziehung und den Krimielementen.
 

Krimi und leichte Tonalität: konservativere Auswahlkriterien

Über das Fallbeispiel Kvodo hinaus drehten sich der Berlinale Series Market 2023 immer wieder um Krimiserien, die den Vortragenden einerseits als transnational attraktiv und andererseits als lokal verankert galten. Sie diskutierten das Krimigenre auch als zentrale Grundlage für Reformen – hin zu diverseren Stoffen und Figuren (wie im Fall der schwedisch-deutschen Koproduktion Detective 24: Beledweyne, 2023, mit einem Geflüchteten aus Somalia als Ko-Ermittler) und hin zu Teen-TV-Dramen (z. B. School of Champions, 2023). Die Vielzahl an Krimiserien bei den Streamern und die Ankündigung mehrerer Coming-of-Age-Stoffe der Öffentlich-Rechtlichen zeigen, dass sich beide Seiten einander inhaltlich angenähert haben. Gerade die großen SVoD-Anbieter agieren mittlerweile konservativer und greifen in der Selektion ihrer Projekte auf Bewährtes zurück: etwa, wenn sie vorzugsweise Stoffe realisieren, zu denen bereits eine erfolgreiche Vorlage in Serien-, Podcast- oder Romanform existiert, oder eine ‚leichte Tonalität‘ einfordern (wie die Amazon-Vertreter*innen in dem Prime-spezifischen Panel).

Die Serienproduktion ist komplizierter geworden. Bei sinkenden Auftragszahlen sowie verstärkter Zurückhaltung und Konservatismus bei den Streamern, gewinnen herkömmliche Selektionskriterien und traditionelle Formen des Fernsehens wieder an größerer Bedeutung. Neben dem obligatorischen Krimi betrifft dies non-fiktionale Sendungen wie Reality-TV-Shows, die meist günstiger zu produzieren sind. Nicht zuletzt wies der Berlinale Series Market mit seinem Augenmerk auf neue Serientrends so auch auf Kontinuitäten und Traditionen in der aktuellen Serienproduktion hin.
 

Literatur:

Caldwell, J. T.Production Culture. Industrial Reflexivity and Critical Practice in Film and Television. Durham 2008

Freudendal, J.: Working with ‘Kidnographers’ to Not Be Cringe: New Ways of Using Ethnographic Audience Research Methods When Trying to Reach Young Audiences. In: CST Online, 17.06.2022. Abruf unter: cstonline.net (letzter Zugriff: 15.03.2023)

Gangloff, T. P.: Die fetten Jahre sind vorbei: Graue Wolken über der deutschen Produktionsbranche. In: mediendiskurs 26, Ausgabe 102, 4/2022, S. 70–74

Hansen, K. T.: Glocal Perspectives on Danish Television Series: Co-Producing Crime Narratives for Commercial Public Service. In: A. Marit Waade, E. N. Redvall, P. M. Jensen (Hrsg.): Danish Television Drama: Global Lessons from a Small Nation. Cham 2020, S. 83–101

Krauß, F.: Showrunner und Writers’ Room: Produktionspraktiken der deutschen Serienindustrie. In: montage AV 27, Ausgabe 2, 2/2018, S. 95–109

Krauß, F.: Transnationale Vernetzungen in der Fernsehserien-Produktion: Branchendiskussionen beim Berlinale Series Market 2020. In: TV Diskurs 24, 3/2020, S. 4–7.

Meir, C.: Mass Producing European Cinema: Studiocanal and Its Works. New York u. a. 2019.

Rasmussen, N. V.: Data, Camera, Action: How Algorithms Are Shaking Up European Screen Production. Annual Conference of the Association of Internet Researchers 2020. In: Journals@UIC. Abruf unter: journals.uic.edu (letzter Zugriff: 15.03.2023)

Seelmann-Eggebert, A.: Diversität im internationalen Vergleich: von Ghana bis Tokio: Im Gespräch bei der TV-Konferenz „INPUT 2022 Barcelona“. In: mediendiskurs 27, Ausgabe 103, 1/2023, S. 34–38

Szczepanik, P.: Breaking through the East-European Ceiling: Minority Co-production and the New Symbolic Economy of Small-Market Cinemas. In: J. Hammet-Jamart, P. Mitric, E. Redvall (Hrsg.): European Film and Television Co-Production: Policy and Practice. Cham 2018, S. 153–173

Windeler, A./Sydow, J.: Vernetzte Content-Produktion und die Vielfalt möglicher Organisationsformen. In: dies. (Hrsg.): Organisation der Content-Produktion. Wiesbaden 2004, S. 1–17